Rede von
Alfred
Loritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(WAV)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen liegt der Antrag der Fraktion der WAV vor, eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuer um 50 % raschestens durchzuführen. Wir haben diesen Antrag gestellt, weil die Verhältnisse im Kraftverkehrsgewerbe geradezu katastrophal geworden sind,
und zwar aus einer ganzen Reihe von Umständen. Erstens einmal deswegen, weil am 1. Januar 1950, wie Ihnen wohl bekannt sein wird, eine außerordentlich tief einschneidende Absenkung des Reichskraftwagentarifs erfolgt ist, und zwar im Querschnitt eine Absenkung um 15 %, bei Klasse A um 19,6 %, bei Klasse B um 15 % und bei Klasse C um 12 %. Sie können sich leicht ausrechnen, daß dieser Querschnitt von 15 %, den ich Ihnen soeben vorgetragen habe, stimmt. Die geringfügige Erhöhung der niedersten Klassen im Durchschnitt um 6 %, die gleichzeitig vorgenommen wurde, hat diese massive Senkung um 15 % der ersten drei Klassen so gut wie überhaupt nicht zu korrigieren vermocht. So ist durch diese Senkung der Sätze des RKT, des Reichskraftwagentarifs, bereits eine außerordentliche Minderung des Verdiensterlöses für das gesamte Kraftfahrgewerbe eingetreten. Diese Verminderung hat sich noch weiter dadurch verschärft, daß bisher das große Bauprogramm und das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung so gut wie überhaupt noch nicht ins Rollen gekommen sind, daß die umfangreichen Transporte von Baumaterial, die dieses Beschaffungsprogramm hätte bringen können und bringen müssen, so gut wie überhaupt noch nicht angelaufen sind; und vieles andere dazu.
So hat sich diese Absenkung des Reichskraftwagentarifs in der unheilvollsten Art und Weise
ausgewirkt. Diese Stagnation des Bauprogramms führte zu einer Stagnation der Transporte, die in manchen Bezirken Deutschlands rund 80 % gegenüber der Ziffer des Sommers des vorigen Jahres beträgt. Rechnen Sie sich bitte aus, welche Verlustziffern hier für das gesamte Kraftfahrgewerbe entstanden sind.
Diese Schädigung des Kraftfahrgewerbes durch die Senkung des RKT ist noch lange nicht alles. Wir haben die Erhöhung des Benzin- und Dieselölpreises vom 1. Januar 1950 an bis zum 30. März 1950 in vollem Umfange mit einer enormen Schädigung des Gewerbes erlebt: 40 auf 60 Pfennig beim Benzinpreis und bekanntlich auf 45 Pfennig beim Dieselölpreis. Diese enorme Erhöhung des Betriebsstoffpreises für das Gewerbe hat sich weiterhin außerordentlich schädlich ausgewirkt. Die ganz knappe Senkung um 5 Pfennig beim Benzinpreis und entsprechend beim Dieselölpreis hat an den riesigen Ausfallsummen, die dem Kraftfahrgewerbe damit entstanden sind, nichts mehr oder fast nichts mehr zu reduzieren vermocht.
Das ist immer noch nicht alles. Die Haftpflicht- und Kasko-Versicherung ist seit dem 1. April 1949 bekanntlich auf Antrag der Versicherungsgesellschaften durch Gesetz um 30 % erhöht worden. Das hat sich ebenfalls außerordentlich verkehrsschädigend ausgewirkt, und vieles, vieles andere noch mehr.
