Rede von
Paul
Krause
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DZP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DZP)
Meine Damen und Herren! Zunächst einmal ist es zu begrüßen, daß endlich der Punkt 1 der uns allen ja bekannten „Uelzener Beschlüsse" vom 11. Juli 1949 bundeseinheitlich geregelt wird, wie das schon von den Flüchtlingsverwaltungen der Länder des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, damals also der britischen und der amerikanischen Zone, gewünscht worden ist. Zweitens darf man feststellen, daß bereits in der - ich glaube — 50. Sitzung des Bundestages von dieser Stelle aus von mir erklärt worden ist, daß die politische Entscheidung über die uns nun schon seit Monaten beschäftigende Notaufnahmeverordnung durch den fast einstimmig gefaßten Beschluß des Bundestages leicht gemacht worden ist, der die Bundesregierung damals beauftragt hat, gegen die von der Hohen Kommission verhängte Aufnahmesperre für die aus dem zur Zeit polnisch verwalteten Gebiet jenseits der Oder und der Lausitzer Neiße, aus der Tschechoslowakei und aus Polen ausgewiesenen Deutschen zu protestieren.
Wenn wir uns nun die heutige Vorlage ansehen, so darf man zunächst einmal sagen, daß der Bundestag heute ganz ohne Frage vor der vielleicht schwierigsten Entscheidung steht, die wir auf diesem Gebiet bisher zu fällen gehabt haben. Es ist mir klar, daß die Frage der Aufnahme von Deutschen aus der russischen Zone und die Frage, unter welchen Bedingungen, wahrscheinlich in allen Fraktionen sehr eingehend behandelt worden sind. Wir von der Zentrumsfraktion können nur wünschen, daß man den Absatz 2 des § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfes großzügig anwendet, das heißt großzügig darüber entscheidet, was als „zwingender Grund" im Sinne des § 1 Absatz 2 anzusehen ist. Wir wünschen also, daß der Begriff einer „drohenden Gefahr für Leib und Leben, für die persönliche Freiheit", aber auch der Begriff „aus sonstigen zwingenden Gründen" möglichst großzügig ausgelegt wird. Die Mitglieder der Aufnahmeausschüsse im Sinne des § 2 des Gesetzentwurfs sollten erst als Menschen und erst dann als Beamte bzw. Beauftragte der Bundesregierung handeln! Wer einmal Gelegenheit gehabt hat, sich den Betrieb in den Aufnahmelagern Uelzen und Gießen anzusehen, der wird wohl mit mir der Auffassung sein, daß das, was sich in Uelzen und Gießen tut, eine der größten menschlichen Tragödien der Nachkriegszeit ist.
Dasselbe, was wir von dem § 2 und seiner Anwendung auf die Beauftragten der Bundesregierung gesagt haben, gilt selbstverständlich auch für die eventuell notwendige Rückführung, von der im Absatz 2 des § 2 a die Rede ist.
Bei dem ganzen Gesetzentwurf geht es ja, wie von meinen verehrten beiden Vorrednerinnen schon ausgeführt worden ist, letztlich darum, wie der Absatz 2 des § 1 des Initiativantrags der SPD in der Praxis zu verstehen ist und was aus den Beschlüssen des 8. Ausschusses des Bundestages nun herauskommen soll. Es läßt sich nicht leugnen, daß diese Tatsache dem ganzen Gesetzentwurf auf dem Gebiet der Innenpolitik eine ungeheuer verantwortungsschwere Bedeutung gibt. Wenn man bedenkt, daß durch das evtl. fast ungehinderte Einströmenlassen von Millionen und aber Millionen aus der russischen Zone hier in den Westzonen die Wohnungsnot, die Arbeitslosigkeit und überhaupt die ganze soziale Lage immer noch mehr verschärft werden, so weiß man wirklich nicht recht, welche Entscheidung man in diesen Dingen vor Gott, dem Volk und seinem Gewissen treffen soll. Ich befürchte, daß bei Annahme des Initiativantrags, der ja heute von der SPD, wie wir eben hörten, wiederholt worden ist, eine neue Übervölkerung insbesondere der mit Heimatvertriebenen reichlichst belegten Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern erfolgen könnte. Auch ich bin der Meinung, daß, wie die Frau Kollegin Dr. Brökelschen eben gesagt hat, die SPD bei der Einbringung ihres Antrages zweifelsohne von ehrlichstem Willen ausgegangen ist. Ich glaube aber, daß die Fassung, die der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen jetzt gefunden hat — indem er den Regierungsentwurf mit dem Antrag der SPD und umgekehrt gekoppelt hat —, den Dingen nach Lage der gegenwärtigen innenpolitischen Situation doch weitestgehend Rechnung trägt, nämlich daß eben die besondere Erlaubnis für den ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet nur solchen Personen erteilt werden soll, die wegen einer drohenden Gefahr für Leib und Leben, für die persönliche Freiheit oder aus sonstigen zwingenden Gründen die in Absatz 1 des § 1 genannten Gebiete verlassen mußten.
Aus allen diesen Gründen wird meine Fraktion diesmal im Sinne des Ausschußantrags stimmen.