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    Deutscher Bundestag. 60. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. April 1950 2195 60. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. April 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 2196A, 2220C Zur Tagesordnung 2196B Änderung des Beschlusses zum Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und BP betr. Überbrückungshilfe zugunsten der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Drucksache Nr. 810) . 2196C Anfrage Nr. 68 der Fraktion der SPD betr. Rechte der Arbeiter und Angestellten der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Drucksachen Nr. 822 und 872) 2196C Beratung der Interpellation der Abgeordneten Dr. Frey, Dr. von Brentano und Fraktion der CDU/CSU betr. Arbeitslosigkeit im Grenzkreis Kleve (Drucksache Nr. 712) 2196D, 2207D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Abg. Gockeln, Even, Winkelheide, Heix und Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Errichtung einer Familien-Ausgleichskasse (Drucksache Nr. 870) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Kinderbeihilfen (Drucksache Nr. 774) und der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Finanzbeihilfe für kinderreiche Familien (Drucksache Nr. 740) 2196B, D Dr. Hammer (FDP): N als Berichterstatter 2197A als Abgeordneter 2203C Determann (Z), Antragsteller 2197B Richter (Frankfurt) (SPD), Antrag- steller 2198A, 2206A Winkelheide (CDU) 2201B Gundelach (KPD) 2203A Frau Kalinke (DP) 2204D Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 2206C Dr. von Merkatz (DP) 2207C Zur Abstimmung: Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 2207A Schoettle (SPD) 2207A Erste Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Reichsmarkverbindlichkeiten zwischen Gebietskörperschaften (Drucksache Nr. 832) 2207D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betr. Aufhebung der Ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1. Dezember 1930 für den Bereich des Bundesgebietes (Drucksachen Nr. 830, 140, 343 und 364) 2208A Dr. Krone (CDU), Berichterstatter . 2208A Baur (Augsburg) (SPD) 2208C Gundelach (KPD) 2209C, 2212C Dr. Falkner (BP) 2210B, 2212D Pannenbecker (Z) 2210D Dr. Oellers (FDP) 2211A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 2211D, 2213B Pohle (SPD) 2213B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit über den Antrag der Abgeordneten Aumer, Freiherr von Aretin, Donhauser, Dr. Solleder, Kahn und Genossen betr. Kontrollmaßnahmen bei den Arbeitsämtern (Drucksachen Nr. 722 und 537) 2214C Dr. Kneipp (FDP), Berichterstatter . 2214C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Sofortmaßnahmen zur Behebung der Not der arbeits-, berufs- und heimatlosen Jugend (Drucksachen Nr. 751 und 355) . 2214D Ribbeheger (Z), Berichterstatter . . . 2215A Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen . . 2215C Berlin (SPD) 2215D Frau Niggemeyer (CDU) 2217B Strauß (CSU) (zur Geschäftsordnung) 2219D Übersicht über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen nach dem Stande vom 27. Februar 1950 (Drucksache Nr. 718) 2220A Nächste Sitzung 2220C Die Sitzung wird um 9 Uhr 9 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Bernhard Winkelheide


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Anliegen, das heute morgen zur Beratung steht, den Kindern und der Familie zu helfen, sind sich, glaube ich, alle Fraktionen dieses Hauses einig, Darum will ich wegen der vorgerückten Zeit die Begründungen, die hier gegeben worden sind, nicht wiederholen. Aber grundsätzlich sei mir zu dem vorliegenden Antrag Nr. 774 der SPD ein Wort gestattet. Der Antrag auf Gewährung von Kinderbeihilfen kommt
    Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, glaube ich, nicht so ganz aus dem Grunde des Herzens heraus.

    (Widerspruch bei der SPD. — Zurufe: Woher weißt du?)

    — Bitte, ich weiß das; da schwingen bei Ihnen einige optische, taktische und kluge sozialistische Überlegungen mit.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich muß hier feststellen, 175 Tage hat unser Antrag Nr. 163 in den Akten des sozialpolitischen Ausschusses geruht, ohne behandelt zu werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wenn der Herr Abgeordnete Richter eben mit so warmen Worten seinen Antrag begründet hat und für die Familie eingetreten ist, dann hätte er ja sein warmes Herz bereits im November oder Dezember entdecken können, um da unsern Antrag zu behandeln. Dann wäre heute bereits das Gesetz verabschiedet.

    (Beifall in der Mitte. — Zurufe links: Lag das an uns? Wer regiert denn hier? — Große Unruhe bei der SPD.)

