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ID0103202300

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    Vokabeln: 7
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1950 981 32. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Januar 1950. Geschäftliche Mitteilungen 982A Niederlegung des Mandats des Abg. Leibbrand 982B Antrag der Abg. Loritz, Dr. Richter und Dr. Reismann auf Einberufung des Ältestenrats zwecks Aussprache über den Ausschluß des Abg. Goetzendorff für 20 Sitzungstage . . , 982B Dr. Miessner (NR) (zur Geschäftsordnung) 982C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht (Drucksache Nr. 405) 982D Dr. Nölting (SPD), Antragsteller 982D, 1001C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 987D, 1002D Etzel (CDU) 991B Rische (KPD) 993A Aumer (BP) . . . . .. . . . 995A Loritz (WAV) 996B Dr. Schäfer (FDP) 997D Dr. Bertram (Z) 1000A Dr. von Merkatz (DP) 1001A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den LohnsteuerJahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 (Drucksachen Nr. 463 und 430) . . 1003B Bodensteiner (CSU), Berichterstatter 1003B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im 2. Rechnungshalbjahr 1949 (Drucksachen Nr. 464 und 318) . . . . 1004A Dr. Besold (BP), Berichterstatter 1004B Morgenthaler (CDU), Antragsteller 1005A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1006A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über die Anträge der Fraktion der WAV betr. Benzinpreiserhöhung, der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf 'Aufhebung derselben, der Abgeordneten Rademacher, Stahl, Dr. Oellers, Dr. Schäfer, Dr. Wellhausen und Fraktion der FDP betr. Preiserhöhung für Treibstoff (Drucksachen Nr. 465, 331, 363 und 384) . 1007A Dr. Schröder (CDU), Berichterstatter 1007A Loritz (WAV) 1007C Dr. Preusker (FDP) 1008B Dr. Veit (SPD) . . . . . . . 1008D Renner (KPD) 1010A Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Deutsche Kriegsgefangene und Internierte in der Sowjet-Union (Drucksache Nr. 378) in Verbindung mit der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Zurückhaltung von 400 000 Deutschen in der Sowjet-Union (Drucksache Nr. 432) und der Interpellation der Abgeordneten Höfler und Fraktion der CDU/CSU betr. Deutsche Gefangene in Jugoslawien (Drucksache Nr. 411) 1011B Farke (DP), Antragsteller 1011C, 1012B Höfler (CDU), Interpellant . . . . 1011D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 1012B Unterbrechung der Sitzung . 1013D Renner (KPD) 1013D Pohle (SPD) 1017C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier und Genossen betr. Wiederherstellung der deutschen Jagdhoheit (Drucksachen Nr. 400 und 147) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Rahmengesetzes für die Jagd (Drucksachen Nr. 401 und 229) 1018A Lübke (CDU) Berichterstatter . . . 1018A Dr. Fink (BP) 1018C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Dr. Holzapfel und Genossen betr. Gesetz über die Liquidation des ehemalig reichseigenen Filmeigentums (Drucksachen Nr. 402 und 34) 1019B Dr. Dr. Lehr (CDU), Berichterstatter 1019B Brunner (SPD) 1022B Rische (KPD) 1022C Aumer (BP) 1023C Löfflad (WAV) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . 1024C Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 1024C Die Sitzung wird um 1'4 Uhr 12 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem uns vorliegenden Antrag der SPD habe ich folgendes zu sagen. Wir sind selbstverständlich mit einer Überweisung des Antrags an den Ausschuß und einer dort folgenden sehr eingehenden Beratung einverstanden.

    (Zuruf rechts: Na also!)

    Der Antrag der SPD enthält Sätze, die wahrscheinlich von 90 Prozent der Mitglieder dieses Hauses unterschrieben werden könnten, so zum Beispiel den Satz, daß die Regierung beauftragt
    wird, den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, das den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ausschließt, die zu einer Benachteiligung der Konsumenten führen und die Steigerung des volkswirtschaftlichen Leistungsvermögens gefährden kann, ebenso daß auch jede Preistreiberei ausgeschaltet wird und endlich einmal alle diejenigen eliminiert werden können, die hier Riesengewinne auf Kosten des notleidenden Volkes machen. Das sind alles Dinge, die wir ohne weiteres unterschreiben können. Wir identifizieren uns selbstverständlich nicht mit irgendeiner Art des Sozialismus. Aber wenn man diesen Antrag richtig liest, so braucht man ihn in diesen Antrag der SPD keineswegs hineinzukonstruieren, wie das von seiten der Regierungsbank hier versucht worden ist.
    Ich möchte zu dem, was Herr Professor Dr. Erhard vorher erklärt hat, nur ein paar Sätze sagen.

