Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn hier über den Brotpreis debattiert wird, der in Deutschland ab 1. Juli üblich sein soll, so ist es notwendig, einmal auf etwas hinzuweisen, was für gewisse Leute nicht gerade sehr bequem ist, die sich erlaubt haben, den Antrag einzubringen, um die Regierung zu zwingen, es bei dem jetzigen Brotpreis verbleiben zu lassen. Wie sehen denn die Dinge da aus? Meine Herren von der radikalen Linken, ja, ich weiß,
das ist sehr peinlich und unangenehm, wenn gefragt wird, wie die Dinge da aussehen, wo Ihre politischen Freunde das Zepter in der Hand haben. Fragen Sie doch einmal dort drüben, was diesen Bevölkerungsschichten überhaupt zur Verfügung steht.
Wer da drüben satt werden will, ist gezwungen, in den sogenannten HO-Läden zuzukaufen.
Es hat einen Menschen gegeben, der hat diese HO-Läden als Hunger-Organisations-Läden bezeichnet, und das mit gewissem Recht.
Sie wollen heute durch Ihren Antrag die Regierung zwingen, es nach dem 1. Juli bei den bisherigen Brotpreisen zu belassen. Ich denke hier an die Debatte, die vor einigen Tagen geführt wurde und in der gerade von Ihnen im Hinblick auf diejenigen Kreise, die an dem Preis des Grundprodukts interessiert sind, nämlich im Hinblick auf die deutsche bäuerliche Bevölkerung, gesagt wurde, daß Sie alles tun würden, um die Landwirtschaft produktionskräftig zu erhalten. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist wirklich angebracht, einmal darauf hinzuweisen, daß das Grundprodukt des Brotes, nämlich das Brotgetreide, in Deutschland seit dem Jahre 1913 eine Preissteigerung von sage und schreibe nur 25 bis 30 % durchgemacht hat. Ist Ihnen klar, daß es wohl keinen Berufsstand — sei es der der Handwerker, der Industriellen oder aber auch der Lohnarbeiter — in Deutschland gibt, der um einen Lohn oder um eine Gewinnchance arbeitet, die bloß um 30 % erhöht sind? Das hat man bisher dem deutschen Landvolk allein zugemutet.
Wir möchten bei dieser Gelegenheit eindeutig erklären: wir müssen Wert darauf legen, daß das deutsche Landvolk nun endlich auch den Lohn erhält, den es braucht. Praktisch sind ja die Agrarpreise der Ausdruck der Löhne; denn kapitalistischen Großgrundbesitz haben wir ja im Westen kaum. Was ist denn der Brotpreis? Er ist der Ausdruck des Lohnes bäuerlicher Bevölkerungsschichten für ihre Handarbeit. Und was ist der Bauer? Er ist praktisch ein Handarbeiter, meine Herren, der sich lediglich noch im Besitze der Produktionsmittel befindet. Wenn man schon von sozialen Belangen sprechen will, dann soll man diese handarbeitenden Schichten nach demselben Grad messen, mit dem man die übrigen Handarbeitskräfte zu messen beliebt. Deshalb sollten wir uns darüber klar sein: wenn das deutsche Landvolk produktionskräftig bleiben soll, muß man ihm als Lohn seiner Arbeit die Preise bewilligen, deren es bedarf.
Ich möchte aber auch daran erinnern, daß das deutsche Volk in seiner Gesamtheit im Hinblick auf den Ablauf der Marshallplanhilfe im Jahre 1952 ein unbedingtes Interesse an einer solchen Regelung hat, damit nicht wieder jene Zustände einreißen, die wir gottlob als vergangen bezeichnen können, Zustände, in denen man um einen Laib Brot Eisenbahnfahrten unternahm. Ich glaube, das sagen zu müssen im Hinblick auf das. was war und, meine Damen und Herren, was kommen kann, wenn wir es verabsäumen, der Landwirtschaft die Produktionskraft zu sichern, deren sie bedarf, um ein Höchstmaß agrarischer Produkte dem Boden entreißen zu können. In
diesem Sinne bitte ich Sie, sich zu überlegen, ob es nicht richtig ist, heute schon darauf aufmerksam zu machen, daß es den Bauern in Zukunft unmöglich ist, Brotgetreide für Preise zu erzeugen, wie man sie heute zahlt. Das hat mit amerikanischen Getreidemagnaten gar nichts zu tun. Glauben Sie, Herr Kollege von der KPD: diese Leute werden ihr Getreide nicht einen Cent billiger an Deutschland oder an Europa abgeben, als sie es für richtig halten. Und wenn Sie sagten, daß im Osten wahrscheinlich mehr Getreide zur Verfügung stände, als wir ahnten, dann verstehe ich allerdings nicht, warum dieser Osten seinen Satelliten — dazu gehört ja auch ihre sogenannte Demokratische Republik — nicht soviel an Getreide zur Verfügung stellt, daß man die Lebenslage unserer deutschen Menschen jenseits des Eisernen Vorhangs auch bessern könnte. Ich glaube, statt hier mit Agitationsanträgen zu kommen, wäre es besser für Sie, auf Ihre Freunde einzuwirken, daß die deutschen Menschen dort drüben langsam und sicher wieder ein besseres Dasein fristen können. Aber daran haben Sie ja gar kein Interesse. Das, glaube ich, sollte man hier mit aller Deutlichkeit feststellen.
Wir sind jedenfalls nicht bereit, die deutschen Bauern heute schon durch Getreidepreise binden zu lassen, die die Existenz dieser Bauern gefährden. Wir sind im Gegenteil unter allen Umständen bereit — das sage ich Ihnen ganz unverblümt —, dafür zu sorgen und ihnen mitzuhelfen - ich glaube aber auch, das ist der Wunsch der Bundesregierung —, den Ärmsten der Armen einen Brotpreis zu garantieren, etwa durch Beihilfen, allerdings anderer Art, als die heutigen genereller Natur, damit sie an Brot satt werden.
Diese Versicherung glaube ich hier im Namen meiner politischen Freunde abgeben zu sollen. Wir sind aber nicht bereit, in Zukunft einen Getreidepreis zu akzeptieren. der das deutsche Landvolk nicht in die Lage versetzt, seiner hohen Aufgabe gerecht zu werden, aus dem deutschen Boden herauszuholen, was herauszuholen ist. Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie dringend bitten, hier keine voreiligen Beschlüsse zu fassen, sondern — und da schließe ich mich dem Antrag der Frau Kollegin Strobel an — diesen Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Ich glaube, daß dort wohl der notwendige Sachverstand vorhanden ist und daß die notwendige Zeit genommen werden muß, um weitestgehend auch den landwirtschaftlichen Erzeugerkreisen gerecht zu werden. Wir wissen, daß wir damit im besten Sinne des Wortes eine Politik treiben, die sich zum Wohle des gesamten deutschen Volkes auswirken wird.