Rede von
Paul
Krause
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DZP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DZP)
Meine Damen und Herren! Die Frage, die hier zur Debatte steht, ist keine Angelegenheit von Parteien und Fraktionen, sondern eine der zukunftentscheidenden Fragen für unsere junge westdeutsche Bundesrepublik. Die Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers haben uns nicht überrascht; denn sie sagen praktisch nicht mehr und nicht weniger als das, was Herr Bundesminister Schäffer auf unsere Anfrage, die Sie auf der Drucksache Nr. 647 vorfinden, in der Drucksache Nr. 736 geantwortet hat. Wir bedauern, daß er die 5 Fragen, die in der erwähnten Drucksache gestellt sind, nicht beantwortet hat, und erklären hiermit, daß wir uns mit der Antwort des Herrn Bundesfinanzministers nicht zufrieden geben können.
Die Frage der Rechtsgleichheit der ostvertriebenen Beamten und Wartegeldempfänger ist hier
schon des öfteren aufgeworfen worden. Ich stehe
nun mal auf dem Standpunkt, daß diese Frage so
klar ist, daß man sie an dieser Stelle nicht erst noch
weiter zu erörtern braucht. Ich darf Sie nur an
Art. 3, Art. 20, Art. 33 Ziffer 4 und 5 und an Art. 134
des Grundgesetzes erinnern. Man muß sich tatsächlich eben nur wundern, daß die ostvertriebenen
Beamten, Pensionäre und Wartegeldempfänger bisher soviel Disziplin bewahrt und nicht dazu beigetragen haben, daß aus dem Rechtsstaat ein Linksstaat geworden ist. Das ist auch zu bewundern!
Am 15. März dieses Jahres nun hat eine Abordnung ostvertriebener Beamten dem Beamtenrechtsausschuß des Bundestages die Lage dargelegt, und
ich darf mir vom Herrn Präsidenten die Erlaubnis
erbitten, die Ausführungen, die der Vorsitzende dieser Organisation dort in einem längeren Referat
gemacht hat, hier auszugsweise wiederzugeben.
Besonders interessant war dabei folgendes:
Die Not wächst täglich. Was der einzelne Beamte noch an Kleidung, Wäsche und anderen Werten aus der Heimat mitgebracht hat, ist größtenteils verbraucht oder auch verkauft. Die Selbstmorde haben den Stand von zirka 30 im Monat erreicht. Am erschütterndsten sind die Fälle der älteren, aber noch nicht in den Bezug von Pensionsvorschüssen gelangten Beamten, die sichentschließen, aus dem Leben zu gehen, nur um Frau und Kindern die kärglichen Hinterbliebenenbezüge zu verschaffen. Die Bezüge für Pensionäre sind trotz gleichen Rechtsanspruchs völlig ungleich. Nordrhein-Westfalen und neuerdings Bremen, ferner Post und Eisenbahn haben die Angleichung an die einheimischen Versorgungsempfänger vollzogen. Von den übrigen Ländern zahlen Württemberg-Baden 50% bis zum Höchstbetrag von 250 DM, Hessen bis 100 DM voll, darüber zwei Drittel, aber nur höchstens 300 DM, -Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg je 100 DM voll, darüber die Hälfte, aber auch nur bis 300 DM; Bayern nur bei Bedürftigkeit 100 DM voll, darüber 50% bis höchstens 200 DM, Einzelpersonen 120 DM; Beamte, die früher im bayerischen Landesdienst standen, erhalten die volle Pension. Wartegeld wird überhaupt nirgends gezahlt.
Das sind Zahlen, meine Damen und Herren, die ruhig einmal in der breitesten Öffentlichkeit des Bundesgebiets bekanntwerden sollten.
Und nun ein Wort zu dem Antrag Drucksache Nr. 810! Der Antrag verlangt die Bereitstellung von vorerst 35 Millionen DM. Wir von der Zentrumsfraktion stimmen diesem Antrag unter zwei Voraussetzungen zu. Die erste ist die, daß dieser Antrag heute ohne vorherige Überweisung an einen Ausschuß sofort angenommen wird; denn die Not ist tatsächlich so groß geworden, daß wir uns auf irgendeine Verschleppung der Sache durch Überweisung an Ausschüsse gar nicht erst einlassen können. Zweitens würden wir es begrüßen, wenn 20 Millionen DM davon nur an ostvertriebene Pensionäre und Wartegeldempfangsberechtigte abgezweigt werden würden. In dem Zusammenhang erwarten wir, daß die Bundesregierung bei der Verwirklichung dieses Antrages im Sinne der Forderung von Ziffer 2 unserer Anfrage Nr. 58 — Drucksache Nr. 647 — vom 1. März 1950 endlich einmal im Wege einer Verordnung gemäß Art. 119 des
Grundgesetzes vorläufige Notmaßnahmen trifft, damit allen heimatvertriebenen Behördenbediensteten auf ihre Forderung an Gehalt, Wartegeld, Ruhegehalt und Hinterbliebenenbezüge Vorschüsse ausgezahlt werden können, um wenigstens die größte Not unter diesen verzweifelten Menschen zu lindern. Ich darf auch daran erinnern, daß wir unseren grundsätzlichen Standpunkt zur Frage des Wartegeldes bereits gelegentlich der Debatte über die Arbeitslosigkeit eindeutig zum Ausdruck gebracht haben.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch folgendes Prinzipielle sagen: Die Frage, wann nun eigentlich und in welcher Weise die Angelegenheit der Pensionen und Wartegeldbezüge für die ostvertriebenen Empfangsberechtigten geregelt wird, ist nicht nur für die Behördenbediensteten aus Ostdeutschland allein von besonderer Wichtigkeit, sondern hier handelt es sich auch tatsächlich um ein Problem, bei dem sich die Vertriebenenpolitik der Bundesregierung überhaupt zum ersten Mal praktisch zu bewähren hat. Von der Lösung dieses Problems wird es abhängen, ob die Heimatvertriebenen zu der derzeitigen Bundesregierung noch Vertrauen haben können oder nicht. Wir meinen, daß es der Regierung selber nicht gleichgültig sein kann und sein darf, welche Stellung die im Bundesgebiet lebenden acht Millionen Heimatberaubten ihr gegenüber in Zukunft beziehen werden.