Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat seine Ausführungen mit dem Appell an alle Parteien geschlossen, an diesem Werk mitzuarbeiten. Aus den Schlußworten des Herrn Bundeswohnungsbauministers haben Sie bereits vernehmen können, daß dieser Wunsch nicht nur für die Zukunft gilt, sondern sich erfreulicherweise in gewissem Umfang, sogar in erheblichem Umfang bereits verwirklicht hat; denn in dem Wohnungsausschuß dieses Hohen Hauses ist für die Gestaltung der künftigen Wohnungspolitik tatsächlich eine Reihe von wichtigen Übereinstimmungen erzielt worden. Unsere Hoffnung ist es, daß diese Übereinstimmung nicht nur eine solche des Ausschusses bleibt, sondern auch zu einer Übereinstimmung des gesamten Hauses wird.
Wir haben im Wohnungsausschuß in Fragen Übereinstimmungen erzielen können, die ganz entscheidende Abweichungen von dem Regierungsentwurf bedeuten. Wenn ich auch für meine Partei und nach meiner eigenen persönlichen Überzeugung nicht in der Lage bin, alle Ansätze des Regierungsentwurfs zu akzeptieren, so muß ich doch sagen: es besteht eine gute Möglichkeit, zu einem besseren Gesetz zu gelangen, wie es ja an sich überhaupt die Aufgabe jedes Gesetzentwurfes ist, zu einem besseren Gesetz zu werden.
Das gilt beispielsweise auch für die Frage der Mehrjährigkeit des Bauprogramms, für die die Lösung in dem Entwurf noch verneint wurde. Sie alle, soweit Sie direkt oder indirekt mit diesem Gebiet befaßt sind,' wissen, daß wir in jedem Winter die große Krise des Wohnungsbaus haben. Wenn wir an die Lösung des Problems ernsthaft gehen wollen, ist es notwendig und unvermeidlich, dafür zu sorgen,. daß es diese saisonalen Schwankungen nicht gibt, daß sie vielmehr durch eine rechtzeitige Planung — Planung in dem Sinne verstanden, wie sie für ein solches Gesetz allein verstanden werden kann —, durch eine rechtzeitige Ordnung der Dispositionen des nächsten Jahres beseitigt werden können und das Problem so in positivem Sinne gelöst wird. Die Lösung brauchen wir zu Beginn des Winters, und es darf nicht etwa so sein, wie es leider geworden ist, daß erst mit dem Auslauf des Winters die Beratungen des Gesetzes stattfinden müssen.
So erfreulich es auch ist, daß die Bundesregierung den Gedanken eines Wohnungsbaugesetzes aufgenommen hat — Sie erinnern sich ja, daß uns von einer Organisation in den ersten Tagen des September, als dieser Bundestag zum ersten
Mal zusammentrat, bereits ein Entwurf vorgelegt wurde; man findet sogar zwischen dem Regierungsentwurf und jenem zitierten Entwurf eine gewisse Verwandtschaft —, so bedauerlich ist es doch, daß soviel Zeit vergehen mußte, und zwar nicht etwa für die positive Gestaltung, sondern sogar mit der Wirkung, dem ursprünglichen Entwurf, der in den Ministerien entstanden war, manche moderne Lösung und manche grundsätzliche Lösung zu nehmen und an deren Stelle die Vertröstung auf die Zukunft zu bringen.
Meine Damen und Herren, das gilt insbesondere auch für die Frage der Enteignung des erforderlichen Baulandes. Hier ist aber im Ausschuß ebenfalls eine wichtige Übereinstimmung erzielt worden, nämlich dahin, daß die Bundesregierung bei den Beratungen über das Wohnungsbaugesetz ersucht werden soll, spätestens bis zum Hochsommer dieses Jahres ein Enteignungsgesetz über Bauland vorzulegen, das notfalls sogar über die Schranken des Grundgesetzes hinausgeht, weil diese Schranken des Grundgesetzes den Bedürfnissen für die Versorgung des Flüchtlingswohnungsbaus und des sozialen Wohnungsbaus mit Bauland nicht gerecht werden. Sie sehen also, daß die sachlich unabhängig von der politischen Einstellung anerkannten Notwendigkeiten bereits eine Fülle von Übereinstimmungen ergeben haben, die es nach meiner und unserer Auffassung nicht nur zu erhalten, sondern so zu erweitern gilt, daß eine grundlegende Lösung für den Wohnungsbau zustande kommen kann.
Gerade weil uns sehr an der grundlegenden positiven Lösung liegt, gestatten Sie mir, eine Reihe von Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Wohnungsbauministers zu machen, um zu zeigen, wo noch offene Punkte der Lösung bedürfen. Ich möchte zunächst einmal darauf hinweisen, daß die Länder in ihrer Tätigkeit für die Zukunft hier etwas zu gering eingestuft worden sind. Das sage ich nicht aus Föderalismus, sondern ich sage das deswegen, weil die Länder in der Vergangenheit die einzigen Träger des Wohnungsbaus waren und neben ihnen der Bund sich seine Position erst erobern muß, die er nach dem Grundgesetz nur neben ihnen, aber nicht an ihrer Stelle haben kann. Wir müssen die volle Leistungsfähigkeit der Länder erhalten und die Leistung des Bundes dazubringen. Denn nur aus der Addition beider Kräfte können wir zu einem Mehr an Leistung gegenüber dem Vorjahr gelangen. Nur so wird es möglich sein, die wahrscheinliche Zahl von 1949, die nach den Schätzungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers bei 170 000, nach anderen Schätzungen bei 200 000 liegt, wirksam zu überschreiten. Und auf diese wirksame Überschreitung kommt es an.
Erfreulicherweise hat der Herr Wohnungsbauminister in seiner Übersicht über die Finanzierung nicht nur das Aufkommen von 2,5 Milliarden zahlenmäßig skizziert, sondern er ist, wenn ich richtig addiert habe, bereits auf 2,75 Milliarden gekommen. Das heißt, er wäre nach seiner Aufstellung in der Lage, 270- bis 280 000 Wohnungen zu finanzieren. Wir hoffen sehr, daß die Zahlen, die er ausgesprochen hat, durch die Realität, durch die reale Entwicklung des Jahres 1950 bestätigt werden. Meine Damen und Herren! Das ist aber noch nicht sicher, sondern in dieser Rechnung sind so viele Unbekannte, daß wir bis jetzt nur etwa 70 Prozent der Summe als sicher ansehen können.
Deutscher .Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 1393