Rede von
Dr.
Richard
Hammer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Es ist Ihnen bekannt, daß wir glauben, die Konstruktion einer krisenfreien Wirtschaft sei unmöglich. Es wird Ihnen auch bekannt sein, daß wir aus diesen Erkenntnissen zu der Überlegung gekommen sind, daß die große Aufgabe in etwas anderem besteht, nämlich darin, den deutschen Arbeitnehmer krisenfest zu machen. Aus dieser Überlegung heraus sind wir die unbedingten Anhänger des Versicherungsprinzips, die Anhänger einer Lehre, nach der der Staat Hilfsstellung zu gewähren und die Organisationsformen aufzustellen habe, die einen genossenschaftlichen Zusammenschluß zur Lastenverteilung sicherstellen. Nur da, wo Reallöhne und Einkommen so niedrig sind, daß sie den Mitbürger nicht versicherungsfähig machen, sind wir der Ansicht, daß eine Subvention des Staates ergänzend dazukommen müsse. Sozialversicherungsanstalten brauchen Beiträge, die sogenannten Sozialaufwendungen, und diese Beiträge sind Bestandteile des Reallohnes.
Es ist doch, um vor Illusionen zu warnen, wohl angezeigt, über die Problematik des Lohnes überhaupt zwei Sätze zu sagen. Selbstverständlich gibt es die Betrachtung des Lohnes als gerechten Lohn. Es gibt die Betrachtung des Preises unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit, eine uralte Idee, und ich würde es bedauern, wenn die Menschheit von der Verfolgung dieser Idee abkommen würde. Sie können aber auch oder Sie müssen sogar den Lohn unter einem anderen Gesichtspunkt betrachten. Der Lohn ist auch Unkostenfaktor, d. h. er ist ein Bestandteil des Preises, und er muß von dem gewährt werden, der diesen Preis bezahlt.
Meine Damen und Herren, wir könnten bei einer
Verkennung dieser Angelegenheit hier Konstruk-
tionen schaffen, bei denen die Frau des Arbeitnehmers am Freitagabend diese Beiträge in die Ladenkasse wieder einzahlen müßte, die .sie drei Tage vorher aus einer Sozialversicherungseinrichtung erhalten hätte.
Ich weise noch auf etwas anderes hin: Wenn der Lohn eng mit Preis und Produktion verknüpft ist, dann sollte man überlegen, wie Nivellierungen, die infolge eines solchen Familien-Lastenausgleichs zustande kommen könnten, auf die Wettbewerbsfähigkeit wirken und ob sie ein vernichtendes Resultat in Form einer absinkenden Produktion mit sich bringen könnten.
Wenn ich die Gefahren und die schweren Aufgaben, die uns bei der Behandlung dieses Gesetzes gestellt sind, hier schildere, so bedeutet das keineswegs, daß ich etwa diesen CDU-Antrag ablehnen würde, im Gegenteil. Ich halte ihn für einen der wichtigsten Anträge; die in der kurzen Lebenszeit dieses Parlaments hier in Bonn gestellt worden sind, und zwar aus zwei Gründen.
Wenn ich Ihnen vorhin gesagt habe: Krisenfestigkeit und wenn Sie nun das mit voller Absicht von der CDU in ihrem Gesetz groß geschriebene Wort ,.Familie" mit diesem Begriff in Verbindung bringen wollen, so kann man doch ruhig feststellen: Ganz unerwünscht für einen Staatsbürger ist die Ehelosigkeit. Es gibt wohl kein krisenhafteres Dasein als das Dasein des Menschen, der nicht zu einer Eheschließung gelangt. Ich kann auch ruhig sagen, daß die Worte Ehe und Familie selbstverständlich auch die Zeugung von Kindern in sich einschließen. Die Kirchen haben darauf hingewiesen, — sie haben für die gesellschaftliche Einrichtung der Ehe eine ausgezeichnete Formulierung gefunden —, sie haben die Ehe einen Stand der Gnade genannt. Sie haben also damit wohl sagen wollen daß ein Zusammenleben der Geschlechter in dieser Art eine Form ist, in der man sich am ehesten so menschlich bewähren kann, daß dieses Dasein einen Sinn hat und erfüllt werden kann. Ich meide mit Absicht prägnantere religiöse Formulierungen, weil sie nicht vor ein politisches Parlament gehören. Aber Sie werden verstehen, was ich damit meine. Das Wort Krisenfestigkeit beinhaltet auch ganz bestimmt für jeden Menschen die Garantie einer Eheschließung und die Garantie zur Führung einer Ehe.
Meine Damen und Herren, etwas anderes! Es ist vorhin von dem ersten Redner, dem der Zentrumspartei, entschuldigend darauf hingewiesen worden. daß man ja mit ihrem Antrag nicht an bevölkerungspolitische Dinge denke; daß einem der Schreck der nationalsozialistischen Zeit noch in den Gliedern liege. Die sogenannte Bevölkerungspyramide ist keine Erfindung der Wehrwissenschaftler. Wenn ich mich nicht täusche, ist es sogar eine Erfindung eines jüdischen Mitbürgers gewesen, also eines Mannes, der bestimmt nicht im Verdacht steht, nationalsozialistische Politik gemacht zu haben.