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ID0103202100

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    Vokabeln: 6
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    2. Wort: 1
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    4. Herr: 1
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    6. Loritz.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1950 981 32. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Januar 1950. Geschäftliche Mitteilungen 982A Niederlegung des Mandats des Abg. Leibbrand 982B Antrag der Abg. Loritz, Dr. Richter und Dr. Reismann auf Einberufung des Ältestenrats zwecks Aussprache über den Ausschluß des Abg. Goetzendorff für 20 Sitzungstage . . , 982B Dr. Miessner (NR) (zur Geschäftsordnung) 982C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht (Drucksache Nr. 405) 982D Dr. Nölting (SPD), Antragsteller 982D, 1001C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 987D, 1002D Etzel (CDU) 991B Rische (KPD) 993A Aumer (BP) . . . . .. . . . 995A Loritz (WAV) 996B Dr. Schäfer (FDP) 997D Dr. Bertram (Z) 1000A Dr. von Merkatz (DP) 1001A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den LohnsteuerJahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 (Drucksachen Nr. 463 und 430) . . 1003B Bodensteiner (CSU), Berichterstatter 1003B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im 2. Rechnungshalbjahr 1949 (Drucksachen Nr. 464 und 318) . . . . 1004A Dr. Besold (BP), Berichterstatter 1004B Morgenthaler (CDU), Antragsteller 1005A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1006A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über die Anträge der Fraktion der WAV betr. Benzinpreiserhöhung, der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf 'Aufhebung derselben, der Abgeordneten Rademacher, Stahl, Dr. Oellers, Dr. Schäfer, Dr. Wellhausen und Fraktion der FDP betr. Preiserhöhung für Treibstoff (Drucksachen Nr. 465, 331, 363 und 384) . 1007A Dr. Schröder (CDU), Berichterstatter 1007A Loritz (WAV) 1007C Dr. Preusker (FDP) 1008B Dr. Veit (SPD) . . . . . . . 1008D Renner (KPD) 1010A Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Deutsche Kriegsgefangene und Internierte in der Sowjet-Union (Drucksache Nr. 378) in Verbindung mit der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Zurückhaltung von 400 000 Deutschen in der Sowjet-Union (Drucksache Nr. 432) und der Interpellation der Abgeordneten Höfler und Fraktion der CDU/CSU betr. Deutsche Gefangene in Jugoslawien (Drucksache Nr. 411) 1011B Farke (DP), Antragsteller 1011C, 1012B Höfler (CDU), Interpellant . . . . 1011D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 1012B Unterbrechung der Sitzung . 1013D Renner (KPD) 1013D Pohle (SPD) 1017C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier und Genossen betr. Wiederherstellung der deutschen Jagdhoheit (Drucksachen Nr. 400 und 147) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Rahmengesetzes für die Jagd (Drucksachen Nr. 401 und 229) 1018A Lübke (CDU) Berichterstatter . . . 1018A Dr. Fink (BP) 1018C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Dr. Holzapfel und Genossen betr. Gesetz über die Liquidation des ehemalig reichseigenen Filmeigentums (Drucksachen Nr. 402 und 34) 1019B Dr. Dr. Lehr (CDU), Berichterstatter 1019B Brunner (SPD) 1022B Rische (KPD) 1022C Aumer (BP) 1023C Löfflad (WAV) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . 1024C Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 1024C Die Sitzung wird um 1'4 Uhr 12 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Hermann Aumer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)