    (Zuruf in der Mitte: Aha!)

    Das war der eigentliche Grund, warum ich mich jetzt zu Wort gemeldet habe.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Bei dem Satz des Herrn Professors Erhard, in dem er von dem Bodensatz an struktureller Arbeitslosigkeit sprach, hat es mir als einfachem Staatsbürger und als Christ und Mensch einen Stich gegeben. Wenn man schon von der CDU ist, von der Christlich-Demokratischen oder Christlich-Sozialen Union, dann sollte man niemals Menschen in Verbindung mit einem Bodensatz setzen! Die Menschen sind das Höchste, was es gibt, und sie sind das Wichtigste für den Staat und für diese Welt. Gerade die christliche Lehre gebietet es uns allen, in jedem Menschen den Mitbruder zu sehen und danach zu handeln. Wir wenden uns schärfstens dagegen, daß man hier auch nur mit dem Gedanken spielt, als müsse bei irgendeiner Wirtschaftsordnung — heiße sie, wie sie wolle — ein Bodensatz von Arbeitslosigkeit — scilicet von armen Menschen, von Arbeitern, die kein Brot verdienen können — vorhanden sein. Wir sind der Auffassung, daß es einen solchen Bodensatz nicht geben darf, schon aus humanen und christlichen Gründen, und daß es gar keinen geben darf und k a n n angesichts der ungeheuren Arbeitsgelegenheiten und Arbeitsmöglichkeiten, die auf mehrere Generationen hinaus in diesem Lande existieren. Wir glauben, daß die Arbeitslosigkeit, so wie sie heute herrscht, eine ganz andere Ursache hat, als Herr Professor Erhard und einige Sprecher von der Regierungsseite gestern und heute uns weiszumachen versucht haben. Die Arbeitslosigkeit ist nämlich nur ein Zeichen für die Unfähigkeit dieser Regierung, eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu treiben, staatliche Aufträge zu geben usw. Sagen Sie mir ja nicht, das Geld sei nicht vorhanden. Das Geld ist dazu vorhanden.

    (Zuruf in der Mitte: Dann man zu!)

    — Jawohl, es wird nur in einem unglaublichen Umfang verwirtschaftet. Es wird dazu verwendet, Tausende und Zehntausende von Leuten in gewissen staatlichen Stellen von oben bis unten Woche für Woche und Monat für Monat zu finanzieren, und zwar Leute, die überhaupt keine Ahnung von der Wirtschaft haben, die ihren ursprünglichen Beruf, den sie gelernt haben, wieder ausüben sollten; sie sollten aber nicht als Oberregierungsräte, als Leiter der Wirtschaftsämter und als Ministerialdirektoren über Dinge -gesetzt


    (Loritz)

    werden, die sie überhaupt nicht gelernt haben und nicht verstehen.

    (Zuruf von der FDP: Das haben Sie gestern schon einmal erzählt!)

