Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte aus Anlaß der zweiten Lesung dieses Gesetzes keine Generaldebatte entfachen, die eigentlich der dritten Lesung vorbehalten ist. Ich möchte nur einige grundsätzliche Bemerkungen machen, die vielleicht die heutige Aussprache abkürzen, um so mehr, als heute keine Abstimmung stattfinden soll.
Dieser Gesetzentwurf hat nicht nur organisatorische Bedeutung; er ist von Wichtigkeit nicht nur für den Aufbau der Finanzverwaltung im Bund und in den Ländern, für die Veranlagung und Erhebung der Steuern, sondern er ist auch von einer verfassungsrechtlichen und damit politischen Bedeutung. Ich darf die Damen und Herren, die seinerzeit dem Parlamentarischen Rat angehört haben, an die sehr lebhaften und zum Teil monatelang dauernden Auseinandersetzungen erinnern, die innerhalb des Parmentarischen Rates, aber auch zwischen dem Parlamentarischen Rat und den Sachverständigen der Besatzungsmächte wegen der Gestaltung des Abschnitts „Finanzverwaltung" des Grundgesetzes stattgefunden haben und die dann ihren Niederschlag in den Artikeln 105, 106, 107 und 108 des Grundgesetzes gefunden haben. Ich gebe durchaus zu, daß diese Artikel sowohl in ihrer Fassung — eben als doppeltes Kompromiß — als auch rein juristisch keineswegs ohne jeden Mangel sind. Es ging damals nicht nur um die Steuergesetzgebungshoheit und die Steuerertragshoheit, es ging auch um die Abgrenzung der Verwaltungsautonomie des Bundes auf der einen Seite und der Verwaltungsautonomie der Länder auf der anderen Seite.
Dabei spielten auch politische Erwägungen eine entscheidende Rolle. Ich brauche nur anzudeuten, wie sehr das unzureichende Mittel der Bundesexekutive, das dem Bund den Ländern gegenüber zur Verfügung steht, der Anlaß war, daß man von vornherein zu verhindern' versuchte, daß etwa die Länder auf Mittel oder Steuererträge, die dem Bunde zufließen sollten, die Hand legen konnten. Man hat deshalb versucht, alle Erträge, die unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt waren oder aber dem Bundesfinanzausgleich dienen sollten, einer unmittelbaren Bundesfinanzverwaltung zu unterstellen.
Demgemäß sieht der Artikel 108 des Grundgesetzes vor, daß nicht nur die Zölle und Finanzmonopole, sondern alle der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Verbrauchssteuern, insbesondere aber die Beförderungssteuer und vor allem die Umsatzsteuer durch Bundesfinanzbehörden zu verwalten sind. Ich will auf die Möglichkeit einer Erweiterung dieser Bundesfinanzverwaltung auf einmalige Vermögensabgaben und auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, falls sie vom Bund in Anspruch genommen wird, in diesem Zusammenhang nicht eingehen. Aber ich glaube, daß der Entwurf in der Fassung, wie er heute als Ergebnis der Ausschußberatung vorliegt, dem Artikel 108 des Grundgesetzes nicht in vollem Umfang Rechnung trägt. Ich weiß, daß diese Bedenken nicht nur von meinen Freunden geteilt werden, sondern darüber hinaus auch von Angehörigen anderer Fraktionen, und daß diese Bedenken auch in den Ausschußberatungen von Vertretern des Bundesjustizministeriums vorgebracht worden sind.
Wir sind uns bewußt, daß die Regelung des Grundgesetzes vom Standpunkt des Steuerveranlagungstheoretikers gewisse Schwierigkeiten bietet, wenigstens bei der gegenwärtigen Gestaltung der Steuern und den Veranlagungsgrundsätzen, die seither bei diesen Steuern angewandt worden sind. Wir glauben aber, daß sich doch Wege finden lassen, die dem Grundgesetz Rechnung tragen, jedenfalls weit mehr Rechnung tragen als das seitherige Ergebnis der Ausschußberatungen.
Der § 10 dieses Entwurfs sieht u. a. vor, daß die sogenannten Oberfinanzdirektionen die Umsatzsteuer, die eine für den Bund sehr wesentliche Einnahmequelle darstellt, und die Beförderungssteuer verwalten und daß sie sich dazu der Hilfe der Finanzämter bedienen sollen. Damit versucht man, den Schein dessen, was sein soll, zu wahren. In Wirklichkeit aber tut man das Gegenteil dessen, was durch die Verfassung vorgeschrieben ist; denn niemand wird bestreiten können, daß damit das eigentliche Veranlagungsgeschäft und das Erhebungsgeschäft in den Händen der Finanzämter liegt und daß so praktisch die Landesbehörden die Hand auf den Einnahmen aus diesen beiden Steuern haben. Wir glauben. daß der Antrag des Zentrums Drucksache Nr. 925 Ziffer 4 - ich möchte das schon jetzt erwähnen — immerhin eine gewisse, wenn auch vielleicht noch keine ausreichende Verbesserung bringt.
Wir haben weiterhin Bedenken gegen § 11 Abs. 2 der Ausschußvorlage, der jetzt eine gemeinsame Oberfinanzkasse bei den Oberfinanzdirektionen vorsieht, während die Regierungsvorlage bei dieser Oberfinanzkasse noch zwei besondere Kassenabteilungen vorsah, einmal aus Bundesbeamten bestehend, zum andern aus Angehörigen der Länderverwaltungen bestehend, je nach der Art der Steuern, die sie zu verwalten hatten. Die Bundessteuern sollten durch Bundesbeamte, eine Abteilung aus Bundesbeamten, die den Ländern zufließenden Steuern von einer Abteilung, die aus Landesbeamten besteht, verwaltet werden. Aus diesem Grunde haben wir einen Abänderungsantrag zu dem § 11 gestellt, der insoweit die Regierungsvorlage wiederherstellen soll. Wir werden unsere Stellungnahme zu dem gesamten Gesetz davon abhängig machen, wie sich das Hohe Haus zu dem Abänderungsantrag Drucksache Nr. 925 Ziffer 4 und dem von uns eingereichten Abänderungsantrag zum § 11 stellen wird.
Mit Rücksicht darauf aber, daß nun auch die CDU einen weiteren Abänderungsantrag zu dem § 7 gestellt hat, der nach unserer Auffassung auch von wesentlicher Bedeutung ist und nochmals eine eingehendere Prüfung verlangt, sind wir der Ansicht, daß es zweckmäßig ist, um so mehr, als heute keine Abstimmungen stattfinden, die Vorlage nochmals dem zuständigen Ausschuß, zugleich aber auch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Ich stelle hiermit diesen Antrag.