Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion stimmt dem Bericht des Ausschusses zu. Jedoch schlägt unsere Fraktion zum Antrag des Herrn Kollegen Dr. Horlacher eine Abänderung vor, und zwar hinter dem ersten Absatz einzufügen:
Die von der Bundesregierung durchzuführenden Maßnahmen müssen neben der Produktionssteigerung. der Sicherstellung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse, der Verbesserung der landwirtschaftlichen Technik auch ausreichende finanzielle Hilfe in der Form billiger und langfristiger Kredite enthalten. Im Rahmen des Wiederaufhaus der deutschen Landwirtschaft wird die Regierung verpflichtet. den Aufbau des gesamtdeutschen Innenhandels mit allen Mitteln zu fördern.
Meine Damen und Herren! Leider stehen mir nur fünf Minuten zu einem solch wichtigen Thema zur Verfügung. Man kann in fünf Minuten nicht das zu dieser Lebensfrage unseres Volkes sagen, was eigentlich notwendig wäre. Der Herr Bundeskanzler betonte in seiner Regierungserklärung am 20. September 1949. daß alles getan werden müßte. um der Landwirtschaft zu helfen. Seit diesem Tag sind mehr als sechs Monate vergangen. Ich frage: was ist in dieser Zeit auf diesem entscheidenden Lebensgebiet unseres Volkes geschehen? Zum Guten mehr als wenig und zum Schlechten mehr als genug. Es kann keim Rede davon sein, daß die Landwirtschaft in Gang gekommen sei, wie das im Antrag zum Ausdruck gebracht wird: es sei denn, man versteht unter dem Gang den Krebsgang. Wir warnen vor den Illussionen. die auch hier in den Reden zum Ausdruck kamen. als seien die heutigen Erscheinungen in der Landwirtschaft vorübergehender Natur. Auch davon kann keine Rede sein. Das, was wir in der westdeutschen Landwirtschaft gegenwärtig erleben und sehen, kann nur beseitigt werden, wenn die Politik und die Maßnahmen, die dazu geführt haben, beseitigt werden.
Die Ursachen des heutigen Zustandes liegen darin, daß dank der Politik der wirtschaftlich Mächtigen die Landwirtschaft rücksichtslos belastet und ausgepumpt wird. Die Marshallplanpolitik und ihre Auswirkung, die Spaltung Deutschlands, die Liberalisierung haben zur Folge, daß die Landwirtschaft einer verschärften Krise entgegengeht und gegenüber dem Auslande nicht konkurrenzfähig ist. Die Politik der wirtschaftlich Mächtigen in der Vergangenheit hat dazu geführt, daß nach den Ergebnissen der landwirtschaftlichen Betriebszählung vom Mai 1949, die vom statistischen Bundesamt veröffent-
licht wurden. die Zahl der Betriebe von 0 5 Hektar bis 5 Hektar gegenüber der letzten Betriebszählung von 1939 um rund 27 000 zurückgegangen ist. Die landwirtschaftliche Bevölkerung ist gegenüber der Zeit des ersten Weltkrieges bis zum heutigen Tage von 32 % auf 18 % zurückgegangen. In einer Stellungnahme des Bauernverbandes dazu werden als Gründe angeführt:
Mißverhältnisse zwischen den industriellen und
landwirtschaftlichen. Produktenpreisen. Wohnraummangel, steuerliche Belastung und Lastenausgleich. Diese Entwicklung hat zur Folge daß im Jahre 1948 ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe mit Verlust abgeschlossen haben. Dazu kommt noch die steuerliche Belastung.
Die steuerliche Belastung der Landwirtschaft sieht heute wie folgt aus. Zwei Beispiele von der steuerlichen Belastung landwirtschaftlicher Betriebe aufgestellt vom Bauernverband Bayern.
Betrieb A: Ein Betrieb mit 7 Hektar. Einheitswert 12 950 DM — es folgen dann Bürgersteuer,
Kirchensteuer Grundsteuer. Umsatzsteuer usw.
-. ergibt eine steuerliche Belastung im Jahre 1938 von 120 RM oder pro Hektar 17 40 RM. 1949 eine steuerliche Belastung von 619 15 DM oder pro Hektar 88 45 DM. — Ein zweites Beispiel Ein Betrich mit 10 Hektar. Einheitswert 15 300 DM, ergibt eine steuerliche Belastung im Jahre 1938 von 187 40 RM oder pro Hektar 77 15 DM Nicht anders sieht es mit der Soforthilfeabgabe aus. Ganz richtig wird in der Agrarpolitischen Pressekorresnondenz festgestellt:
Der jährliche Kapitalentzug von 400 Millionen DM. der fast das Doppelte der Zinszahlung der Vorkriegszeit beträgt, bedeutet eine ungeheuere Vorbelastung der Landwirtschaft und wird zwangsläufig bei vielen Betrieben zu einer Hemmung, wenn nicht zu einer Verhinderung der notwendigen Intensitätssteigerung führen.
Nicht weniger klar werden von einer anderen Zeitung die Ursachen aufgezeigt. Als Hauptursachen für die Verschuldung der Landwirtschaft werden angegeben: steuerliche Belastung, die Preisschere, die allgemeine Geldknappheit und in neuerer Zeit die Auslandskonkurrenz infolge der Liberalisierung des Handels. Was heißt: die Liberalisierung auf den Marshallplan beschränken, wie man das hier zum Ausdruck gebracht hat? Die Liberalisierung ist der Totengräber der deutschen Landwirtschaft und gar nichts anderes. Wer das heute nicht glaubt, wird in ganz wenigen Monaten, spätestens in einigen Jahren, wenn dieser Zustand so bleibt, das verspüren können. Denn wie ist heute schon die Auswirkung der Liberalisierung und des Marshallplans zu verspüren! Der Gemüse- und Obstbau wird durch die uneingeschränkte Einfuhr aufs schärfste getroffen. Nach dem Inkrafttreten des neuen Handelsvertrags mit Holland wurden in der Zeit vom 15. 12. bis 31. 12. 1949 Einfuhrlizenzen für Gartenbauerzeugnisse nur aus Holland in folgender Höhe erteilt: 23 037 056 Dollar. Ich frage mich: haben wir in Deutschland keinen Obstbau, haben wir in Deutschland keinen Gemüsebau? Unser Gemüse, unser Obst geht vor die Hunde, und ausländisches Gemüse wird auf Kosten der deutschen Landwirtschaft eingeführt. Das ist die Auswirkung der Liberalisierung.
Hinzu kommt noch, daß uns insbesondere die Verantwortlichen in Holland nach Strich und Faden bemogeln.
Auf die Vorsprache der Geschäftsführer des Landesverbands Hessen für Gemüse-, Obst- und Gartenbau wegen der hohen Einfuhren erklärte Herr Ministerialdirektor Bottnai: Daran ist nichts zu ändern, es liegen bindende Anweisungen der Militärregierung vor. Was dagegen zu tun ist, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit. Was heißt: Anweisung der Militärregierung? Diese Fragen sind Lebensfragen unseres Volkes. Dann muß man gegen solche Anweisungen im Interesse der Landwirtschaft den Kampf führen und sich nicht vor dem Petersberg verneigen.