Rede von
Erwin
Schoettle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme mit dem Kollegen Gengler überein, wenn er feststellt, daß die Zuspitzung dieser Debatte überflüssig gewesen sei. Ich nehme aber an, daß er seine Mahnung ebensosehr an seine eigenen Freunde gerichtet hat wie an diejenigen anderen. die sich an der Zuspitzung der Debatte beteiligt haben. Ich glaube, die sozialdemokratische Fraktion kann sich in diesem Falle von der Schuld freisprechen. Ich hätte auch hier zum Schluß nicht das Wort ergriffen, wenn sich nicht der Herr Kollege Strauß zu Beginn der Debatte zu einer Polemik gegen den Berichterstatter des Haushaltsausschusses hätte verleiten lassen. Das ist im allgemeinen nicht üblich. Ich habe hier berichtet, was ich im Namen des Haushaltsausschusses zu berichten hatte.
Daß es sich um eine politisch gewordene Frage handelt, Herr Kollege Strauß, hat die Debatte hier zur Genüge bewiesen. Ich spreche jetzt nicht als Vorsitzender des Haushaltsausschusses, sondern im Namen meiner Fraktion, und da möchte ich Ihnen, Herr Kollege Strauß, folgendes sagen: Politisch ist die Frage deshalb geworden, weil ein Teil derjenigen, die für den Beschluß des Ausschusses, für die Ausschußfassung die Verantwortung mit trugen, hier im Plenum ausgebrochen ist, nämlich Sie und Ihre Freunde.
Es ist doch ein merkwürdiges Verfahren, wenn in einem Ausschuß eine Vereinbarung erzielt wird und wenn dann der dritte Vorsitzende der CDU-Fraktion mit seinen bayerischen Freunden plötzlich einen Antrag einbringt, der diese Vereinbarung durchbricht. Dadurch ist es nicht eine politische, aber eine koalitionspolitische Frage geworden. Das sollten Sie doch akzeptieren, Herr Kollege Strauß!
Und was die Generationen-Probleme betrifft, mein lieber Herr Kollege Strauß, da kennen wir uns ja seit Frankfurt zu gut, um nicht zu wissen, daß ich, obwohl ich einige Jahre älter bin als
Sie, was das Temperament betrifft, mit Ihnen noch die Konkurrenz aufnehmen kann.
Also da wollen wir doch die Frage — —
— Gut, ich bin bereit, es zu akzeptieren. Aber geben wir uns doch ganz allgemein zu, daß es sich hier tatsächlich nicht um die vier Millionen handeln sollte, die das mehr kostet, was gestern hier im Plenum besprochen worden ist, sondern daß es sich um das Schicksal von Menschen handelt, die wahrhaftig vom Schicksal schwer genug getroffen worden sind.
Und manchmal hat die Debatte hier den Eindruck erwecken können, als ob diese Menschen völlig in den Hintergrund getreten wären. Wir brauchen hier nicht im einzelnen zu erörtern, warum und unter welchen Umständen und mit welchen Absichten die oder jene Anträge gestellt und Regelungen angestrebt worden sind. Wir sollten an die Menschen denken; und da sage ich im Hinblick auf das Argument, daß der Bundesrat ja eventuell sein Veto einlegen könnte: Meine Damen und Herren, der Bundestag erfüllt hier eine Verpflichtung gegenüber einer Menschengruppe, die verdient, daß man sich um sie kümmert, und zwar aus politischen und aus menschlichen Gründen. Wenn der Bundesrat es dann nach einem einhelligen Beschluß dieses Hauses riskiert, ein Veto in dieser Frage einzulegen, dann soll er dafür die politische und moralische Verantwortung übernehmen.
Ich glaube, das sollten wir dem Bundesrat nicht ersparen. Und schließlich gibt es auch in diesem Hause Kräfte, die mit den Herren vom Bundesrat deutlich reden können, bevor er zu einer Entscheidung kommt. Da sollten wir nicht allzusehr auf die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrats abheben. Wenn es wahr ist, daß der Beschluß des Bundesrats gegen die Stimme von Bayern zustande gekommen ist, Herr Kollege Strauß, dann sind Ihre Freunde genau so schuldig wie die Herren, die mir nahestehen; nicht wahr? Alo, da sitzen wir beide im Glashaus. Und wenn man es genau überlegt, dann sind es schließlich ja die Länderinteressen gewesen, die ein entscheidendes Wort mitgesprochen haben. Es ist uns ja nicht unbekannt, daß die Länderinteressen gelegentlich mit den allgemeinen politischen Gesichtspunkten querlaufen.
Das haben wir oft erlebt, und das müssen wir einmal austragen.
Deshalb glaube ich, daß es sich hier tatsächlich darum handelt, daß der Bundestag zu einem möglichst einhelligen Beschluß kommt, der darin besteht, die Beschlüsse der zweiten Lesung von gestern aufrechtzuerhalten, und zwar in vollem Umfange. Das ist ja auch leicht, nachdem die CDU ihren Antrag zurückgezogen hat, den § 3 zu ändern.
Auf alle Fälle aber, meine Damen und Herren, bleibt das eine Betrübliche, und das sollte eine Lehre für die Zukunft sein: Wenn
man schon Vereinbarungen getroffen hat — seien sie nun paraphiert oder seien sie im Wege von Beschlüssen eines Ausschusses erreicht worden —, dann sollte es nicht möglich sein, daß hinterher — und da spreche ich jetzt ganz deutlich — aus Konkurrenzüberlegungen einer regionalen Gruppierung alles über den Haufen geworfen wird.