    Eine zweite Begründung möchte ich Ihnen sagen. Ich glaube, daß trotz dieser eben dargelegten Aufschlüsselung der Summe — es seien im Endeffekt nur 500 Millionen, so nach den Berechnungen des Herrn Senators van Heukelum, zu zahlen diese 500 Millionen sind die Grundlage der Diskussion der Familien-Ausgleichskasse — insgesamt bei diesem Ihrem Antrag ein Trugschluß vorliegt. Dieser Ihr Antrag geht, weil Sie generell 20 DM Kinderbeihilfe verlangen, bedeutend weiter und macht einen Gesamtaufwand von mehr als 2,5 Milliarden, fast 3 Milliarden DM aus. Denn im Bundesgebiete haben wir nicht 10 soundso viel Millionen Kinder, sondern rund 12 Millionen.

    (Zuruf von der SPD: Woher wissen Sie das?)

    — Aus den statistischen Unterlagen, die auch Ihnen zur Verfügung gestanden haben und allgemein jedem Abgeordneten zur Verfügung stehen.
    Ich glaube, wenn Sie ganz objektiv Ihren Antrag betrachten, dann müssen Sie sich selber sagen, daß diese hohe Milliardensumme im Augenblick einfach nicht aufzubringen ist, oder wir müßten über Nacht vor die Tatsache gestellt werden, daß die Besatzungskosten von uns nicht mehr zu zahlen seien.

    (Unruhe bei der SPD.)

    Ich meine, hier liegt eine zweite Begründung, einmal die Hinauszögerung unseres Antrags und zweitens die totale große Forderung. Sie wollen jetzt wieder, sagen wir einmal, vor den Wahlen etwas sozialen Stoff für die Presse usw. haben.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Lebhafter Widerspruch bei der SPD.)

    Ich garantiere Ihnen, am morgigen Tage wird Ihre Presse schreiben: „CDU/CSU und Koalition lehnen Kinderbeihilfe ab".

    (Abg. Rische: Warum lehnt ihr ab? — Unruhe.)

    Und noch eine dritte Begründung gebe ich Ihnen. Am 2. März ist an dieser Stelle von der verehrten Frau Kollegin Albrecht in der Diskussion


    (Winkelheide)

    um das Beamtengesetz folgendes gesagt worden. Sie antwortete damals dem Herrn Kollegen Dr. Wuermeling, als er von der Stellung und Würde der Frau in der sozialen Gemeinschaft sprach.

    (Abg. Renner: Die Rede war ein Witz! Darüber gibt es keine Diskussion!)

    — Herr Renner, in dieser Frage sind Sie gar nicht zuständig! Da haben Sie gar keine Meinung.

    (Widerspruch des Abg. Renner.)

    Ihre Auffassung von Ehe und Familie pendelt zwischen der freien Liebe und ,dem Mutterkreuz hin und her!

    (Lebhafter Beifall in der Mitte.)

    Die Frau Kollegin Albrecht hat folgendes gesagt:
    Ihre Worte, Herr Wuermeling, wären passend gewesen in einer Zeit, als man noch Petroleum in der Hängelampe brannte und die drei großen K — ich brauche sie im einzelnen nicht besonders zu nennen — ausschließlich das Privileg der Frauen waren. Vielleicht erinnern sich einige nicht mehr an diese drei großen K: Kinder, Küche, Kirche. Jedes zu seiner Zeit, und jedes an seinem Platz.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren der
    SPD-Fraktion, in dieser Formulierung liegt in der
    Tat eine nicht gerade sehr hohe und große Wertschätzung des Kindes seitens der verehrten Kollegin Albrecht.

    (Unruhe und Widerspruch bei der SPD.)

    Und heute finden wir Ihren grenzenlosen Antrag auf Gewährung dieser Kinderbeihilfen. Wir freuen uns an sich über die Wandlung, die sich da vollzogen hat.
    Aber noch ein weiteres Wort grundsätzlich
    dazu. Die Struktur Ihres Antrags zielt auf staatliche Kinderbeihilfe. Nicht die Kinderbeihilfe an sich, sondern die Staatseinrichtung lehnen wir von der CDU/CSU-Fraktion ab.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Das gilt nicht!)

    Dieser Weg entspricht nicht der Würde und der Freiheit der Familie und der Würde des Menschen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch und Unruhe links.)

