Rede von
Dr.
Wilhelm
Niklas
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage, über die künftige Gestaltung der Getreide- und damit der Brotpreise eine verbindliche Erklärung abzugeben. Das neue Gesetz über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln ist vom Kabinett dem Bundesrat vorgelegt und dort zur Zeit Gegenstand der Verhandlung. Der Bundestag wird also Gelegenheit haben, sich mit diesem Gesetz nach Verabschiedung durch den Bundesrat eingehend zu befassen. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß dieses genannte Gesetz lediglich die Art der Organisation, der Erfassung und der Bewirtschaftung des Getreides im kommenden Wirtschaftsjahr regelt.
Hinsichtlich der Getreidepreise enthält es im § 9 nur die Ermächtigung für die Bundesregierung, Erzeugerpreise, Übernahme- und Abgabepreise für das von der Einfuhr- und Vorratsstelle zu übernehmende Brotgetreide sowie Preise und Preisspannen für den Weiterverkauf festzusetzen und außerdem Preise für inländisches Getreide, Mahlerzeugnisse aus Getreide und für Brot und Kleingebäck festzulegen. Die tatsächliche Festsetzung der Getreidepreise wird erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Sie kann zur Zeit aus nachstehenden Gründen noch nicht vorgenommen werden. Erstens läßt sich im Augenblick der Ausfall der inländischen Ernte noch nicht übersehen. Zweitens kann gegenwärtig noch nicht die Preisbildung auf dem freien Weltmarkt, wie sie zu Beginn des kommenden Wirtschaftsjahres sein wird, überblickt werden. Drittens wissen wir noch nicht, zu welchen tatsächlichen Preisen wir im Rahmen des Weltweizenabkommens Weizen hereinbekommen, da bekanntlich der Höchstpreis bei 180 Dollarcents je Bushel und in diesem Jahr der niedrigste Preis bei 150 Dollarcents je Bushel liegen. Die deutschen inländischen Getreidepreise bewegen sich zur Zeit bei Brotgetreide auf einem Index von 125 bis 127, bei Futtergetreide von 112 bis 114, während der Gesamtindex der ländlichen Preise etwa bei 164 liegt.
Es ist schon seit langem die Überzeugung der deutschen agrarpolitischen Sachverständigen, daß dieser verhältnismäßig niedrige Stand der Getreidepreise produktionswirtschaftlich nachteilig ist und daß eine stärkere Angleichung der Getreidepreise an das übrige agrarische Preisniveau geboten erscheint. Mit dieser Ansicht befinden sich die deutschen Sachverständigen durchaus in Übereinstimmung mit maßgeblichen Kreisen der ECA-Mission über eine notwendige Änderung
der deutschen Getreidepreispolitik. Es ist bekannt, daß namentlich amerikanischerseits die deutsche Getreidepreispolitik schon seit langem Kritik in dem Sinne erfahren hat, daß eine Erhöhung der Getreidepreise absolut erforderlich ist. Vor allem ist dies in dem Memorandum zur Kritik des deutschen Wirtschaftsprogramms im Dezember 1949 und zuletzt im Februar 1950 ausgesprochen worden, als der Leiter der ECA-Mission, Mr. Haynes, sich folgendermaßen äußerte: „Der Erzeugerpreis für Brotgetreide sollte unverzüglich erhöht werden." In den Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren hat die Bundesregierung die Auffassung vertreten und konnte sich dabei auf Verhandlungen mit den beteiligten deutschen Kreisen stützen, daß während des laufenden Wirtschaftsjahres eine Änderung der Getreidepreise untunlich ist. Jedoch dürfte sich eine angemessene Erhöhung der Getreidepreise für das kommende Wirtschaftsjahr nicht umgehen lassen. 'Die Regierung wird aber bemüht sein, die Brotpreise in einem tragbaren Rahmen zu halten und ist der Überzeugung, daß eine angemessene Beschränkung aller Zwischenspannen zur Erreichung dieses Zieles wesentlich beitragen wird.
Tatsächlich hat sich bereits in der letzten Zeit, obwohl gegenwärtig noch Höchstpreise für Brot bestehen, ein Sinken der Brotpreise an vielen Orten bemerkbar gemacht. Das dürfte dadurch zu erklären sein, daß der unzweifelhafte Rückgang des Brotkonsums infolge reichlicherer Versorung mit anderen Nahrungsmitteln das Bäckergewerbe wieder zu einer Werbung um die Kunden zwingt. Außerdem darf man nicht übersehen, daß die Lebenshaltungskosten im ganzen seit etwa einem Jahr nicht unerheblich gesunken sind. Der Gesamternährungsindex stand im März 1949 bei 174 und liegt heute bei 159, was einem Rückgang um 8,7% entspricht. Bemerkenswerterweise sind die Ernährungskosten seit einem Jahre stärker als die gesamten Lebenshaltungskosten gesunken.
Wenn der Antrag des Herrn Abgeordneten Niebergall, den bisherigen Brotpreis völlig unverändert zu belassen, so zu verstehen ist, daß die bisher gezahlten Subventionen unter allen Um-
ständen aufrechterhalten werden sollten, so darf ich ihm entgegenhalten, daß er damit die Forderung vertritt, auch den bisherigen Mißstand beizubehalten, daß wohlhabende Kreise ebenfalls verbilligtes Brot auf Kosten der Steuerzahler bekommen.