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ID0105207200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 52. Sitzung. Bonn, Montag, den 27. März 1950 1873 52. Sitzung Bonn, Montag, den 27. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1874C, 1925C Zur Tagesordnung . . . . . . 1784D, 1892B Erste Beratung des von der Fraktion der Deutschen Partei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 609) 1874D Dr. von Merkatz (DP), Antragsteller . . . . . . . . 1875A Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wuermeling, Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Bundesbeamtengesetzes (Drucksache Nr. 618) . . . . . . . 1875D Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedereinführung der Befreiung nichtöffentlicher Schulen und Erziehungsanstalten von der Umsatzsteuer (Drucksache Nr. 656) . . . . . 1876A Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 1876A Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Reichsleistungsgesetzes, des Leistungspflichtgesetzes im Lande Hessen sowie des Notleistungsgesetzes in WürttembergHohenzollern (Drucksache Nr. 657) . . 1877B Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 1877B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache Nr. 704) 1877D Loritz (WAV) . . . . . . . 1878A Renner (KPD) 1878B Erste Beratung des von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zahlung der Pensionsvorschüsse und Unterhaltsbeihilfen an die im Art. 131 des Grundgesetzes angeführten Personengruppen (Drucksache Nr. 668) . . . 1878D Dr. Nowack (FDP), Antragsteller 1878D Krause (Z) 1879D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (Drucksachen Nr. 685 und 350) . . . 1879D Brookmann (CDU), Berichterstatter 1879D Frau Korspeter (SPD) 1880D Frau Dr. Brökelschen (CDU) 1882B, 1889D Krause (Z) . . . . . . . . 1884A Kohl (KPD) 1884D Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 1886C Priebe (SPD) 1887C Euler (FDP) . . . 1888B Farke (DP) 1888C Frau Döhring (SPD) 1889A Zweite und dritte Beratung des Gesetzes über die Versorgung der Familienangehörigen von Kriegsgefangenen und Internierten (Drucksachen Nr. 760 und 522) 1890B Langer (FDP), Berichterstatter . . 1890C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für die unständigen Hafenarbeiter (Hafensonderbetrieb) (Drucksache Nr. 632) . . . . . . . 1891 B Storch, Bundesminister für Arbeit . 1891C Unterbrechung der Sitzung . . 1892A Erste Beratung des von der Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wiedereinführung der Todesstrafe (Drucksache Nr. 619) 1892C Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller . . . . . . . 1892C, 1919A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 1895D Wagner (SPD) 1896D Dr. Kleindinst (CSU) 1904B Dr. Hammer (FDP) 1905A Dr. Laforet (CSU) 1906B Frau Meyer-Laule (SPD) . . . 1906D Loritz (WAV) 1908A Ewers (DP) 1909C Dr. von Merkatz (DP) 1911B Neumayer (FDP) 1912B Renner (KPD) 1914C Dr. Miessner (DRP) 1917D Dr. Schmid (SPD) 1918B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 1913D Schröter (CDU) 1914A Renner (KPD) . . . . . . . 1914 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt (Drucksache Nr. 628) 1921A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter (Drucksache Nr. 699) 1921A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Ausschluß des Umtauschs und der Bareinlösung außer Umlauf gesetzter Postwertzeichen (Drucksache Nr. 711) . . . . . . . 1921B Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksachen Nr. 770 und 630) . . . 1921B, 1925A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP), Berichterstatter . . . . . . . . 1921B Dr. Schneider (FDP) . . . . . . 1921D Euler (FDP) (zur Geschäftsordnung) 1925A Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse von Bundestagsabgeordneten aus dem Beamtenverhältnis (Drucksache Nr. 720) 1923B Dr. Kleindinst (CSU), zur Geschäftsordnung . . . . . . 1923C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Entwurf einer Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) (Drucksache Nr. 745) 1923D Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter 1923D Nächste Sitzung 1925C Die Sitzung wird um 10 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Hans Ewers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Vertreter meiner Fraktion im Parlamentarischen Rat haben gegen das Grundgesetz in seiner gegenwärtigen Form gestimmt; aber Partei und Fraktion erkennen vorbehaltlos an, daß selbstverständlich das Grundgesetz die einzige Möglichkeit und die Basis für unser gesamtes politisches und staatliches Leben in den Bereichen der Bundesrepublik abgibt und deshalb nun auch außer Streit sein sollte. Wir meinen daher, daß die verehrten Vertreter der Bayernpartei ihrem Antrag zum Art. 102 einen sehr schlechten Dienst erwiesen haben, indem sie ihn mit Ausführungen begründeten, die man gegen jeden Artikel des Grundgesetzes anführen könnte. Denn damit haben sie natürlich die Debatte auf ein staatsrechtliches Gleis geschoben, auf dem die Sonderfrage gar keinen Platz haben sollte. Ich möchte heute zu der Grundsatzfrage nur kurz namens der Mehrheit meiner politischen Freunde Stellung nehmen; denn diese Frage ist keine parteipolitische Frage, sondern, wie schon ausgeführt, eine Frage, die nicht von der ratio, sondern von irgendwelchen tieferen Lebensäußerungen her bestimmt wird und über die jeder mit sich selbst zu Gericht sitzen muß.
    Ich möchte nicht, wie ein Teil meiner Vorredner, etwa auf die Grundsätze selbst eingehen. Die sind, wie Herr Kollege Loritz mit Recht ausführte, jedem Juristen von der Schulbank her bekannt, vom dritten Semester her, als er anfing, Strafrecht zu hören.