    Wenn Sie diese Einrichtung schaffen, wie sie einmal im nationalsozialistischen Staat bestanden hat, dann erweitern Sie den Charakter des Staates zum Wohlfahrtsstaat.

    (Unruhe und Widerspruch links.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, darf ich Sie daran erinnern, daß Morgenstunde Gold im Munde hat!

(Zuruf links: Kann man nicht sagen!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Bernhard Winkelheide


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sie können die Wahrheit nicht vertragen, meine Damen und Herren!

    (Abg. Dr. Oellers: Das können die Herren nicht vertragen!)

    Sie müssen auch einmal ruhig zuhören können, wenn wir unsere Auffassung vortragen.

    (Unruhe links. — Glocke des Präsidenten.)

    Wir gehen in unserem Antrag davon aus, daß der
    deutsche Mensch einen Rechtsanspruch an die
    Wirtschaft haben muß; dort, wo er steht, und
    dort, wo er arbeitet. Um diesen Rechtsanspruch
    geht es uns. Jeder muß gemäß seinem Stand
    ein menschenwürdiges Leben durch seine Arbeit haben. Das ist der fundamentale Grundsatz.

    (Unruhe und Zurufe links.)

    Auf diesen fundamentalen Grundsatz baut unser Antrag in Drucksache Nr. 163 auf. Ich möchte auf die weitere technische Erläuterung unseres Antrags verzichten, weil ja unser Antrag darauf hinzielt, daß die Regierung eine Vorlage macht, und ich kann Ihnen mitteilen, daß das Bundesarbeitsministerium bereits damit beschäftigt ist, diese Vorlage auszuarbeiten.
    Aber gestatten Sie mir zur Familien-Ausgleichskasse noch einige ganz kurze Begründungen. Wir fordern sie auch aus all den Gründen, die der Herr Kollege Richter hier vorgetragen hat. Aber ich glaube, daß durch diese Familien-Ausgleichskasse, wenn sie verwirklicht wird — und wir hoffen es, daß sie verwirklicht wird —, die sozial schwache Familie, insbesondere Mutter und Kind wieder eine höhere ethische Bewertung in der breiten Öffentlichkeit erfahren wird. Zweitens fordern wir die Familien-Ausgleichskasse, weil wir der sozial schwachen und der kinderreichen Familie eine der Größe der Familie entsprechende Wohnung, die sie bezahlen kann, geben wollen;

    (Zuruf links: Schöne Worte!)

    drittens weil wir die sozial schwache Familie krisenfester wissen wollen; viertens weil wir gerade in der Arbeiterschaft eine freie und unabhängige Berufsentscheidung unserer Jugend haben wollen;

    (Unruhe und Zurufe links)

    fünftens weil wir der Familie die vielen berufstätigen Mütter — —

    (weitere Unruhe und Zuruf links: Die Arbeitslosen!)

    — lassen Sie mich ausreden, Herr Kollege Renner! —

    (Abg. Renner: Ich habe gar nichts gesagt! — Heiterkeit)

    zurückgeben wollen, die Mütter, die vielfach in die Fabriken hineingesteckt sind, damit sie zur Ernährung der Familie beitragen; sechstens, weil wir die soziale Gerechtigkeit wollen.

    (Widerspruch und Zuruf links: Mit dem Munde!)

    — Meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, Sie brauchen sich gar nicht aufzuregen, und Sie brauchen auch gar nicht das soziale Monopol für sich in Anspruch zu nehmen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch und Unruhe links. — Zuruf von der SPD: Steuerreform!)

    Ich darf Ihnen sagen: unser deutsches Volk und die deutsche Arbeiterschaft wären nicht im Besitz der gesamten Sozialversicherung, wenn Ihre damaligen Abstimmungen im alten Reichstag Erfolg gehabt hätten; Sie haben ja gegen die Sozialgesetzgebung gestimmt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe und Unruhe links.)

    Zum Schlusse, um allen Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich sagen: Die FAK, die Kinderbeihilfen sollen nicht als Entlohnung für geleistete Arbeit angesehen werden. Der Leistungslohn muß Grundlage bleiben.

    (Lachen bei der SPD.)



    (Winkelheide)

    Darum bitte ich das Hohe Haus, den Antrag der SPD in Drucksache Nr. 774 dem Haushaltsausschuß zu überweisen; ich bitte ferner, den Antrag des Zentrums in Drucksache Nr. 740 dem sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen und den mündlichen Bericht des Ausschusses annehmen zu wollen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)