Meine Damen und Herren! Wir Kommunisten haben uns stets für die Rückführung der Kriegsgefangenen aus allen Ländern, in denen es solche gibt und gab, eingesetzt. Wir haben alles getan, was in unserer Kraft steht, um diese Rückführung zu beschleunigen und den Heimgekehrten und ihren Familien in der Heimat eine sichere Existenzgrundlage zu verschaffen. Wir haben es aber stets abgelehnt, und wir lehnen es auch in diesem Augenblick mit aller Entschiedenheit ab, daß das Problem der Rückfüh-
rung der restlichen Kriegsgefangenen in dieser tendenziösen Form, wie sie bisher von allen bürgerlichen Parteien und der SPD-Führung praktiziert worden ist und wie das auch in den heute vorliegenden Anträgen wieder geschieht, zu einer Steigerung der Völkerverhetzung und der Kriegshetze ausgenutzt wird. Wir verwahren uns dagegen, daß westdeutsche Minister und Westdeutsche Parteiführer wider besseres Wissen — so behaupten wir — diesen ihren „Kampf" um die Heimführung der Kriegsgefangenen ausschließlich gegen die Sowjetunion und die Volksdemokratien ausrichten, daß sie ihn auf der Grundlage von Zahlen führen, die jeder realen, kontrollierten und damit offiziellen Basis entbehren.
Der Herr Bundeskanzler hat hier gesagt, daß das der Regierung zugegangene Material gesammelt, gesichtet und geprüft werden solle. Herr Bundeskanzler, wäre es nicht richtiger gewesen, wenn Sie das Ergebnis dieser Sammlung und Prüfung abgewartet hätten, ehe Sie aus dem Ihnen bisher angeblich zugeleiteten Material diese Konsequenzen, die Sie öffentlich ausgesprochen haben, zogen?
Wir verwahren uns dagegen, daß diese Propaganda mit den Kriegsgefangenen zu einer Hetze gegen den Frieden mit allen Völkern der Welt, auch mit der Sowjetunion, benutzt wird, und wir sagen Ihnen auch ausdrücklich, daß wir so lange berechtigt sind, an Ihrer wirklichen Hilfsbereitschaft den Kriegsgefangenen gegenüber zu zweifeln, solange diese Kriegsgefangenen hier nach ihrer Heimkehr mit ihren Familien diesem Elend ausgesetzt bleiben, für das Sie verantwortlich sind.
Wir verwahren uns vor allen Dingen dagegen, daß diese Regierung und ihre Parteiführer bisher nichts getan haben, um den Hinterbliebenen der Kriegsgefallenen und Vermißten das Material über die tatsächlichen Kriegsverluste zugänglich zu machen. Es sind heute Zahlen über die angebliche Höhe der Kriegsgefangenenziffer genannt worden. Ich zitiere amtliches Material der Kontrollkommisssion. Nach einem amtlichen Bericht dieser Kontrollkommission der vier Besatzungsmächte wurden nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Wehrmacht 8 106 046 Kriegsgefangene in Deutschland entlassen. Davon gingen 732 213 in die französische, 3 387 033 in die amerikanische, 837 828 in die sowjetische und 3 138 972 in die britische Besatzungszone. Zur Zeit der Moskauer Außenministerkonferenz im März 1947 gab es amtlichen Berichten zufolge 2 370 093 Kriegsgefangene außerhalb Deutschlands, die sich in den USA, Großbritannien, Frankreich, der Sowjetunion sowie Polen, Jugoslawien und in anderen Ländern befanden und seitdem größtenteils entlassen wurden. Das ergibt die Zahl von rund 10 Millionen entlassener Kriegsgefangener. Dazu kommen 4,5 Millionen Angehörige der Wehrmacht, die während des Krieges gefallen oder als kriegsuntauglich aus dem Heer ausgeschieden sind, sowie die Zahl der Soldaten, die in den Wochen des Zusammenbruchs sich der Gefangennahme durch die Truppen der Vereinten Nationen entziehen konnten.
Der Verbleib von ungefähr 141/2 Millionen Angehörigen der Naziwehrmacht und des Volkssturms ist demnach erwiesen. Da aber während
der Dauer des Krieges etwa 16 Millionen Deutsche zum Kriegsdienst eingezogen waren, können über den Verbleib der restlichen 1,5 Millionen Wehrmachtangehörigen nur die Listen der ehemaligen Wehrmachtauskunftstellen in Saalfeld und Meiningen, die in die Hände der Amerikaner fielen, Auskunft geben. An die Amerikaner müßte die Mahnung gerichtet werden, diese Totenlisten endlich herauszugeben.