    (Abg. Dr. Schmid: Seitdem hat sich einiges geändert!)

    Es ist darüber auch schwerlich in einem Parlament etwas Neues zu sagen, jedenfalls nichts für den Juristen Neues. Die Tatsache, daß Staaten, solange es diese Gebilde in historischer Zeit gibt, ihre Rechtsbrecher bestraft haben, hat niemals von irgendwelchen Theorien abgehangen, sondern war ein Ordnungsprinzip, das in der Tat im Ursprung wohl religiös begründet war, das aber jedenfalls auch dem Selbstbewußtsein des Staates und seiner Angehörigen immer entsprochen hat. Und wenn man schon die Bibel zitieren will, so braucht man nur an die beiden Worte „Auge um Auge, Zahn um Zahn" oder an das Wort „Seid untertan der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat" zu denken, um festzustellen, daß das Strafprinzip mit dem christlichen Glauben in der Tat bestens vereinbar sein dürfte,


    (Ewers worüber aber letzten Endes nicht das Parlament, sondern allein die Kirchen zu entscheiden haben. Des weiteren muß ich allerdings als Rechtswahrer Mit demselben Recht könnte man sagen: eine Gefangensetzung ist eine Freiheitsberaubung, oder eine Beschlagnahme des Vermögens ist ein Diebstahl. Davon kann nicht die Rede sein. Denn der Strafvollzug ist in der Tat nicht mit bürgerlichen Rechtsbegriffen zu messen. Nicht nur das, was dem Individuum ansteht, steht dem Richter oder der Staatsgewalt selbst zu. Derartige Vergleichsetzungen verschieben die Debatte auf eine ganz unrichtige Ebene. Nun lassen Sie mich mit einigen wenigen Sätzen die Gedanken und Bedenken, die meine Freunde, soweit sie auf meiner Seite stehen, haben, zur Todesstrafe aussprechen. Es ist nicht alles das, was seit der Aufklärungszeit an Strafgrundtheorien aufgestellt worden ist, nicht die Besserungs-, nicht die Abschreckungsund nicht die Schutztheorie, die in erster Linie hier irgendwelches Material für die innere Entscheidung geben können, sondern es ist lediglich eben das, was die Staaten seit jeher geübt haben, die Vergeltungsmaxime, die eine Stützung letzten Endes für dieses letzte Strafmittel sein kann. Diese Maxime lebt nach unserer Meinung in allen tüchtigen, aufrechten, den Staat bejahenden Bürgern jeder Klasse und jedes Standes, soweit sie nicht von Theorien über den Staat, über die Justiz oder der Philosophie angekränkelt sind. (Abg. Dr. Schmid: Schauen Sie nur die Mutter von Rathenau an!)


