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ID0105206800

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    Deutscher Bundestag — 52. Sitzung. Bonn, Montag, den 27. März 1950 1873 52. Sitzung Bonn, Montag, den 27. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1874C, 1925C Zur Tagesordnung . . . . . . 1784D, 1892B Erste Beratung des von der Fraktion der Deutschen Partei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 609) 1874D Dr. von Merkatz (DP), Antragsteller . . . . . . . . 1875A Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wuermeling, Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Bundesbeamtengesetzes (Drucksache Nr. 618) . . . . . . . 1875D Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedereinführung der Befreiung nichtöffentlicher Schulen und Erziehungsanstalten von der Umsatzsteuer (Drucksache Nr. 656) . . . . . 1876A Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 1876A Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Reichsleistungsgesetzes, des Leistungspflichtgesetzes im Lande Hessen sowie des Notleistungsgesetzes in WürttembergHohenzollern (Drucksache Nr. 657) . . 1877B Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 1877B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache Nr. 704) 1877D Loritz (WAV) . . . . . . . 1878A Renner (KPD) 1878B Erste Beratung des von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zahlung der Pensionsvorschüsse und Unterhaltsbeihilfen an die im Art. 131 des Grundgesetzes angeführten Personengruppen (Drucksache Nr. 668) . . . 1878D Dr. Nowack (FDP), Antragsteller 1878D Krause (Z) 1879D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (Drucksachen Nr. 685 und 350) . . . 1879D Brookmann (CDU), Berichterstatter 1879D Frau Korspeter (SPD) 1880D Frau Dr. Brökelschen (CDU) 1882B, 1889D Krause (Z) . . . . . . . . 1884A Kohl (KPD) 1884D Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 1886C Priebe (SPD) 1887C Euler (FDP) . . . 1888B Farke (DP) 1888C Frau Döhring (SPD) 1889A Zweite und dritte Beratung des Gesetzes über die Versorgung der Familienangehörigen von Kriegsgefangenen und Internierten (Drucksachen Nr. 760 und 522) 1890B Langer (FDP), Berichterstatter . . 1890C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für die unständigen Hafenarbeiter (Hafensonderbetrieb) (Drucksache Nr. 632) . . . . . . . 1891 B Storch, Bundesminister für Arbeit . 1891C Unterbrechung der Sitzung . . 1892A Erste Beratung des von der Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wiedereinführung der Todesstrafe (Drucksache Nr. 619) 1892C Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller . . . . . . . 1892C, 1919A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 1895D Wagner (SPD) 1896D Dr. Kleindinst (CSU) 1904B Dr. Hammer (FDP) 1905A Dr. Laforet (CSU) 1906B Frau Meyer-Laule (SPD) . . . 1906D Loritz (WAV) 1908A Ewers (DP) 1909C Dr. von Merkatz (DP) 1911B Neumayer (FDP) 1912B Renner (KPD) 1914C Dr. Miessner (DRP) 1917D Dr. Schmid (SPD) 1918B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 1913D Schröter (CDU) 1914A Renner (KPD) . . . . . . . 1914 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt (Drucksache Nr. 628) 1921A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter (Drucksache Nr. 699) 1921A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Ausschluß des Umtauschs und der Bareinlösung außer Umlauf gesetzter Postwertzeichen (Drucksache Nr. 711) . . . . . . . 1921B Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksachen Nr. 770 und 630) . . . 1921B, 1925A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP), Berichterstatter . . . . . . . . 1921B Dr. Schneider (FDP) . . . . . . 1921D Euler (FDP) (zur Geschäftsordnung) 1925A Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse von Bundestagsabgeordneten aus dem Beamtenverhältnis (Drucksache Nr. 720) 1923B Dr. Kleindinst (CSU), zur Geschäftsordnung . . . . . . 1923C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Entwurf einer Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) (Drucksache Nr. 745) 1923D Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter 1923D Nächste Sitzung 1925C Die Sitzung wird um 10 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Emmy Meyer-Laule


