Rede von
Heinrich
Eckstein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Drucksache Nr. 762 liegt Ihnen ein Antrag vor, wonach die Bundesregierung ersucht wird, Maßnahmen zur Erschließung und Nutzbarmachung der Ödländereien des Emslandes zu ergreifen. Die für die Durchführung erforderlichen Mittel sind aus ERP-Mitteln zu entnehmen; vorsorglich sind diese Mittel in den Haushaltsplan 1950/51 einzusetzen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen diesen Antrag ganz kurz begründe. Folgen Sie mir bitte in Gedanken einen Augenblick an die Nordwestgrenze unseres deutschen Vaterlandes, etwa in der Linie Papenburg-Bentheim. Folgen Sie mir dann nach Westen in Richtung Holland, so sehen Sie dort blühende Dörfer, blühende Ortschaften und blühende Siedlungen. Blicken Sie dagegen nach Osten in der Richtung unseres deutschen Vaterlandes, so sehen Sie eine graue Ode, eine Wüste. Man möchte fast meinen, daß dort das Bibelwort wahr wird: „Die Erde war wüst und leer." Über 100 000 Hektar kulturfähiges Ödland liegen allein in diesem Raum. Die Bevölkerungsdichte in diesem Raum beträgt 59 Personen pro Quadratkilometer, während der Bundesdurchschnitt etwa 235 bis 240 Menschen pro qkm ist. Tausende von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen wohnen in diesem Raum; Tausende von Flüchtlingen und Bauern sehnen sich nach Boden und sehnen sich nach Land. Und dort liegt dieses Land greifbar; nur die nötigen Kulturarbeiten und die nötigen Meliorationen müßten durchgeführt werden.
War das immer so in diesem Raum? Nein! Auch Holland hatte damals in diesem Raum eine Wüste und eine Ode; aber holländischer Fleiß und holländischer Pioniergeist griffen dieses Problem damals herzhaft an und schufen dieses blühende Kulturland, wie wir es heute sehen. Und was tat Deutschland? In der monarchistischen Zeit wurden gewiß einige Maßnahmen ergriffen. Es wurden Kanäle angelegt, es wurden Straßen gebaut; aber weiter kam man nicht. Auch in der Weimarer Republik wurden Ansatzpunkte
geschaffen. Damals, zur Zeit des Regierungspräsidenten Dr. Sonnenschein in Osnabrück, wurde die Grundlage zur Kultivierung dieses Ödlandes gelegt. Es wurden neue Dörfer errichtet, neue Straßen und neue Bahnen gebaut. Aber auch damit kam der zweite Ansatzpunkt zum Erliegen. Denn es kam das Dritte Reich, und was tat das Dritte Reich in diesem Raum? Es baute Schießplätze und es baute
Konzentrationslager. Ich brauche nur einen Namen zu erwähnen, den Namen Börgermoor. Es mögen manche vielleicht noch eine dunkle und vielleicht eine traurige Erinnerung an diesen Raum haben. Mancher Häftling schaufelte sich dort sein einsames und stilles Grab, das heute vergessen und verweht ist. In diesem Raum entstand auch das Lied der Moorsoldaten, das heute leider auch wieder in der Vergessenheit versunken ist.
Ich sagte schon: in diesem Raum warten Tausende von Flüchtlingen, Bauernsöhnen und nachgeborenen Heuerleuten auf Land. Die Regierung von Niedersachsen ist allein nicht in der Lage dieses Programm durchzuführen. Sie hat bereits erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt; aber für diesen Zweck und für diese Kultivierungsarbeiten sind Millionen und -zig Millionen erforderlich, und deswegen muß hier der Bund eingreifen. Ich bin der Meinung, daß durch eine große Gemeinschaftsarbeit von Bund, Land und Kreisen, durch Bildung eines entsprechenden Verbandes — nennen wir es Zweckverband oder nennen wir es, wie wir wollen —, dort ein Werk geschaffen werden kann, das unseren landhungrigen Menschen, unseren Flüchtlingen und unseren Bauern Tausende, wenn auch bescheidene Existenzmöglichkeiten bietet.
Meine Damen und Herren! Die nachfolgenden Redner. die auch aus diesem Raum kommen, werden wahrscheinlich zu den technischen Problemen dieses Planes Stellung nehmen. Ich wollte Ihnen nur ganz kurz und in großen Zügen aufzeigen, wie die Dinge dort liegen und was geschaffen werden kann. Helfen Sie durch Ihre Zustimmung mit, diesen Plan zu verwirklichen! Helfen Sie mit, die Mittel bereitzustellen, damit aus diesem Ödland einst wieder eine blühende Stätte werden kann! Helfen Sie mit, daß aus dem Lied der Moorsoldaten wieder das Lied der deutschen Arbeit klingt!