Durch all diese Maßnahmen ist es heute gekommen, daß ein ganz großer Teil des Verkehrsgewerbes — ich rechne ganz gering —, 80 % des Verkehrsgewerbes heute notleidend geworden sind und überhaupt nicht mehr wissen, wie sie ihre Steuern bezahlen sollen. Fragen Sie herum bei den Finanzämtern. Die verzweifelten Stundungsgesuche, die überall bei den Finanzämtern vorliegen, müßten doch den Finanzämtern und auch dem Herrn Finanzminister klar beweisen, daß die Leute tatsächlich ihre Kraftfahrzeugsteuer einfach nicht mehr bezahlen können. Angesichts dieser Situation gibt es nur einen Ausweg, nämlich die Kraftfahrzeugsteuer um mindestens 50 % herabzusetzen. Sonst werden die Verwaltungsunkosten ins Ungemessene wachsen, die allein dadurch entstehen, daß über all diesen sehr wohl begründeten Stundungsanträgen in bezug auf die Kraftfahrzeugsteuer Hunderte und aber Hunderte von Beamten sitzen müssen, wenn sie überhaupt bearbeitet werden sollen. Und darauf hat der Staatsbürger doch wohl ein Recht.
In großen Teilen Deutschlands sind die Finanzämter bereits dazu übergegangen oder gehen dazu über, den Transportunternehmern die Nummernschilder von den Lastwagen herunterreißen zu lassen und sie dadurch brotlos zu machen.
— Jawohl, wir haben solche Beispiele. Ich habe
sie bereits an eine Reihe von Landesfinanzministern gemeldet. Ich kann Ihnen ohne weiteres
solche Beispiele zur Verfügung stellen, Herr Abgeordneter! Auf diese Weise sind die betreffenden Unternehmer über Nacht brotlos gemacht
worden. So ist heute die Lage im Kraftfahrgewerbe, und zwar für den Fernverkehr genau
so wie für den Güternahverkehr. Ja, für den
Güternahverkehr bis zu 50 km ist es vielleicht
noch schlimmer. Und für die Omnibus-Unternehmer ist es genau so wie für andere Gruppen
des Kraftfahrgewerbes. Es gibt hier nur eine einzige Möglichkeit: Senken Sie bitte die Kraftfahrzeugsteuer um 50 %, bevor das ganze Gewerbe ruiniert wird.
— Herr Zwischenrufer, wenn das Kraftfahrgewerbe kaputt ist, so wird das die ganze Allgemeinheit und Sie mit schädigen; Sie vielleicht nicht, weil Sie ein Privatauto haben und nicht auf die Dienste des Kraftfahrgewerbes angewiesen sind. Vielleicht aber doch auch. Denn die Lebensmittel und die Waren aller Art, die Sie kaufen, werden drei- oder viermal oder noch öfter durch den Lastwagen transportiert, bevor sie vom Erzeuger zum Verbraucher gelangt sind. Denken Sie also bitte daran, daß die ganze Volkswirtschaft, daß jeder von uns das allergrößte Interesse daran hat, daß das Verkehrsgewerbe nicht erliegt. Das hat man schon im Mittelalter gewußt, daß das Transportgewerbe, damals noch per Pferd, eine Schlüsselstellung für das ganze Wirtschaftsleben hat. Schade, daß es heute anscheinend Abgeordnete im Bundestag gibt, die nicht begriffen haben, welche enorme Bedeutung ein gesundes Kraftfahrgewerbe für die ganze Volkswirtschaft, für jeden einzelnen von uns und für eine wahre Verbilligung der ganzen Güter- und Lebensmittelversorgung hat.
Die Abmeldungen heute bei den Finanzämtern sprechen eine beredte Sprache.
Die Entlassungen von Arbeitern und Angestellten müßten Ihnen allen zu denken geben, wo Sie doch immer und immer wieder fordern, daß die Arbeitslosigkeit bekämpft wird.
Sie müssen unter allen Umständen das Gewerbe dadurch vor dem Ruin bewahren, daß Sie die Steuer herabsetzen. Denn die Einnahmen aus der Steuer sind bereits so heruntergegangen, daß bei den Finanzämtern nichts anderes als eine ungeheuerliche Mehrarbeit entsteht. Oder wollen Sie überhaupt die Stundungsgesuche nicht prüfen? Das ist vielleicht das, was bei einer großen Anzahl von Finanzämtern heute tatsächlich schon geschieht. Da sind wir aber schärfstens dagegen! Das kann ich Ihnen gleich sagen.