    Und nun zu einem weiteren Ausspruch des Herrn Professors Erhard: Er meinte, die riesige Zunahme an Arbeitslosen in den letzten Monaten sei nur eine „saisonale Zunahme", wie er sagte. Es wundert mich schon wirklich, daß der maßgebliche Wirtschaftsminister in Deutschland so etwas sagt, obgleich ein einziger Blick auf die Statistik ihn vom Gegenteil überzeugen könnte. Ich habe eine Ziffer vor mir: Arbeitslosenzunahme im Lande Bayern in der vorvorigen Woche. Es war eine Zunahme von insgesamt 20 000 Personen in einer einzigen Woche. Von diesen 20 000 Personen ist keineswegs der größere Teil, nicht einmal die Hälfte, Bauarbeiter gewesen, sondern es handelt sich zum größten Teil bereits um eine rein strukturelle Zunahme der Arbeitslosigkeit bei Berufen, die mit Saisonschwankungen und dem Eintritt des Winters überhaupt nichts zu tun haben.
    Herr Professor Erhard, Sie kennen die Verhältnisse bei uns doch sehr genau; denn Sie waren ja einmal bayerischer Wirtschaftsminister. Sind Ihnen die Entlassungen bei Steinheil, den optischen Firmen in München, und anderwärts bekannt? Was hat denn das mit dem Eintritt des Winters zu tun? Das hat mit ganz anderen Dingen zu tun, Herr Professor Erhard, von denen ich gestern schon kurz gesprochen habe. Und so ist es auch bei einer Reihe von anderen Unternehmungen. Ist es wahr oder nicht, Herr Professor, daß wir zur Zeit nicht einmal die Stahlquote ausnutzen, die uns von den Alliierten zugestanden ist, und daß wir sogar unter dieser Ziffer bleiben? Wenn das aber wahr ist, Herr Professor, dann handelt es sich hier um keinerlei durch den Eintritt der Winterzeit bedingte Schwankungen, die man mit dem Satz abtun könnte: „das war schon immer so", sondern dann handelt es sich um eine Erkrankung des Wirtschaftslebens bei uns, die sich zur Zeit in immer fortschreitendem Maße bemerkbar macht. Dann wäre es eigentlich an der Zeit, daß die Regierung andere Maßnahmen dagegen treffen würde, als nur den Kopf in den Sand zu stecken und immer wieder Dementis herauszugeben und zu sagen: „die Sache ist ja gar nicht so schlimm und kein Anlaß zur Beunruhigung!"
    Das nur wollte ich gesagt haben, nachdem Herr Professor Erhard heute zum Antrag der SPD wieder das Wort ergriffen hat. Die Arbeitslosigkeit hat nichts mit den einzelnen verschiedenen Systemen zu tun, über die wir heute zwei Professoren sich hier streiten gehört haben, sondern die Arbeitslosigkeit ist direkt verursacht durch das Unvermögen und die Unfähigkeit der heutigen Bundesregierung ebenso wie der Länderregierungen, Arbeitsbeschaffung in größtem Umfange und Aufträge durchführen zu lassen, für die die Projekte schon lange da sind. Denken Sie nur an die Wasserkraftwerke und die Wohnbauten, für die bei vernünftiger Leitung dessen, was an Steuern eingeht, auch die Mittel vorhanden sind und für die die Arbeiter in ganz großem Umfange ebenfalls bereitstehen. Das möchten wir von der WAV zu den Ausführungen des Herrn Professors Erhard gesagt haben.
    Was den Antrag der SPD anbetrifft, so werden wir uns gegen jeden Versuch wenden, auf dem
    Wege über Kartelle das freie Kaufrecht und Verkaufsrecht der Deutschen irgendwie zu beeinträchtigen. Wenn man weiß, daß die Anzüge nicht unwesentlich dadurch verteuert werden, daß in gewissen Gebieten Deutschlands die Schneidermeister ihre Stoffe nicht etwa direkt bei der Fabrik kaufen können und dürfen, sondern daß hier Verabredungen vorliegen, nur gewisse Großhändler zu beliefern, so war das leider auch schon früher der Fall. Heute sind wieder solche Dinge im Gange mit dem Ergebnis, daß dadurch eine Verteuerung des Stoffes eintritt und damit der Anzüge, also eines der lebenswichtigsten Güter, die es wohl gibt. Wenn man weiß, daß auf dem Gebiet anderer wichtiger Waren ebenfalls solche Bestimmungen herrschen, dann muß man hellhörig werden gegenüber dem Mißbrauch von Kartellen. Wir wenden uns auch dagegen, daß durch Kartelle Leute; die gut produzieren können, weil sie in ihrem Unternehmen eine vernünftige Wirtschaft führen, gezwungen werden, höhere Preise zu verlangen, weil einige Stümper nicht in der Lage sind, ihre Fabriken entsprechend gut zu rationalisieren. Gegen alle diese Dinge wenden wir uns. Wenn der Antrag der SPD — und wir werden das ja in den Ausschüssen sehen können — auch das bezweckt, dann werden wir ihn wärmstens unterstützen.
    Das ist die Auffassung der WAV zum Kartellierungsproblem. Durch die Äußerungen des Herrn Professors Erhard sind wir leider zum großen Teil in der heutigen Debatte von dem Kern des uns vorliegenden Antrages abgewichen, weil Professor Erhard versucht hatte, die Arbeitslosenziffer mit diesen Dingen in Verbindung zu setzen. Aber es war notwendig, gegenüber dem immer noch vorhandenen ganz unfaßbaren und rätselhaften Optimismus des Herrn Wirtschaftsministers einige Worte zu sagen, — des Herrn Wirtschaftsministers, der anscheinend gar nicht merkt, wie die Vertrauensbasis für ihn und seine Kollegen bei der Bevölkerung draußen immer schmäler und schmäler wird, weil immer weitere Hunderttausende von Mitbürgern in unserem Lande nicht .mehr Arbeit und Brot haben!

