Rede von
Dr.
Erik
Nölting
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Damen und Herren! In Anbetracht der vorgerückten Stunde, nur noch wenige Worte. Es ist von einigen Rednern so hingestellt worden, als ob der ganze sozialdemokratische Antrag letzten Endes höchst überflüssig sei, und es wurde vor allem gesagt, ich selbst hätte hier leeren Theaterdonner gemacht; denn es sei mir ja längst bekannt, welcher Gesetzentwurf bei der Regierung vorliege und welchen sie anzunehmen gedenke. Meine Damen und Herren! Das ist mir nicht bekannt, und das ist -
vielleicht sind die Regierungsparteien besser informiert — jedenfalls der Opposition bis zur Stunde nicht bekanntgeworden.
Ich weiß nur, daß es einen Entwurf Josten gab, daß
Herr Josten aber, wie man in Frankfurt erzählt, in
Ungnade gefallen sei; daß dann ein Herr Risse den
Auftrag bekam und schließlich ein weiterer Entwurf von einem Herrn Günther und einem Herrn
Siewers angefertigt worden ist, bei welchem Gesetzentwurf auch ein 29jähriger Referent meines
Ministeriums eine gewisse Mitwirkung geleistet hat.
Aber gerade dieser junge Herr kam zu mir und sagte, es sei noch absolut unentschieden, ob Herr Professor Erhard gerade diesen Entwurf aus der Schublade herausziehen würde, und das war der Zweck unseres heutigen Antrages: Wir wollten endlich einmal auf den Busch klopfen; denn wir möchten endlich erfahren, wann denn nun dieser Entwurf kommt; und leider haben wir bis zur Stunde auf diese Frage auch heute keine klare Antwort bekommen.
Ich weiß auch, daß eine Studienkommission demnächst nach Amerika reisen soll,
um dort die Kartell- und Trustverhältnisse zu untersuchen. Beabsichtigt Herr Professor Erhard, mit der Einreichung seines Entwurfs so lange zu warten, bis diese Studienkommission, die ja noch nicht einmal zusammengestellt, geschweige denn abgereist ist,
von Amerika zurückkommt, und in welcher Zeit hofft er, die Ergebnisse dieser Studienkommission in seinen Gesetzentwurf hineinarbeiten zu können? Uns beunruhigt die Sorge, daß, wie verläßlich mitgeteilt worden ist, die Alliierten nicht mehr lange zusehen werden, daß die Regierung fackelt, und dann könnten wir eine böse Überraschung erleben.
Ich glaube also, unser Antrag war höchst notwendig, und hoffentlich führt er zu den Konsequenzen, die wir uns von ihm versprechen, insbesondere zu jener Tempobeschleunigung, die uns dringend erwünscht erscheint. Wenn allerdings Herr Professor Erhard meinte, daß es notwendig sei, zu einem Sitten-, Rechts- und Ehrenkodex zu gelangen, — nein, meine Damen und Herren, das ist ein zu schmales Rezept, und das reicht keinesfalls aus!
Ich habe mit Deutlichkeit erklärt: wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Ordnung, und ich möchte Klarheit darüber haben, ob im Kabinett noch immer die Ansicht vertreten wird, daß ein solches Gesetz gegen einen Artikel des Grundgesetzes verstößt, — wohl eine Meinung, die der Herr Bundesjustizminister jedenfalls bis vor kurzem vorgetragen hat.
Mir hier zu unterstellen — und davon haben ja die meisten Redner gelebt —, daß uns Sozialdemokraten eine geheime und einseitige Kartellfreundlichkeit erfüllt, nun, meine Damen und Herren, das ist so absurd, daß man darauf zu antworten kaum für nötig befindet.
Ich habe mit aller Deutlichkeit herausgestellt, daß wir uns gegen die Profitsüchtigkeit der Kartelle, gegen Verschachtelung, Verfilzung und Verkalkung des Kapitalismus entschieden wenden. Ich habe davon gesprochen, daß wir keine Klubsessel-Atmosphäre in der Wirtschaft wünschen, daß uns mancher Unternehmer ein reichlich bequemer Karpfen geworden zu sein scheint und daß wir Raubzugsmöglichkeiten ins Land des Konsumenten und des Abnehmers verbauen möchten. Warten Sie die Kritik, die in der Unternehmerpresse erfolgt, ab! Ich bin überzeugt, Herr Professor Erhard wird auch diesmal mehr gelobt werden als der Wirtschaftsminister Nölting. Denn, meine Damen und Herren, der sozialistische Wirtschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen ist bisher mit Lob der Industrie nicht übermäßig verwöhnt worden.
Dafür, meine Damen und Herren, werde ich bisweilen von den Gewerkschaften gelobt, während Herr Professor Erhard sein Lob mehr von den Industrie- und Handelskammern erhält.
Ich bin mit dieser Arbeitsteilung durchaus einverstanden.
Herrn Kollege Schäfer darf ich noch sagen, daß ich nicht von einer Refeudalisierung, sondern lieber von einer Entartung des Liberalismus reden möchte, die ich schmerzlich beklage, und zwar entartet dieser Liberalismus auf eine doppelte Weise: Er verriet das Konkurrenzprinzip nach innen und wird dadurch monopolistisch; er verriet das Freihandelsprinzip nach außen und wird so imperialistisch. Das ist die kapitalistische Spätphase, und Sie müssen es unter dieser Doppeldeutigkeit sehen.
Und nun zum Schluß noch folgendes, damit mir nicht die ehrenwerten Sportler morgen auf die Bude rücken. Herr Kollege Etzel, ich habe nicht behauptet, daß man sich auf einem Fußballplatz gegenseitig die Schienbeine eintritt. Ich habe gesagt — und das wird das Protokoll ausweisen —, daß man sich bei einem undisziplinierten Spiel leicht die Schienbeine eintreten könnte, und ich möchte nicht, daß die Wirtschaft einem Fußballplatze gleicht, auf dem es so undiszipliniert zugeht. Sehen Sie, deshalb können wir zu Kartellen und zu Monopolen nicht ein primitives Ja, aber auch nicht ein primitives Nein und „Pfui Teufel!" finden. Wir können Ihre Marktwirtschaft nicht einfach glorifizieren, und deshalb müssen wir dafür sorgen, daß notwendige Ordnungsfunktionen erhalten bleiben. Aber der Sozialdemokrat weiß Ordnungs- und Ausbeutungsfunktionen zu unterscheiden, und niemand wird uns an Kartellgegnerschaft übertreffen, wo es um Ausbeutungsfunktionen geht. Ich hoffe, daß Professor Erhard bei der Besetzung seines Monopolamtes uns zeigen wird, daß auch er von ehrlicher Monopolfeindschaft erfüllt ist.