Meine Herren und Damen! Der kommunistische Antrag geht, wenn ich richtig unterrichtet bin, auf eine Pressekonferenz zurück, in der der Herr Bundesernährungsminister am 29. März 1950 erklärt hat, daß sich nach dem 1. Juli dieses Jahres Brotpreiserhöhungen nicht vermeiden lassen werden. Wir bedauern außerordentlich, daß die Erklärungen des Bundesernährungsministeriums in dieser Frage sich seit dieser Zeit dauernd widersprochen haben und daß die heute vom Herrn Bundesernährungsminister abgegebene Erklärung nun auch keine Klarheit bringt. Es wäre vielleicht richtiger gewesen, wenn man unserer Anfrage im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, welche Absichten die Regierung in der Brotpreisfrage denn eigentlich wirklich habe, nachgekommen wäre und dort die Angelegenheit diskutiert hätte. Wir sind deswegen gezwungen, heute hier zu dieser Frage Stellung zu nehmen, weil man nicht rechtzeitig genug zum Ausdruck bringen kann, daß eine eventuelle Brotpreiserhöhung unter allen Umständen verhindert werden muß.
Meine Herren und Damen! Brot ist neben der Kartoffel — das hat der Herr Bundesernährungsminister vorige Woche bei der Landwirtschaftsdebatte selbst ausgesprochen — das Grundnahrungsmittel, auf das auch der sozial Schwächste keinesfalls verzichten kann. Allein schon daraus ergibt sich doch für die Regierung und für uns als Parlament die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß jedem Staatsbürger dieses Grundnahrungsmittel in der Menge zugeführt wird, in der er es unbedingt braucht. Das Angebot auf dem Weltmarkt und auch die deutsche Erzeugung haben uns gestattet, die Rationierung für Brot durch Marken aufzuheben. Nun kann aber nicht übersehen werden, daß der neue Bezugsschein „Geld" so ungerecht verteilt ist, daß der Anteil des einzelnen am Brotkonsum keinesfalls diesem Regulativ überlassen werden darf. Wir müssen alle Bürger in den Stand setzen, die nötige Menge Grundnahrungsmittel auch zu bezahlen, entweder zu Preisen, die für die breiten Volksschichten tragbar sind, oder durch Sicherung des entsprechenden Einkommens, und zwar für jedermann. Letzteres aber, meine Herren und Damen -- das werden Sie zugeben müssen —, ist bei dem gegenwärtigen Mißverhältnis der Renten, der Fürsorgeunterstützungen, auch der Löhne und Gehälter vieler zu den Lebenshaltungskosten keineswegs der Fall. Oder glauben Sie etwa, Herr Minister, daß die vielen Millionen, die bei uns heute von unzureichenden Unterstützungen leben müssen, eine Brotpreiserhöhung ertragen könnten, ohne daß der Staat auf der anderen Seite eben die Leistungen für sie erhöhen müßte? Solange ich zurückdenken kann, ist — ich möchte sagen, mit Ausnahme der Inflation — der Brotpreis niemals so hoch wie zur jetzigen Zeit gewesen.
Ist es nicht schlimm genug, daß wir im Parlament und im Ausschuß immer wieder feststellen müssen, daß der Konsum an Fleisch, an Milch, an Butter, an Käse infolge der geringen Kaufkraft der Bevölkerung noch weit hinter dem Konsum pro Kopf in der Vorkriegszeit zurückbleibt? Soll nun durch eine eventuelle Brotpreiserhöhung der Korb mit dem trockenen Brot für weite Bevölkerungskreise noch höher gehängt werden? Ich glaube, das kann in diesem Hause niemand ernstlich wollen, das darf auch nicht heraufbeschworen werden. In der Zeit der Nahrungsmittelknappheit hat auch ein Teil der Menschen, die heute über volle Geldbeutel und damit auch über volle Speisekammern verfügen, empfunden, wie weh Hunger tut. Heute kann sich ein verhältnismäßig kleiner Prozentsatz unseres Volkes alles leisten, während für Millionen Kinder die schönen und guten Dinge nach wie vor nur in den Schaufenstern existieren. Wenn diese Kinder nun auch noch auf das Stück Brot, das ihnen den Hunger stillt, verzichten müßten, dann, meine Damen und Herren, machen sich alle daran schuldig, die eine Brotpreiserhöhung nicht beizeiten mit allen Mitteln verhindern halfen.