    (Beifall bei der WAV.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat einen großen Katalog der Dinge vorgeführt, gegen die er und seine politischen Freunde sich auszusprechen haben. Ich glaube, es würde für die Stellung des Herrn Loritz und seiner Fraktion in diesem Hause nützlicher sein, wenn wir nun bei Gelegenheit auch einmal hören könnten, wie man sich positiv zu der politischen Entwicklung und zu der Gestaltung unseres wirtschaftlichen Lebens zu verhalten gedenkt.

    (Zuruf von der WAV: Mit Vergnügen!)

    Es wäre nämlich wichtig, zu wissen, wie Sie sich die praktischen Wege denken. Es genügt nicht, bloß zu sagen: „Ja, dann gibt es irgendwo Möglichkeiten". Nein, mit irgendwelchen gespensterhaften Möglichkeiten unter der Morgenröte irgendeiner verschwommen gedeuteten Zukunft können wir uns nicht abfinden, weil wir nämlich verantwortungsbewußte Politik treiben, eine Politik, die sich an die Realitäten hält, eine Politik, die von der Wirklichkeit ausgeht und zu


    (Dr. Schäfer)

    praktischen Nutzanwendungen innerhalb dieses staatlichen Lebens kommt, an dessen Entwicklung, an dessen Anfangswerden wir hier mühevoll arbeiten.

    (Bravorufe und Händeklatschen in der Mitte.)

    Das, meine Damen und Herren, sei an den Anfang dieser Ausführungen gestellt.
    Nun ein zweites, ein Wort des Bedauerns! Wir haben vorhin wieder erlebt, als der Antrag begründet wurde, daß der Angehörige der Regierung eines Landes hier in diesem Hause als Abgeordneter gesprochen hat. Ich möchte den Herren von der SPD doch die dringende Bitte vortragen, wirklich einmal ernsthaft die Bedeutung der Inkompatibilität zu erkennen und zu prüfen, ob es unserer staatlichen Entwicklung unter dem Aspekt der demokratischen Funktionenteilung innerhalb einer bundesrepublikanischen Einheit dienlich ist, diesen Weg und diese Methode weiter fortzusetzen.

    (Abg. Loritz: Was hat das mit Kartellen zu tun? Reden Sie zur Sache! — Abg. Renner: Was wollen Sie damit ehrlich sagen?)

    Dann, meine Damen und Herren, zum eigentlichen Gegenstand! Die Dinge liegen da so, daß von der Regierung wiederholt bekanntgegeben worden ist, sie arbeite an einem Entwurf zur Kartell- oder Antimonopolgesetzgebung. Nun ist das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition bei der Vorbereitung von Gesetzen ziemlich ungleich. Die Regierung ist genötigt, um ihrem Entwurf eine gründliche und sachgemäße Fundierung zu geben, mit einer Fülle von Beteiligten zunächst Vorbesprechungen zu halten

    (Zuruf von der KPD: Mit den Konzernen!)

    und alle möglichen Sachverhalte heranzuziehen, also die Gesetzentwürfe gut vorzubereiten. Das braucht die Opposition natürlich nicht zu tun, und infolgedessen ist es für sie ungeheuer leicht, laufend Anträge zu stellen: die Regierung wird ersucht, dieses oder jenes zu tun. Dadurch wird der Eindruck erweckt, als ob die Regierung fortgesetzt des Antriebes der Opposition bedürfe, um überhaupt in Tätigkeit versetzt zu werden.

    (Zuruf von der SPD: Das ist auch richtig!)