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ein Fachmann des Strafrechts und einer unserer größten Rechtsphilosophen, der vor wenigen Monaten verstorbene Professor Gustav Radbruch, der sich ein Leben lang für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzte und der den Artikel 102 des Staatsgrundgesetzes wie ein Gnadengeschenk begrüßte, sagte schon im Mai letzten Jahres in weiser Vorahnung dessen, was heute


    (Frau Meyer-Laule)

    nach wenigen Monaten des Inkrafttretens dieses Artikels zur Debatte steht, folgendes:
    Seien wir auf der Hut, wenn vorübergehende Volksstimmungen die Rückgängigmachung einer humanen Tat fordern sollten, die uns als ein guter Anfang eines neuen Zeitalters durch weitblickende Verfassungsgesetzgeber geschenkt worden ist.
    Die Antragsteller möchten gegenüber der gesteigerten Kriminalität auf das schärfste unter den Strafmitteln nicht verzichten. Sie glauben, mit der Wiedereinführung der Todesstrafe das Allheilmittel gefunden zu haben, und vergessen dabei, daß diese Abschreckungstheorie wirkungslos geworden ist bei einer Generation, die allein durch das Wort „liquidieren" dokumentiert hat, daß sie den Menschen einem leblosen Objekt gleichsetzte,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und der das Wort „umlegen" in zynisch kalter Ausdrucksweise vom Munde ging.

    (Beifall.)

    In einer Zeit, wo Härte eine heroische Tugend und die Achtung vor dem Menschenleben in erschreckendem Maße zersetzt war, wo Geisel- und Justizmorde an Tausenden von Menschen demonstriert wurden, da haben diese Menschen die Angst vor dem Tode genau so verloren wie die Ehrfurcht vor dem Leben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Gerade diese Vergangenheit ist es ja, die die Urinstinkte nach sogenannter Vergeltung wachrief, und unsere Pflicht wird sein, an ihrer Stelle den Ruf nach Menschlichkeit zu erheben in der Überzeugung, daß nur über die Vermenschlichung der Zustände eine höhere Moral und Gesittung erreicht werden kann.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Solange aber die Moral auf der Demontageliste steht, wird es die Pflicht dieses Hohen Hauses sein, der. Zerstörung von sittlichen Werten mit allem Nachdruck entgegenzutreten.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Die Kriminalität wird durch die Wiedereinführung der Todesstrafe nicht gemindert werden, was ja die Statistiken beweisen. Wenn die anderen Staaten die Todesstrafe noch beibehalten, darf das für uns kein Vorbild sein, wenn wir uns ernsthaft zu den Grundsätzen der Humanität auf allen Gebieten des privaten und öffentlichen Lebens bekennen. Das Bekenntnis zur Humanität verpflichtet uns ja, täglich die Frage vorzulegen: Was haben wir in der Bundesrepublik getan, um die Kriminalität einzudämmen? Es vergeht doch kaum ein Tag, an dem uns nicht die menschliche Tragödie in irgendeiner Form zum Bewußtsein gebracht wird. Ich glaube, daß bei einem großen Teil der Kriminellen der Ursprung in den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten liegt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir Sozialdemokraten machen uns die Erfahrungen und Erkenntnisse des großen Rechtslehrers Franz Liszt zunutze, der sagte: Eine gute Sozialpolitik ist die beste Kriminalpolitik.

    (Beifall bei der SPD.)

    Lassen Sie uns diese Weisheit gemeinsam in die
    Wirklichkeit umsetzen, und ich glaube, Sie werden dann keine überfüllten Zuchthäuser mehr haben.
    Der Antrag Nr. 619 kommt mir so vor, wie wenn ein Hausbesitzer aus den Fundamenten seines neugebauten Hauses, das er nicht liebt, die Steine
    herausbricht, weil ihm der Grundriß dieses Hauses von Anfang an mißfallen hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die Achtung vor dem Gesetz bedingt aber auch die Achtung vor dem Grundgesetz als Fundament des staatlichen Aufbaus.