Glauben Sie bitte nicht, daß es zu schwarz gemalt wäre, wenn wir heute von diesen Dingen sprechen. Wir dürfen uns. wenn wir an den Brotpreis denken, keinesfalls an den finanziell Leistungsfähigen orientieren, sondern wir müssen das an dem Zahlungsvermögen der sozial Schwächsten tun. Jahrelang lag es nicht in unserem Vermögen, den Kindern unseres Volkes das nötige Stück Brot zu geben, und ich kann Ihnen versichern, wir Mütter denken noch heute mit Grauen an die Zeit zurück, in der wir den Brotkasten absperren mußten. Heute hängt es von der Brotpreisgestaltung ab, auf die der Bundestag maßgebenden Einfluß nehmen muß, ob die Mütter den hungernden Kindern das Brot wieder verweigern müssen. Wäre es nicht. meine Kollegen und Kolleginnen, eine entsetzliche Schande für uns alle, wenn wir nicht gemeinsam einen Wec finden würden, um das zu verhindern? Mit der Deklarierung der menschlichen Güte und Barmherzigkeit, wie wir sie hier schon so oft erlebt haben, mit schönen Worten allein ist es nicht getan. Man muß bereit sein, konsequent den Weg zu gehen, die Not zu verhindern und zu beseitigen. Hier haben Sie alle zusammen Gelegenheit, zu beweisen, daß es Ihnen ernst damit ist. den Anspruch auf das tägliche Brot einem jeden Menschenkinde bei uns zu sichern.
Nun möchte ich aber doch noch die Frage an den Herrn Bundesernährungsminister stellen: Wer soll denn eigentlich von der Brotpreiserhöhung profitieren? Der Herr Finanzminister sieht sich — das entnehme ich einer Erklärung, die ein Referent des Ministeriums im Verbraucherausschuß abgegeben hat — gezwungen. zu erklären. daß die Subventionen für Getreide in der derzeitigen Höhe nicht weiter gezahlt werden können. Mir ist nichts bekannt, daß eine Anordnung der Hohen Kommissare bereits besteht, daß diese Subventionen unter allen Umständen fallen müssen. Im Gegenteil. Der gleiche Referent hat erklärt, daß diese damals bei der DM-Umstellung abgegebene Erklärung bezüglich der Diskriminierung von den Hohen Kommissaren zurückgenommen worden sei. Inzwischen haben wir vom Bundesernährungsministerium eine Aufstellung
bekommen — und zwar ist sie vom 2. 2. 1950 —, wonach wir zur Zeit Weißbrot mit 22 Pfennig das Kilo subventionieren, Weizenmischbrot mil 18 Pfennig, Roggenbrot mit 12 Pfennig und Teigwaren und Grieß mit 30 Pfennig. Bei einem völligen Wegfall der Subventionen müßten die Preissteigerungen ein Vielfaches dessen betragen, was am 29. März vom Ernährungsministerium behauptet worden ist, nämlich 2,50 bis 3 DM im Monat. Bleibt es aber bei den von Herrn Minister Niklas auch gestern wieder genannten Preisen von 320 DM für Weizen und 270 DM für Roggen, dann sind — alle Vorteile, die das Weltweizenabkommen und die sinkenden Weltmarktpreise geben, eingerechnet — immer noch 200 Millionen DM Subventionen notwendig. Daraus müßte man doch entnehmen, daß zwischen dem Finanzministerium und dem Ernährungsministerium bereits ein Übereinkommen getroffen ist, wonach diese Subventionen weiter bestehen bleiben.