    Dabei ist die wirkliche Lage doch so, daß nicht nur die Gesetze vorzubereiten sind, sondern daß wir in Staatsanfängen stehen. Hinzu kommt nämlich die gewaltige Aufgabe, zunächst einmal die administrativen Voraussetzungen für eine funktionierende Exekutive herzustellen.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Ich weiß nicht, ob es richtig ist, daß am Anfang des staatlichen Werdens bestehende Mißverhältnis zwischen Regierung und Opposition und ihren Aufgaben und Funktionen so auszunutzen, wie das hier immer wieder geschehen ist.
    Deswegen, meine Damen und Herren, überlasse ich unsere Stellungnahme zu Einzelfragen der Monopol- und Kartellgesetzgebung der künftigen Aussprache, die sich an die Vorlage des Regierungsentwurfs knüpfen wird.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Ich beschränke mich infolgedessen auf ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu der heutigen Debatte und zu den Auffassungen, die da vorgetragen worden sind.
    Meine Damen und Herren, es geht hier nicht bloß um die Frage des Verhältnisses zum Kartell oder zu sonstigen Monopolen, um die Frage des Eingriffs des Staates in den Ablauf der wirtschaftlichen Entwicklung. Es handelt sich hier nicht nur um eine Frage rein ökonomischer Art. Sie ist für uns auch eine wesentlich politische Frage. Letzten Endes wird hier das Verhältnis von Staat und Gesellschaft, von Staat und Individuum berührt. Es geht um die Frage: Wie verhält sich der Staat, der die Freiheit des Individuums zu schützen hat, zu gesellschaftlichen Sozietäten, die einen Funktionärkörper haben, der seiner ganzen Wesensart nach — das gilt für alle Sozietäten — das Bedürfnis hat, nach einer gewissen Zeit gewisse politische Macht auszuüben und politische Schwerpunkte zu bilden?
    ,(Abg. Rische: Er läßt sich davon beherrschen!)

    — Herr Kollege Rische, das ist eine andere Frage, ob er sich davon beherrschen läßt. Ich sehe diese Herrschaft noch nicht gegeben, aber ich sehe die Möglichkeit einer solchen Herrschaft. Und das ist für uns der entscheidende Gesichtspunkt. Wir meinen, der Staat sei dazu da, auch die Freiheit des Individuums zu schützen, wenn durch gewisse Machtgruppierungen und Machtballungen in der Gesellschaft die Gefahr besteht, daß das Individuum seine Bewegungsfreiheit, auch seine Vereinigungsfreiheit und auch die Freiheit, sich nicht zu vereinigen, verlieren könnte. Das gilt nicht nur für die Monopolgesetzgebung auf dem wirtschaftlichen Gebiete, sondern das gilt für alle Zweige unseres wirtschaftlichen Lebens.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Das ist das, was in diesem Zusammenhang gesagt werden mußte.

    (Zuruf des Abg. Loritz.)

    Wir wollen unter keinen Umständen, daß dieser Staat, der dazu da ist, die Freiheit der vielen zu schützen und zu wahren, von irgendwelchen mächtigen Sozietäten abhängig wird. Insofern bejahen wir das Recht des Staates, in die Bildung von solchen Sozietäten einzugreifen in der Absicht, die Freiheit des Individuums und die Freiheit des Leistungswettbewerbs des wirtschaftenden Menschen zu schützen. — Das ist das eine, was grundsätzlich zu diesen Dingen zu sagen ist.
    Ich habe mich über einige Ausführungen gewundert, die zur Begründung des Antrages gemacht worden sind. Ich habe selten eine solche Umschmeichelung von Kartellinstinkten gehört, wie sie da von dem Sprecher der SPD ausgesprochen worden ist.

    (Lachen bei der SPD.)

    Es ist mit einem geradezu rührenden Mitleid von den Gründen gesprochen worden, von betriebswirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Argumenten, die immer wieder — nun schon seit 20, 30 Jahren —, wenn es um die Verteidigung der Kartelle geht, angeführt zu werden pflegen. Ich habe mich gewundert, sie gerade aus diesem Munde zu hören.
    Ich darf in diesem Zusammenhang nur einige Dinge herausgreifen. Meine Damen und Herren, es ist von der beklagenswerten Folge des Wettbewerbs gesprochen worden, die etwa eintreten könnte, wenn durch allzu rigorosen Wettbewerb einmal ein Betrieb unterliegen könnte. Ja, meine Damen und Herren, es ist noch sehr die Frage, ob es denn volkswirtschaftlich nützlich oder bedauerlich ist, daß ein solcher Betrieb unterliegt. Es kann sich ja auch um die Ausmerzung rückständiger und unerwünschter Betriebsformen handeln. Wir sind nun einmal Anhänger eines


    (Dr. Schäfer)

    wirtschaftlichen Fortschritts, bei dem sich im Wettbewerb der Leistung die neuen Formen immer wieder weiterbilden und die Wirtschaft aus ihren eigenen Elementarkräften nach den ihr eigentümlichen Grundgesetzen ihren Weg in die weitere Zukunft nimmt.