    (Zuruf von der BP: Das kann man aber ändern!)

    Wir Sozialdemokraten bejahen die Abschaffung der Todesstrafe von ganzem Herzen und sehen darin die Erfüllung einer Forderung der Menschlichkeit und den ersten kühnen Schritt von der Bestialität der Vergangenheit in die Humanität einer neuen Zeit. Ich möchte die Antragsteller fragen, wie sie ihre Forderung mit dem christlichen Gewissen vereinbaren wollen.

    (Zuruf von der BP.)

    Das göttliche Gebot „Du sollst nicht töten" befiehlt uns doch, daß wir keinem Menschen das Recht zugestehen dürfen, einem anderen das Leben abzusprechen. Wir wissen, daß es Menschen gibt, die den tausendfachen Tod verdient hätten; aber wir wissen auch, daß der Tod keine Sühne, oft nicht einmal eine Strafe ist, weil er von diesen Menschen ja nur als Ende gewertet wird. Die Strafe, lebenslänglich verurteilt zu sein, läßt durch das Gewissen sühnen und gibt dem Verurteilten die Möglichkeit, sich zum Menschentum zurückzufinden.
    Der beste Beweis dürfte der Ihnen doch wohl allen bekannte Fall Ernst von Techow sein, der im Rathenau-Prozeß zu 15 Jahren verurteilt wurde und in dieser Zeit der Besinnung eine Umwandlung zum Guten durchmachte. Nach seiner Begnadigung auf Grund der Hindenburg-Amnestie lebte er in Südfrankreich und verhalf -während der Zeit des Nazi-Regimes unzähligen deutschen Emigranten unter Einsatz seines Lebens zur Flucht.

    (Händeklatschen bei der SPD.)

    Aus welchen Motiven der Wille, gutzumachen, entsprang, mag dahingestellt sein. Ich möchte annehmen, daß es ein Brief von einer Mutter an eine Mutter war, den die Mutter Rathenaus nach dem Todes ihres Sohnes an die Mutter von Ernst von Techow geschrieben hat:
    In tiefstem Schmerz reiche ich Ihnen, ärmste aller Frauen, die Hand. Sagen Sie Ihrem Sohn, daß ich ihm verzeihe, wie auch Gott ihm verzeihen möge.
    Dieser Brief ist ein Stück Weltgewissen, entsprungen aus den tiefen Lebensquellen Güte und Liebe. Lassen Sie diesen Brief von der Mutter Rathenaus nicht ungeschrieben, nicht umsonst geschrieben sein! Lassen Sie uns abseits auch von einer gerechten Empörung an das Gute im Menschen glauben! Und beginnen wir damit, beginnen wir alle damit, die Gebote Gottes zu leben.

    (Beifall bei der SPD und beim Zentrum.)

    Bevor Sie sich entscheiden, ob Sie diesem Antrage Ihre Zustimmung geben, bitte ich Sie, meine Herren, einmal darüber nachzudenken, wie Sie sich verhalten würden, wenn Ihr eigenes Kind, durch Veranlagung oder Verführung aus der Bahn geworfen, dem Strafrichter zur Aburteilung zugeführt würde. Und wenn wir zu den Leidgetroffenen gehörten, hätten wir die Kraft der Mutter Rathenaus, zu verzeihen? Die Entwicklung unseres Volkes
    in diese Richtung zu lenken, sollte Endziel unserer Arbeit sein. Mag die Argumentation der Antragsteller noch so beweiskräftig geführt werden, wir werden und müssen diesen Antrag in Ehrfurcht vor dem Leben und in der Überzeugung ablehnen,