    (Abg. Dr. Schmid: Der Ausdruck ist fatal!) zurückweisen, daß eine Reihe von Vorrednern gesagt hat, eine Hinrichtung sei eine Tötungshandlung.


    (Zuruf links: Ach!)


    (Sehr gut!)


    (Abg. Dr. Schmid: Also bei den Primitiven!) — Nein, nicht bei den Primitiven, sondern es gibt bekanntlich ein Empfinden, eine allgemeine, nach Sitte und Brauchtum sich richtende innere Einstellung, die klar ist, und wenn hier meine verehrte Vorrednerin Frau Meyer-Laule von einem Kinde, das man habe, ausgegangen ist, das durch irgendwelche Umstände von der natürlichen Lebensbahn abweicht, in die Hände von schlechten Elementen kommt und selbst Verbrecher wird, so möchte ich dem die Gefühle einer Mutter gegenüberstellen, deren Kind durch einen Rohling, durch einen Sittlichkeitsmord aus dem Leben befördert worden ist. Wir wollen auch diese Mutter ansehen und nicht nur jene andere.

    — Die Mutter Rathenaus? Ihr Sohn ist das Opfer eines politischen Mordes geworden. Lassen Sie mich darüber folgendes sagen:

    (Abg. Dr. Schmid: Der ist aber genau so tot!) Jeder politische Täter glaubt, in höherem Auftrag zu handeln und ist insofern kein gemeiner Mörder. So sehr wir alle den politischen Mord entschieden verneinen, er steht nicht auf einer Basis mit dem Roheits- und Eigennutzverbrechen. So bedauerlich das politische Attentat auch immer sein mag, der Täter ist verblendet durch irgendeine Propaganda, durch eine einseitige Schau ins öffentliche Leben hinein, er glaubt vielleicht gar, eine gute Tat begangen zu haben. Er ist Überzeugungstäter, wie es die Attentäter, die aus Ihren Reihen, meine Herren von der Linken, hervorgegangen sind, Leute wie z. B. Nobiling, zweifellos gewesen sind. Keine Rede davon, daß das gemeine Verbrecher sind, sondern es sind vom Standpunkt des Gegners irregeleitete Missetäter, von ihrem Standpunkt aus gar Märtyrer, die sich irgendeiner Idee opfern. Ob sie falsch, ob sie richtig gehandelt haben, — das kann erst die Geschichte erweisen. Jedenfalls möchte ich kein politisches Verbrechen hier als Ausgangspunkt nehmen. Daß diese unter Umständen nach einer gelungenen Revolution gar straffrei bleiben, ist allgemein anerkannt. Ich rede allein vom gemeinen Rechtsbrecher, vorn entmenschten Übeltäter, um den es sich hier nur handelt. Hoffen wir, daß der politische Mord nicht mehr vorkommt, jedenfalls nicht in unserem Vaterland. Im Ausland kommt er ja hier und da noch vor.


    (Zuruf links: Der kommt nur dann vor, wenn man ihn verherrlicht!)

    Ich spreche also davon, daß dieses Gefühl, dieses Empfinden, das man beim Gedanken an den Getöteten hat und das nach einer gerechten Sühne schreit, entscheidend ist. Dieses unverbildete Gefühl — meinetwegen sogar der Primitiven, soweit sie einen klaren Verstand und ein klares Empfinden haben—ist meines Erachtens das Ausschlaggebende.
    Und nun kommt die Frage: ist demgegenüber gar nichts einzuwenden? Ich sage: Ja! Für uns prinzipielle Bejaher ist der schwerste Umstand, der gegen die Todesstrafe spricht, der Umstand, den Herr Kollege Loritz angedeutet hat, nämlich die Tatsache, daß nun einmal keine Götter auf dem Richterthron sitzen, sondern Menschen, die, wie wir alle, leider ach so sehr dem Irrtum unterworfen sind.

    (Zuruf: Na also!)