    (Abg. Rische: Das ist der Wolfskampf! Die Kleinen fressen dann die Großen usw.!)

    — Das ist nicht der Wolfskampf, daß die Kleinen die Großen fressen!

    (Abg. Rische: Umgekehrt!)

    Aber es kann so sein, daß der Untüchtige oder der weniger Tüchtige von dem Tüchtigen überrundet wird. Das ist allerdings ein Ausleseprozeß, den wir für ein sehr wesentliches Element der Entwicklung halten. Und zwar gerade in diesem Augenblick. Wir müssen doch nach diesem verlorenen Krieg, nach diesem Zusammenbruch unserer politischen Existenz eine ungeheure Anstrengung machen, um überhaupt wieder in die Höhe zu kommen. Wir müssen doch die Leistungskräfte antreiben und entfalten, um in unser Volk und in unser Wirtschaftsleben die Impulse hineinzutragen, das Äußerste an Leistung zu vollbringen, Neues zu formen und Neues zu wagen. Diese Wagnisbereitschaft wird aber durchaus nicht durch monopolistische Elemente im Wirtschaftsleben sichergestellt. Vielmehr ist manches Monopolstreben darauf zurückzuführen, daß an die Stelle echten Unternehmerdenkens so etwas wie eine Betriebsrentnergesinnung getreten ist. Wir glauben nicht, daß das der richtige Impuls zum Aufstieg ist. Wir wenden uns bewußt nicht an die Ängstlichen und Zaghaften, sondern an die Auftriebswilligen, an die Tatkräftigen, an die Lebendigen und an die Schöpferischen mit all der Folgerichtigkeit, die sich aus dieser Vorstellung ergibt.
    Herr Kollege Nölting hat in diesem Zusammenhang einige Bemerkungen über den Liberalismus gemacht. Er hat gesagt, dive Kartelle seien Kinder des Liberalismus. Ich sehe die Dinge wesentlich anders. Das, was im Grunde genommen zu dieser Betriebsrentnergesinnung geführt hat, die oft hinter der Kartell- oder Monopolbildung gestanden hat, ist nicht Liberalismus, ist nicht der Glaube an das selbstbewußte und selbstverantwortliche Individuum in der Wirtschaft, sondern ist in Wirklichkeit ein nachwirkender Feudalismus, ein Nachwirken der Instinkte, der Neigungen derer, die privilegiensüchtig waren. Nachdem die Privilegien durch die Einführung der Gewerbefreiheit und verwandte Entwicklungen des politischen Lebens weggefallen waren, waren diese Kräfte darauf bedacht, bevorrechtigte Positionen innerhalb des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehens auf neuer Grundlage zu bilden. Diese nachwirkende Denkgewohnheit des Feudalgeistes hat weiß Gott nichts mit dem Liberalismus zu tun, der für meine Freunde und mich der Inhalt unserer politischen Weltanschauung ist.
    Also, meine Damen und Herren, wir haben nicht die Absicht, Monopole zu verteidigen, und wir haben nicht die Absicht, eine wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, bei der denjenigen ein Freibrief ausgestellt wird, die sich unter Mißbrauch der Wirtschaftsfreiheit in die Lage versetzen wollen, wirtschaftliche Privilegien zu schaffen und auszunutzen.
    Wir teilen auch nicht die Meinung, daß auf diesem Wege eine langfristige Erwerbslosigkeit gefördert werden könnte. Die Frage der Vollbeschäftigung hat mit der Erhaltung privater Monopolstellungen wenig zu tun. Es wurde vorhin gesagt, durch den Wettbewerb und durch das Niederkonkurrieren von Betrieben könne eine Gefährdung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit breiter Arbeitnehmerschichten eintreten. Das Umgekehrte haben wir aber auch schon erlebt. Ich entsinne mich, daß man Trusts und Kartelle nur mit dem Ziel bildete, sich dadurch eine besonders starke Stellung auf dem Markte zu schaffen, daß man Betriebe aufkaufte, um sie stillzulegen, daß