    (Frau Meyer-Laule)

    daß nur über eine soziale Neuordnung eine moralische Neuordnung erreicht werden kann.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte, bei der FDP und bei der DP.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was heute alles fur und wider die Todesstrafe gesagt worden ist, das ist seit vielen, vielen Hunderen von Jahren von den Juristen durchdacht worden. In jedem einfachen Lehrbuch des Strafprozeßrechtes konnen Sie darüber das Nähere finden. Vielleicht war es nicht nötig, sich wegen all dieser Dinge die Köpfe so zu zerreden, wie das hier tatsachlich geschehen ist. Es ist ja weiß Gott bei der heutigen Debatte schon ziemlich stürmisch zugegangen. ich glaube, daß dazu keinerlei Veranlassung vorlag. Das Problem sollte abseits jeder Polemik untersucht werden.
    Ich möchte mich zu den Theorien für und wider im einzelnen garnicht äußern. Ich möchte nur eines sagen, nachdem immer und immer wieder davon gesprochen wurde, die Gerechtigkeit erfordere die Bestrafung des Mörders mit der Hinrichtung. Ich glaube, ich habe Sie recht verstanden, Herr Dr. Etzel, und möchte Ihnen eines antworten: wenn wir auf dem Boden des Christentums stehen, so können wir überhaupt mit dem Wort „die Gerechtigkeit verlangt dies" keine Bestrafung vornehmen; denn in der Bibel heißt es ganz klar: Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!

    (Heiterkeit.)

    Ganz klar und eindeutig!

    (Zurufe von der CDU.)

    — Herr Kollege, es ist sehr nutzlos, darüber zu lachen. Ich bitte Sie, diese Ausführungen mit dem nötigen Ernst entgegenzunehmen, so wie sie auch gemeint sind.

    (Zuruf von der CDU: Diesmal wurde nicht über Sie gelacht!)

    - So, diesmal wurde nicht über mich gelacht; dann nehme ich das dankend zur Kenntnis.
    Mit der Forderung nach Gerechtigkeit können Sie überhaupt kein Urteil begründen, wenn Sie auf dem Boden des Christentums stehen. Eine ganz andere Begründung nur kann vorgebracht werden von den Anhängern der Todesstrafe, nämlich die Begründung mit der abschreckenden Wirkung dieser Strafe. Ich kann meiner sehr verehrten Frau Vorrednerin, deren Ausführungen sehr interessant waren, hier nicht ganz zustimmen, wenn sie meint, durch die Verrohung der letzten Jahre und Jahrzehnte sei eine solche abschreckende Wirkung in Wegfall gekommen. Das stimmt nicht. Ich könnte Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung als Rechtsanwalt sofort das Gegenteil beweisen. So ist es nicht. Daß man heute mit dem Umlegen so freigebig geworden ist — leider! —, das trifft doch immer nur im Verhältnis auf andere zu. Andere sollen umgelegt werden, ja, mit diesen Dingen sind heute leider Millionen sehr oberflächlich geworden. Aber wenn es um das Selbst-Umgelegtwerden geht, ist trotzdem eine abschreckende Wirkung da, wenn der Betreffende weiß: ich riskiere meinen Kopf, wenn ich einen anderen Menschen ums Leben bringe.
    Ich kann Ihnen auf Grund von Besprechungen mit verschiedenen Leuten, die unter Mordverdacht standen und teilweise auch deswegen abgeurteilt
    wurden, ganz klar sagen, daß zweifelsohne gerade auf die primitiven Menschen die Aussicht, hingerichtet zu werden, wenn sie einen Menschen ums Leben bringen, abschreckend wirkt. Darüber gibt es gar keinen Zweifel, und ich glaube, die Rechtsanwälte hier, die schon eine Reihe von Kapitaldelikten zur Verteidigung überantwortet bekommen haben, werden mit mir wohl derselben Auffassung sein.

    (Zuruf von der CDU: Sehr richtig! — Abg. Dr. Greve: Keineswegs.)

