Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Einbringung des Antrags hat der Sprecher, Herr Minister Nölting, wieder Angriffe gegen die Regierung gerichtet und zum Ausdruck gebracht, daß man befürchten müsse, die Art der Behandlung dieses Gesetzes durch die Bundesregierung würde größte Gefahren hervorrufen, die darin liegen, daß wir unter Umständen durch die amerikanische Militärregierung oder durch die Hohen Kommissare vor vollendete Tatsachen gestellt werden könnten, die uns unbequem sind und die mindestens nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft und der deutschen Öffentlichkeit liegen. Ich kann - abgesehen davon, daß Herr Minister Nölting ja völlig über die Bemühungen und über die Arbeiten des Bundeswirtschaftsministeriums auf diesem Felde unterrichtet ist -dazu nur immer wieder sagen, daß wir alle Anstrengungen unternehmen und es an nichts fehlen lassen, um in engster Zusammenarbeit mit unseren Partnern auf der alliierten Seite zu einer Lösung zu kommen, die den deutschen Interessen in jeder Weise gerecht wird. Die Debatte ist also eigentlich überflüssig, ehe sie nicht festere Formen annehmen kann.
Es kann auch nicht die Rede davon sein, daß etwa bewußt von seiten des Bundeswirtschaftsministeriums eine Verzögerungstaktik getrieben wird. Im Gegenteil, ich habe meine eigene Meinung dahin sehr bewußt deutlich gemacht, daß mir an diesem Gesetz vor allen anderen liegt. weil ich dieses Gesetz mit als ein Kernstück der sozialen Marktwirtschaft betrachte. Es ist also auch durchaus nicht so, daß uns eine Debatte über das sogenannte Kartellgesetz unbequem oder un. gelegen käme oder unwillkommen wäre. Nein, ich bin bereit, mich jeden Tag auch hier vor dem Bundestag über das Gesetz und seinen Fortgang zu unterhalten. Aber es ist ein Gesetz von so ungeheurer Tragweite, daß auch früher schon Parlamente sich mit solchen Gesetzen jahrelang befaßt haben. Es ist also durchaus nichts Ungewöhnliches und spricht nicht für ein schuldhaftes Versäumen des Bundesministers, wenn diese Dinge heute noch nicht die letzte Form gefunden haben. Es ist auch nachträglich noch einmal festzustellen, daß die Dekartellisierung zu den Vorbehaltsbereichen der Hohen Kommissare gehört. Aber unabhängig davon bemühen wir uns in der ernstesten Weise darum - ich habe über diesen Gegenstand im Augenblick jede Woche Besprechungen, die auch von Sachverständigen in Details weitergeführt werden - um das für die deutsche Wirtschaft herauszuholen, was unbedingt notwendig ist.
Ich habe also auch kein Verständnis dafür daß dieses Gesetz, an dem alle — und jedenfalls die hervorragendsten Sachverständigen, die wir auf deutscher Seite finden konnten — mitgearbeitet haben, als ein „wirklichkeitsfremdes Elaborat" bezeichnet wird. Diese Bezeichnung hat es von Herrn Kollegen Nölting deshalb gefunden. weil als Grundsatz zunächst ein absolutes Monopolverbot ausgesprochen ist, während von seiten der Sozialdemokratischen Partei offenbar die Meinung vertreten wird. daß öffentlichrechtliche oder gemeinschaftlich gesteuerte Kartelle nicht den Charakter eines Monopols tragen und deshalb aus der Monopolgesetzgebung ausgeschaltet werden sollten. Hier bin ich allerdings grundsätzlich anderer Meinung. Ich bin der Auffassung. daß die staatlich, die öffentlich-rechtlichen und die sogenannten gemeinschaftlich gesteuerten Kartelle, Marktabreden und Machtpositionen ebensosehr wie die privatwirtschaftlichen Abmachungen unter das Antikartellgesetz gehören.
Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß es einen
süßen Trost für den Verbraucher bedeutet, wenn
er anstatt privatwirtschaftlich durch die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen ausgebeutet wird.
Die Gefahr von dieser Seite ist mindestens genau so groß, ja ich möchte sagen: noch größer;
denn kein privatwirtschaftliches Monopol — das
es bekanntlich nur äußerst selten in der Wirtschaft gibt — kann so geschlossen sein wie ein
öffentlich-rechtliches Monopol. Aber wir wollen
den Gegensatz nicht noch durch die Frage, wo
die größeren Gefahren liegen, vertiefen. Auf
alle Fälle ist das sicher, daß die öffentlich-rechtlichen und gemeinwirtschaftlichen Marktabreden
und Monopolstellungen ebensosehr unter die Dekartellisierung fallen sollen und fallen müssen
wie die privatwirtschaftlichen Positionen. Hier
scheint ein wirklich ernster Gegensatz zu klaffen. Aber meine Meinung — und ich glaube, hier sagen zu können, auch die der Regierung — ist völlig eindeutig.
Wenn im übrigen hier gesagt wird, daß es in den Ländern — vor allen Dingen auch bei der Regierung von Nordrhein-Westfalen — nicht üblich sei, die Dinge einmal auf der Kabinettsebene und zum anderen wieder auf der Referentenebene zu behandeln, dann möchte ich ausführen dürfen, wie der Ablauf der Ereignisse gewesen ist.
Bevor dieses Kartellgesetz auf der interministeriellen Ebene zur näheren Abklärung kam, habe ich im Kabinett die Grundsätze dieses Gesetzes und die der Dekartellisierung vorgetragen, und ich habe damit die volle Billigung der Regierung, d. h. des gesamten Kabinetts gefunden. Auf dieser Grundlage, die erst einmal Grundsätze und Richtlinien zum Gegenstand hatte, ist dann das Kartellgesetz auf die interministerielle Ebene verwiesen worden. In der weiteren Behandlung hat sich dann auch im einzelnen in bezug auf die rechtlichen Institutionen wie zum Beispiel die „Monopolkommission" gezeigt, daß gewisse Änderungen erforderlich werden, über die Herr Kollege Nölting ebenfalls unterrichtet war.
Ich stelle also noch einmal fest, daß in dieser Phase der Entwicklung eine Notwendigkeit zu einer Diskussion nicht vorliegt, denn das Wollen der Regierung ist hier völlig klar. Die endgültige Form kann das Gesetz in diesem Stadium noch nicht gefunden haben. Es ist aber der Regierung nicht unbequem und ungelegen, darüber zu sprechen. Ich unterhalte mich jede Woche über diesen Gegenstand, wenn es hier gewünscht werden sollte.