    Die Todesstrafe ist tatsächlich die einzige Strafe, bei der es auf Erden eine Berichtigung nicht mehr gibt, wenn sie einmal vollzogen ist. Deswegen eröffnet die Todesstrafe die Möglichkeit des Justizmordes. Das ist nach unserer Auffassung der entscheidendste und bedeutsamste Einwand gegen ihre praktische Verwirklichung im Strafrecht.
    Deshalb würden wir allerdings, wenn die Todesstrafe wieder eingeführt werden sollte, die Beachtung zweier Grundsätze fordern. Es ist vielleicht ganz gut, daß man derartige Ideen schon heute einmal in die Debatte wirft, damit man sich das allerzeit überlegen kann, bis es mit der Strafrechtsreform soweit ist. Erstens darf die Todesstrafe niemals als einzige Strafe angedroht sein, sondern nur neben lebenslänglichem oder zeitlichem Zuchthaus als schwerste Tatfolge, und zweitens darf die Todesstrafe nicht verhängt werden, wenn das Gericht nach der Maxime des Reichsgerichts die zugrundeliegenden Tatsachen nur mit „einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" feststellen kann. Wenn auch nur der geringste fernliegende Zweifel daran, daß das todeswürdige Verbrechen begangen wurde, besteht, sollte ein Richter nicht die Todesstrafe aussprechen. Er mag sich überzeugt halten, daß dieser Mann der Täter ist, aber der kleinste Zweifel sollte ihn hindern, eine Strafe zu verhängen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Diese beiden Forderungen als Sicherheit gegen die Möglichkeit, des Justizmordes!
    Dann noch ein allgemeines Wort gerade zur Todesstrafe bzw. zum Strafrecht im allgemeinen, zur Todesstrafe aber aus gewissen aktuellen Gründen vielleicht nicht ohne besondere Bedeutung: Tat und Strafe haben eine geheimnisvolle und un-wegdenkbare Beziehung zum Zeitablauf. Eine Todesstrafe, die erst Jahre nach rechtskräftigem Urteil vollstreckt wird, ist eine unmenschliche


    (Ewers)

    Grausamkeit. Eine Todesstrafe ist nur dann gerecht vollstreckt, wenn sie ziemlich bald, spätestens etwa innerhalb eines Monats nach Rechtskraft vollstreckt wird. Man kann den armen Verurteilten — in diesem Falle ist er nämlich wirklich „arm" — unmöglich monate- und jahrelang im Ungewissen über sein Leben lassen.
    Abschließend möchte ich noch folgendes sagen.
    Wenn Herr Kollege Wagner hier von den Abschrekkungsfaktoren geredet hat, die, wie gesagt, für
    mich nicht von entscheidender Bedeutung sind, so
    möchte ich darauf hinweisen, daß selbstverständlich
    nicht der Strafvollzug, sondern stets nur die Strafandrohung abschreckend ist. Sonst müßten ja dauernd Führungen durch die Zuchthäuser stattfinden.
    Sonst müßte ja bei jedem Vollzug einer Geldstrafe
    eine gewisse Schar von Zuschauern zugegen sein,
    um zu sehen, wie die Strafe abgeführt wird. Daß
    man die Todesstrafe heute gottlob nicht mehr als
    öffentliches Schauspiel, sondern hinter verschlossenen Kerkermauern vollzieht, buchen wir als einen
    Akt der Menschlichkeit; denn das wäre weiß Gott
    nicht geeignet, für den Staat besonders zu werben.

    (Zuruf links: Aha!)

    Meine sehr geeinten Damen und Herren! ich
    hoffe, Sie haben aus meinen Ausführungen entnommen, daß jedenfalls ich und meine Freunde
    zur Todesstrafe nicht aus politischen Erwägungen
    Stellung nehmen, daß wir ihre Verneiner also nicht
    im geringsten anders als ihre Anhänger werten.
    Aber die Dinge sind im Fluß, sind schon lange im
    Fluß und werden im Fluß bleiben. Auf jeden Fall
    hoffe ich, daß wir alle meilenfern sind von jenem
    die Staatsmoral untergrabenden Satz, der nach dem
    ersten Weltkrieg aufgestellt wurde und der da
    lautete: „Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig!" Das erkennen wir hoffentlich alle nicht mehr
    als wahr an! Welche Konsequenzen man aber aus
    dem schlimmsten und fluchwürdigsten Verbrechen
    ziehen soll, das ist schließlich eine innere Entscheidung, die uns politisch nicht zu trennen braucht.