    — Ich danke Ihnen für diese Zustimmung, Herr Kollege von der CDU; das interessiert mien sehr. Ich habe schon mit einer Reihe von Kollegen gesprochen, auch hier, die keineswegs unserer Partei angehören, und ich habe eigentlich überall das bestatigt gefunden, was ich selbst als Wahrnehmung so oft gemacht habe. Darüber müßte man weiß Gott sehr ernst debattieren, ohne Hin- und WiderZwischenrufe.
    Gibt es denn etwas anderes, was dem Hingerichtetwerden in seiner abschreckenden Wirkung gleichkommt?

    (Abg. Renner: Vierteilen! Vierteilen!)

    — Herr Kollege Renner, machen Sie doch nicht wieder solche Zwischenrufe!

    (Abg. Renner: Das ist die Logik!)

    — Nein, das ist keine Logik, sondern diese Logik schreibt man mit „eh" in diesem Falle, Herr Kollege Renner. Ich habe nicht gefragt, ob es noch abschreckendere Dinge gibt, sondern ich habe gesagt und gefragt: gibt es etwas, was wir als Ersatz der Todesstrafe dann anwenden können und was ebenso abschreckend auf die Mordgesellen wirken wird wie die Aussicht, hingerichtet zu werden?

    (Sehr richtig! bei der WAV.)

    Da möchte ich Ihnen eines sagen: Ich glaube nicht, daß die Aussicht, eingesperrt zu werden, sei es auch lebenslänglich, Leute, die zum Morde neigen, im entscheidenden Moment davon abhalten wird, einen Mord zu begehen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Das glaube ich nicht. Diese Sorte Menschen, mit denen jeder Strafverteidiger schon zu tun gehabt hat, wird nur durch eine ganz massive Drohung zurückgehalten.

    (Abg. Dr. Schmid: Aber trotzdem, trotzdem haben die Leute doch gemordet, Herr Loritz!)

    — Ich weiß es, Herr Professor. Das ist vollkommen richtig. Aber umgekehrt wissen Sie nicht und weiß ich nicht, wieviele Menschen davon abgehalten worden sind, einen Mord zu begehen. Wenn man die Psychologie dieser Leute kennt, dann muß man sagen: ein sehr großer Teil wird nur durch die Aussicht darauf, hingerichtet zu werden, davon abgehalten, andere Menschen zu ermorden.
    Wir möchten — wir werden einen diesbezüglichen Antrag im Ausschuß stellen lassen —, daß der Herr Bundesjustizminister uns statistische Zahlen vorlegt, und zwar erstens: wie hat sich die Abschaffung der Todesstrafe bei uns auf diese Kapitaldelikte ausgewirkt, zweitens: wie sieht es in anderen europäischen Ländern aus, wo in der jüngsten Zeit die Todesstrafe abgeschafft worden ist? Ich denke an die Schweiz, wo verschiedene Kantone gerade in der allerletzten Zeit die Todesstrafe abgeschafft haben, und an verschiedene andere Länder. Vielleicht könnte man daraus einiges entnehmen. Aber ich bin sicher, ein großer Teil der Mörder , der Menschen, die einen Mord begehen wollen, wird


    (Loritz)