Dazu kommen dann aber doch die keinesfalls zu umgehenden Verbilligungsaktionen für die kleinen Einkommensträger, die der Herr Minister meines Erachtens eben bereits damit angedeutet hat, daß er davon sprach, die wohlhabenden Kreise sollten nicht mehr in den Genuß subventionierter Brotpreise kommen. Wenn man das nur überschlägt, sind dafür 100 Millionen absolut nicht zuwenig gerechnet. Nach meiner Rechnung bedeutet das Staatsausgaben in Höhe von annähernd 300 Millionen für diesen Zweck. Wir zahlten, wenn ich nicht irre, für diesen Zweck im vergangenen Wirtschaftsjahr 470 Millionen. 150 bis 170 Millionen können durch die Vorteile des Weltweizenabkommens und der sinkenden Preise eingespart werden.
Nun möchte ich gern wissen, ob es angesichts dieser Sachlage überhaupt zu verantworten ist, daß das Ernährungsministerium durch die damalige Pressekonferenz eine derartige Beunruhigung in die Verbraucherkreise hineingetragen hat. Es bleibt noch die Möglichkeit übrig, der deutschen Landwirtschaft einen angemessenen Getreidepreis zu sichern. Die Herren im Ausschuß wissen, daß wir Sozialdemokraten in dieser Beziehung absolut nicht kurzsichtig sind. Aber auch hier liegt ein Trugschluß vor. Meine Herren und Damen! Was die Landwirtschaft vielleicht auf dem Getreidesektor gewinnen könnte, das würde sie ja bei den Veredelungsprodukten wieder verlieren. Ich sage „vielleicht" deswegen, weil mit der Beseitigung der Subventionen für Getreide ja auch die Futtermittelpreise steigen müßten und weil es doch nachzuweisen wäre, daß eine Familie, die im Monat, wenn wir allein nach der Rechnung des Ernährungsministeriums gehen würden, 2,50 Mark bis 3 Mark mehr für Brot ausgeben muß, diese unbedingt bei irgendwelchen anderen Nahrungsmitteln einsparen müßte. Wir könnten dann alle Hoffnungen auf Steigerung des Milch-, Käse- und Fleischkonsums begraben; und wenn ich nicht sehr irre, dann gehen ja auch die Hoffnungen des Ernährungsministeriums und der Herren Landwirtschaftsvertreter im Ausschuß dahin, daß dieser Konsum gesteigert wird.
Nun liest der Parlamentarier neuerdings in der Zeitung — es scheint bei uns Brauch zu werden, daß wir uns durch die Zeitungen unterrichten
müssen —,
daß man sich im Bundesernährungsministerium von der Freigabe des Brotpreises und der Beimischung von Trockenmagermilch sogar eine Brotpreissenkung verspricht. Es ist noch nicht lange her, daß die gleichen Stellen einschließlich des Herrn Ministers empfohlen haben, die Backlohnspanne für Roggenbrot zu erhöhen. Für mich würde das bedeuten, daß dadurch der Roggenbrotpreis nicht gesenkt, sondern erhöht werden müßte. Mir ist es beim besten Willen nicht gelungen, herauszufinden, was das Bundesernährungsministerium nun eigentlich beabsichtigt bzw. was das klare Ziel dieser ständigen Pressemitteilungen ist. Wir haben gehofft, daß wir heute erfahren, was die Regierung in dieser Beziehung wirklich will. Aus der Erklärung des Herrn Ministers geht hervor, daß darüber roch keine Klarheit besteht. Wenn das Ministerium es aber doch an der Zeit findet, mit seinen Absichten an die Öffentlichkeit zu treten — nun einmal davon abgesehen, daß es im Zeitraum von vier Wochen einander völlig widersprechende Mitteilungen gewesen sind —, dann wäre es wohl in erster Linie notwendig gewesen, das Parlament, mindestens aber den zuständigen Ausschuß zu informieren. Sagen Sie, meine Herren und Damen: sind denn die ernsten Sorgen, die sich Millionen Hausfrauen und Verbraucher seit der Ankündigung der Brotpreiserhöhung gemacht haben — und ich möchte doch glauben, daß auch dem Herrn Minister die vielen Resolutionen bekanntgeworden sind, die in allen möglichen Verbraucherversammlungen über alle Parteien hinweg von den Frauen gefaßt wurden —, so belanglos, daß sich die Stellungnahme des Ministeriums dauernd in Eventualitäten erschöpft?