man also nicht den Willen zur Mehrproduktion, zur Mehrleistung, sondern umgekehrt den Willen zur Drosselung der Leistung zum Gegenstand monopolistischer Politik oder Kartellpolitik machte. Ich kann mich an Fälle erinnern, in denen Patente, die wichtige Neuerungen brachten, nicht ausgenutzt wurden, weil nämlich dadurch bestimmte kartellpolitische Methoden, die sich eingelaufen hatten, schlecht hätten genutzt werden können. Meine Damen und Herren, wenn man die Dinge so sieht, dann sollte man doch davon absehen, das Gespenst der Erwerbslosigkeit an die Wand zu malen, wenn etwa die Kartellpolitik oder eine gewisse Lockerung der Kartelle dahin führen sollte, etwas frischeren Wind in die Wettbewerbsverhältnisse hineinzubringen.
    Ich glaube, daß am Ende d i e Wirtschaft am erfolgreichsten ist, in welcher durch die Auslese des Wettbewerbs die Tüchtigsten, die Wagnisbereitesten und die Schöpferischsten sich durchgesetzt haben, d i e Wirtschaft, die sich auch freigemacht hat von einer manchmal geradezu autoritären Bürokratie, die aus ihr selbst kam. Diese Bürokratie mit all ihren Statistiken und Tabellen,
    mit ihrer Kunstrichtung des Kurvismus beherrschte dabei das betriebswirtschaftliche Denken. Man vermeinte da, wo eigene Ideen über die wirtschaftliche Entwicklung fehlten, aus Statistiken herauslesen zu können, was man eigentlich zu tun habe. Auch diese Erscheinungen werden sich mit Hilfe einer stärkeren Wirkung des Wettbewerbs mäßigen.
    Solche Überlegungen bedeuten nun nicht, meine Damen und Herren, daß wir etwa doktrinäre Anhänger eines riesenhaften Monopolamtes wären. Wir sind viel eher geneigt, an ein Beispiel anzuknüpfen, das im vorigen Jahr die britische Regierung gegeben hat, als sie in einer Art empirischelastischer Form dem Kartellproblem auf den Leib zu rücken versuchte. Das ist dort so geschehen, daß man den verschiedenartigsten Bedingungen für die bisherige Existenz von Monopolen, Trusts, Kartellen oder Syndikaten in variablen Formen und Ordnungen Rechnung trug. Da etwa, wo wir im Wettbewerb mit anderen Ländern mit stark monopolistisch untermauerten Wirtschaftszweigen stehen, können wir zeitweilig nicht unter allen Umständen auf angleichende oder entsprechende Gegenmaßnahmen verzichten. Sonst würde man ja kein echtes Wettbewerbsverhältnis durch Gleichartigkeit der formalen Wettbewerbsbedingungen ermöglichen. Es wird auch nicht immer darauf ankommen, nun kleinlich zu sein und jede Form der Verabredung über ein Formular, über den Abschluß von formalen Bedingungen der Lieferungsverträge gleich zum Gegenstand behördlicher Maßregelung zu machen. Das Entscheidende, das wir für unsere wirtschaftliche und politische Regeneration brauchen, ist einerseits eine Stei-


    (Dr. Schäfer)

    gerung des Wettbewerbs, eine Förderung des wagniswilligen und wagnisbereiten Menschen; es ist andererseits eine Minderung oder Beseitigung der Stützen, die diejenigen erstreben, die in der Betriebswirtschaft lediglich eine Möglichkeit suchen, ohne jedes Wagnis oder ohne jede schöpferische Leistung Rendite unter allen Umständen zu gewährleisten.
    So komme ich also zu dem Ergebnis: Wenn der Staat seine Aufgabe erfüllen soll, die er in dieser wirtschaftlichen und politischen Situation, in der wir uns heute befinden, hat, nämlich die Kräfte des Auftriebs zu entfesseln, dann wird er nicht an einer Monopolordnung vorbeikommen, die die Impulse zum wirtschaftlichen Leistungsstreben und zum unternehmerischen Wagnis steigert.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)