    (Beifall bei einem Teil der DP.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Kleine Damen und Herren! Ich spreche für eine Minderheit meiner Fraktion und möchte damit zum Ausdruck bringen, daß wir in dieser Frage die völlige Gewissensfreiheit gewahrt wissen wollen. Diese Minderheit meiner Fraktion ist wie die damaligen Vertreter der Deutschen Partei im Parlamentarischen Rat für die Beibehaltung des Art. 102, und zwar aus sehr schwerwiegenden, letzthin im Gefühl der Verantwortung vor Gott beruhenden Gründen. Ich habe einmal auf einem alten Richtschwert einen Spruch entziffert, der lautete: „Sobald ich dieses Schwert aufheben tu, gebe Gott dem armen Sünder die ewige Ruh." Dieser Spruch hat mich tief berührt, denn er gibt etwas wieder von dem nicht in Worte zu fassenden, fast sakralen Gehalt, von dem unerhörten Ernst, der hinter dieser Strafe steht. Ich könnte mir denken, daß ein Mörder, in dem das Menschliche nicht erstorben ist, unter Umständen durstig ist nach dieser ewigen Ruhe und die Qual, Pin ganzes Leben die Untat mit sich herumzutragen, kaum ertragen kann. Diese große Würde, die bei der Todesstrafe gilt, die ja den letzten Ernst des Rechtes verkörpert, diese große Würde und dieser letzte Ernst sind durch die Schinderknechte der Totalität geschändet worden.
    Es ist nichts mehr vorhanden von diesem alten ernsten Ahnengeist, der aus dem Spruch auf dem Richtschwert spricht.
    Wir stehen hier nach meiner persönlichen und nach der Auffassung einer Minderheit meiner Fraktion vor einer kriminalpolitisch neuartigen Erscheinung. Wer die in den letzten Jahren nach dem Krieg geschehenen Mordtaten, die besonderen Falle verfolgt hat, wer Überlegungen daran geknupft und sie etwas analysiert hat, wird dabei auf zwei Erscheinungen treffen. Die eine ist alt und ist nach jedem Krieg aufgetreten: das sind reine Bestialitäten. Das andere aber ist etwas vollkommen Neues; es sind aus der mechanistischen Gesinnung unserer Welt, aus der Verapparatung unseres Daseins hervorgegangene Taten. Wir stellen hier fest, daß das Gewissen völlig erstorben ist. Da wird gemordet, wie man einen Nagel einschlägt oder wie man etwas auf den Mülleimer der Verwesung wirft. Ich bin persönlich der Überzeugung, daß es keine Abschreckung und überhaupt keine Strafart gibt, die dieser grauenvollen Erscheinung gerecht werden kann, nachdem die Todesstrafe durch die totalitären Systeme zu einem Liquidieren im Verwaltungswege, zu einem Werfen auf den Schindanger geworden ist. Ich möchte hier an die Darstellung von Ernst Jünger in „Die Marmorklippen", an das Bild von Röppels-Bleek erinnern. Dort ist in der Dichtung am besten und am tiefsten dargestellt, was in der totalitären Entwicklung geschehen ist. Seitdem diese Entwicklung von dem letzten Ernst der Todesstrafe das Eigentliche, die tiefste, innerste Verantwortung fortgenommen hat, hat sie, so glaube ich, ihre bedeutungsvolle Wirkung eingebüßt.
    Es gibt auch Fragen, bei denen man in der Demokratie nicht nur auf das hören sollte, was man dann so „das Gefühl des Volkes" nennt. Eine Demokratie muß auch einmal voranschreiten, Autorität gewissermaßen von oben her bilden.

    (Abg. Dr. Schmid: Richtig!)