— Ganz bestimmt nicht; und warum, werde ich am Schluß sagen.
Der deutsche Schriftsteller Paul Körner, Schwabach, der während des Krieges Einblick in die Geheimbefehle des deutschen Oberkommandos erhielt, schrieb vor kurzem in einem Offenem Brief folgendes:
Bereits um die Weihnachtszeit 1941 waren die ungeheuer anwachsenden Verluste und deren Verheimlichung Gegenstand einer Besprechung einer Feldkommandantur der 181. I. D. in Witebsk. Es wurde ein Divisionsbefehl vorgeschlagen und später auch erlassen, der den Truppenangehörigen verbot, Mitteilungen privater Natur an die Angehörigen Kriegsgefallener zu geben. Die zu Rate gezogenen Gräberoffiziere gaben bekannt, daß sie nicht in der Lage wären, die Leichen ordnungsgemäß zu bestatten, da es ihnen an Personal mangele, um die Nachlässe der Toten vorschriftsmäßig zu verwalten, zu registrieren und an die Angehörigen zu versenden. Die Beisetzung, wie es die Heeresverordnung besagte, war nicht möglich, ebenfalls nicht möglich die Benachrichtigung der Angehörigen.
In diesem Offenen Brief heißt es weiter:
Da durch den starken Frost und das Fehlen von Winterbekleidung die Zahl der Todesfälle durch Frostschäden erheblich wuchs, mußte man beispielsweise bei Welikije die Toten im Freien aufstapeln wie Eisenbahnschwellen,
ohne eine Todesbenachrichtigung an die Verwandten zu schicken. Man schrieb ihnen, daß ihr Angehöriger seit dem und dem Tage vermißt würde. Alsbald fanden sich aber gelegentlich Angehörige desselben Truppenteils ein, um in dem Stapel der Toten nach Bekannten oder Verwandten zu suchen, so daß man Posten aufstellen ließ, die den Zutritt zu dem Leichenstapel verhindern mußten. Man meldete diese Toten einfach als Vermißte mit dem Zusatz, daß die Möglichkeit naheliege, daß sie ein Opfer der Partisanen geworden seien. Es handelt sich hier um Einheiten einer schwäbischen Division, insbesondere um die Infanterie-Regimenter 352 und 353. Das letztere wurde in kurzer Zeit aufgerieben.
— „Geheime Kommandosache" heißt es in diesem Offenen Brief.
Aber die Gemeinheit ging noch weiter.
Mitte Januar 1942 wurde im Bereich des Versorgungsgebietes Dnjestr ein Befehl als „Geheime Kommandosache" versandt, in dem ganz präzise angeordnet wurde, daß alle an Frostschäden verstorbenen Unteroffiziere und Mannschaften als vermißt zu melden seien.
Meine Damen und Herren! Heute sind bei der Begründung der drei vorgelegten von den vier tatsächlich vorhandenen Anträgen sehr auseinandergehende Zahlen genannt worden. Ich bin der Auffassung, daß man sich endlich einmal zwischen den Ministerien der Bundesregierung und den Propaganda-Apparaten der sogenannten demokratischen Parteien Westdeutschlands auf eine einheitliche Propagandabasis einstellen und einigen sollte.
Vor mir liegt eine Veröffentlichung des Bundesministers für Arbeit, des Herrn Anton Storch, vom 1. Dezember 1949. In dieser Aufstellung über die von den Ländern geschätzte Zahl der Heimkehrer, die nach dem 1. September 1949 noch erwartet werden, ergibt sich für die Länder des Bundesgebietes eine Gesamtziffer von 244 500 noch erwarteten Heimkehrern. Amtliches Material des Herrn Bundesarbeitsministers!
Er gibt eine Erklärung für diese Ziffer! In dem Zusatzschreiben des Ministers heißt es:
Die Schätzungen der Länder liegen wesentlich niedriger als die Schätzungen des Statistischen Amts des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und der Arbeitsgemeinschaft für Kriegsgefangenenfragen in Frankfurt.
Die Länder sind bei den Schätzungen offenbar von Auskünften ausgegangen, die Heimkehrer über die Kriegsgefangenenlager in Rußland und ihre Belegung gegeben haben. während das Statistische Amt bei seinen Schätzungen offenbar auch allgemeine Überlegungen berücksichtigt hat.
Was sind das für allgemeine Überlegungen? Das sind die Überlegungen nach der Seite der Hetze, nach der Seite der Propaganda!