    im letzten Moment dadurch aufgehalten und gehemmt, daß sie wissen, sie werden selbst ihren Kopf verlieren!
    Nun zu einer ganz anderen Frage: sollen wir im jetzigen Augenblick die Todesstrafe wieder einführen, was wir nur durch verfassungsänderndes Gesetz können? Sollten wir das jetzt tun? Da möchte ich Ihnen eines gleich sagen: mir graut es davor, wenn ich das befürworten müßte. Mir graut es davor, solange unsere Strafprozeßordnung noch so wenig entwickelt ist, solange es leider gewisse Gerichte gibt, die meines Erachtens bei der Beurteilung der Strafrechtsfälle etwas vorschnell vorgehen. Ich will mich nicht noch drastischer ausdrücken. Solange es das gibt, graut es mir davor, die Wiedereinführung der Todesstrafe zu empfehlen. Das ist nicht etwa erst seit gestern und heute so.
    Ich kann mich noch sehr wohl erinnern, als ich als junger Rechtsanwalt eine Mordsache zu bearbeiten hatte, in der auf Grund eines anscheinend lückenlosen Indizienbeweises eine Ehefrau zum Tode verurteilt wurde und ihr Geliebter zu einer sehr langjährigen Zuchthausstrafe verurteilt werden sollte. Es war dies ein Fall in Niederbayern. Die Ehefrau hatte des öfteren vor Zeugen, die die erregten Auseinandersetzungen_ zwischen den Ehegatten mit angehört hatten — die Ehe war zerruttet —, erklärt: du, Kerl, dich werde ich nochmal hinüberbefördern! Wenn dich nur der Teufel holen würde, usw. usw. Gerade aus diesen Dingen wurde vom Schwurgericht Passau der Schluß gezogen, daß hier die Frau von Anfang an eine Mordabsicht gehabt hätte. Es kam ein unglücklicher Zufall hinzu. Der Ehemann ist plötzlich gestorben. Obwohl Professor Friedrich von Müller als Sachverständiger, eine allererste Kapazität, sagte, die Erscheinungen beim Tode seien so gewesen, daß er, Professor Friedrich von Müller, auf Paratyphus geschlossen hätte, hat sich das Gericht auf das Urteil des Gerichtsmediziners, eines Obermedizinalrats Soundso, gestützt und die Frau verurteilt. Die Strafe ist dann später umgewandelt worden, wenn ich mich nicht irre, aber immerhin! Wenn ich mir all diese Dinge durch den Kopf gehen lasse — ich hatte den Mann zu verteidigen, der wegen Beihilfe angeklagt war; er wurde freigesprochen, nebenbei bemerkt—,

    (Heiterkeit)

    dann muß ich sagen: bei einem so unvollkommenen Strafprozeßrecht, wie wir es noch haben, möchte ich davor zurückschrecken, die Wiedereinführung der Todesstrafe im jetzigen Moment zu befürworten. Immerhin, der Herr Bundesjustizminister möge dem Ausschuß rasch statistisches Material an die Hand geben!
    Besonders bedauerlich erscheint es mir allerdings, wenn ausgerechnet diese Sache zum Anlaß genommen wird, einen Abänderungsantrag zur Bundesverfassung jetzt zu stellen. Da gäbe es noch andere Dinge: Wie einer meiner Herren Vorredner sagte, die Geschichte mit dem konstruktiven Mißtrauensvotum zum Beispiel. Na, einen derartigen Abänderungsantrag würden auch wir unterstützen,

    (Heiterkeit)

    weil wir wissen, daß sehr viel Scherben oder noch viel mehr Scherben entstehen können, als sie so schon entstanden sind durch die Verunmöglichung von Mißtrauensvoten.
    Ich möchte aber nicht befürworten, jetzt ausgerechnet die Frage ob Todesstrafe oder nicht, wo die Meinungen sogar in den Kreisen der Juristen und der Verteidiger geteilt sind, zum Anlaß zu nehmen, gegen unsere Verfassung Sturm zu laufen und hier
    eine Debatte heraufzubeschwören, die heute manchmal so aussah, als würden sich einige gegenseitig in die Haare geraten.

    (Zurufe: Na, Na!)

    So schaute das von den hinteren Bänken gesehen aus, diese sehr erhitzten gegenseitigen Zwischenrufe und so fort!
    Darf ich Ihnen nochmals zusammenfassend sagen: Ich selbst bin an sich ein Befürworter der Todesstrafe für Mord. Ich bin aber nicht in der Lage, heute schon, noch dazu, nachdem nicht genügendes statistisches Material vorliegt, und wo die Zusammensetzung der Gerichte so oft noch sehr ungenügend ist, einer entsprechenden Abänderung unserer Verfassung das Wort zu reden. Das ist es, was ich namens der WAV Ihnen zu diesem Problem sagen möchte!

    (Beifall bei der WAV.)