    Bei dieser Frage, bei dieser letzten Entscheidung gegen die Gewalt, handelt es sich um ein Voranschreiten, um den Mut zur Entscheidung.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich begrüße persönlich die ernsten, im wahren Sinne guten Darlegungen der Frau Kollegin von der Sozialdemokratischen Partei, Frau Meyer-Laule, außerordentlich. Sie hat nach meinem Gefühl das kriminalpolitische Problem wahrhaft erhellt. Ich möchte mich aber zugleich auch dagegen wenden, in dem Antrag der Bayernpartei gewissermaßen nur einen Vorspann für andere Absichten zu sehen. Meine Damen und Herren, wir sollten uns in diesem Hause unbedingt davor hüten, bei Dingen, die aus dem innersten Gefühl und einer wahrhaft guten Überlieferung begründet werden können und begründet werden — ich möchte behaupten, daß tatsächlich die Mehrzahl der Angehörigen unseres Volkes so- empfindet —, gegenüber einer solchen, sagen wir ruhig, konservativen Einstellung eine Kritik anzuwenden, die der Verwurzelung solcher Gedanken in keiner Weise gerecht wird.

    (Sehr richtig! bei der BP.)

    Wir, die Minderheit meiner Fraktion, sind der Auffassung, daß wir das Grundgesetz, so wie es nun einmal geworden ist, nun auch als etwas Bestehendes, als etwas Festes ansehen sollten. Unsere Zeit leidet im tiefsten daran, daß die Substanz, daß die eigentlichen inneren Werte in Zweifel gezogen worden sind, daß sie analysiert, veranalysiert werden, daß alles irgendwie fließend und flüchtig


    (Dr. von Merkatz)

    geworden ist. Gegen diese Zersetzung unseres abendländischen Geistes müssen wir Front machen und gerade aus der Veranwortung gegenüber der Krise des abendländischen Denkens die festen Punkte mutig — auch von der Seele her gesehen — finden und dann dafür eintreten, uns nicht bescheinigen lassen, daß wir in schwankender Zeit selbst schwankend gesinnt sind. Wir haben hier nun einmal eine mutige Entscheidung gefunden, um die hart gerungen worden ist. Lassen wir sie doch stehen!
    Es ist eine kriminalpolitische Erfahrung: ob mit
    oder ohne Todesstrafe, die Morde, die bestialischen
    Taten bleiben sich gleich. Verkennen Sie doch nicht:
    die Todesstrafe ist ja nicht die schnell auf das Verbrechen folgende Rachetat, aus dem innersten Gefühl geboren, sondern sie ist eine Strafe, die mit
    einer düsteren Weihe umgeben ist, und man kann
    sie, wenn man sie rechtfertigen will, auch nur in
    dieser düsteren Weihe sehen. Man darf dabei nicht
    in die leidenschaftlichen dunklen Bezirke versinken,
    sozusagen in die Blutopfer vor den alten Urgöttern.

    (Abg. Dr. Schmid: Aber dann auf offenem Markt, Herr von Merkatz, und jeder soll daran tragen müssen!)

    - Dieser Einwand von Herrn Professor Schmid gibt dem Problem, wie ich es auch sehe, das richtige Bild: dann auf offenem Markt! Aber ich möchte behaupten, daß dann genau so, wie es im Mittelalter war, nachdem das Strafrecht immer weiter verwilderte, die Bestialität der Untaten steigen würde,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    daß so genau das entgegengesetzte Ergebnis zustande kommen würde. Denken Sie doch hier etwas an die Tradition unserer strafrechtlichen Entwicklung. Eine bedeutende Tat, aus dem Geiste des Humanismus geboren, war damals die Carolina. Die Carolina war ein umstürzendes Werk; und es ist interessant, daß nach der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in dem ja zwei Drittel des Bevölkerungsbestandes Deutschlands vernichtet wurden, eine Humanisierung des Strafrechts begonnen hat. Ich denke hier an Benedikt von Carpzow und an die gesamte Entwicklung, die schließlich zu dem Ergebnis geführt hat, daß man in der Josephinischen Zeit zum ersten Mal zu einer Aufhebung der Todesstrafe schritt. Alles das sollte uns zu denken geben. Wir stehen hier genau in der großen Spannung zwischen dem Menschlichen und dem Unmenschlichen. Ich glaube, daß man die europäische Kulturkrise unserer Tage unter diesem großen Spannungszustand zwischen Menschlichem und Unmenschlichem sehen kann. Haben wir jetzt den Mut zum Menschlichen!

    (Beifall bei der DP, in der Mitte und bei der SPD.)