    Ich danke Ihnen vielmals, Herr Präsident. Ich freue mich, daß man in Zukunft Gelegenheit haben wird, sich auf all die Dinge genauer vorzubereiten. Ich sehe durchaus ein, daß Interpellationen vielleicht noch schnell vorher auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen über Reden, die vielleicht ein Minister über das Wochenende gehalten hat. Aber in all den wichtigen Dingen müßte man schon tatsächlich die Möglichkeit haben, sich vorher die Unterlagen zu verschaffen. Mir ist dies leider erst in letzter Minute möglich gewesen.
    Nun zu dem Kartellgesetz. Eigentlich könnte mich als einen Vertreter Bayerns diese Frage mehr oder weniger kalt lassen. Denn bei uns in Bayern gibt es keine derartigen großen wirtschaftlichen Machtgebilde.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    — Ich komme sofort darauf, Herr Kollege! — Jedoch die Auswirkungen auf unser Preisgefüge spüren wir natürlich ganz genau so wie Sie. Ich habe mich sehr darüber gewundert, daß die Sozialdemokratische Partei sich nunmehr auf einmal mehr oder weniger auf die Seite der Kartelle stellt. Herr Professor Nölting hat erklärt, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister aus einem Saulus anscheinend ein Paulus geworden sei. Ich glaube, daß die Sozialdemokratische Partei hier ihre Ansicht auch etwas geändert hat. Sie will
    jedenfalls jetzt den Unternehmer anscheinend doch leben lassen.
    Kartelle und Monopole haben in Deutschland immer eine sehr schlechte Presse gehabt. Das hat es mit sich gebracht, daß die Bevölkerung über das, was ein Kartell oder ein Monopol darstellt, nicht richtig aufgeklärt ist. Sie meint im großen und ganzen, es hier mit einer Ansammlung von Hyänen zu tun zu haben, die nichts anderes im Kopf haben, als die Bevölkerung und den Konsumenten auszubeuten. Ich glaube, daß man an diese ganze Frage mit sehr nüchterner Überlegung herangehen muß. Der europäische Markt verlangt unbedingt eine gewisse Ordnung. Bei der Liberalisierung des Handels ist es nicht möglich, in Deutschland ganz und gar ohne irgendwelche Preisabreden auszukommen. Denn wir sehen uns heute in Europa, insbesondere in Frankreich, zentralen und großen Kartellen gegenüber, denen wir nichts Gleichartiges entgegensetzen könnten.
    Ich habe nun aus dem Antrag der SPD erfahren, daß die Bundesregierung sich bereits seit eineinhalb Jahren — ich nehme an, daß damit auch der Wirtschaftsrat in Frankfurt gemeint ist — damit beschäftigt, ein Kartellgesetz vorzulegen. Nun kenne ich die Vorarbeiten im Wirtschaftsrat nicht, und es gibt eine ganze Anzahl anderer Kollegen hier im Hause, die auch nicht vorher im Wirtschaftsrat gewesen sind. Ich hätte mich daher gefreut, wenn die Bundesregierung die Parteien über ihre Arbeiten auf dem laufenden gehalten hätte. Ich habe Gelegenheit gehabt, mir kurz den Josten-Entwurf und auch den Günther-Entwurf durchzusehen. Der Günther-Entwurf ist, glaube ich, mehr oder weniger nur ein abgeschwächter Josten-Entwurf. Ich bin sehr daran interessiert, was nun die Regierung als Kartellgesetz vorlegen wird. Ich hoffe, daß Herr Professor Erhard sich doch nicht so hundertprozentig auf eine Kartellgegnerschaft in jedem Falle festlegen wird. Denn es gibt zweifellos Industrien, die nicht ohne weiteres einem allzu freien Spiel der Kräfte überlassen werden dürfen. Dies würde einen Preiskampf ohne Ende bedeuten, der letztlich die Schließung von schwächeren Industrien oder von Industrien mit sich bringen würde, die sich nicht so gut rühren können. Die Folge wäre eine weitere Arbeitslosigkeit.
    In diesem Zusammenhang möchte ich kurz sagen — ich habe es mir natürlich hauptsächlich in Bayern genau betrachtet —, daß die Arbeitslosigkeit bei uns in Bayern in den letzten Monaten nicht durch den Winter entstanden ist, sondern daß es sich hier schon um eine Arbeitslosigkeit handelt, die durch Ausstellungen, durch Kündigungen und durch Schließung von Betrieben erfolgt ist. Die letzte Folge eines solchen Kampfes unter den Betrieben, wenn die schwächeren abgewürgt sind, würde nur die sein, daß die überlebenden ein Alleinmonopol für den Verkauf ihrer Waren haben.
    Mit großer Befriedigung habe ich zur Kenntnis genommen, daß Herr Professor Erhard mit den Alliierten Verhandlungen gepflogen hat und daß die Alliierten kein Antikartellgesetz herausbringen wollen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Amerikaner in ihren Ansichten immer Kartelle mit Trusts gleichsetzen und eigentlich mit den Preisabredekartellen, wie wir sie hier in Deutschland kennen, nicht so vertraut sind. Ich glaube, daß Abreden einzelner Unternehmer untereinander über einen Preis oder über eine


    (Aumer)

    Marktbegrenzung der freien Marktwirtschaft nicht widersprechen. Ich glaube, daß eher der Eingriff des Staates in diesem Falle einer freien Marktwirtschaft entgegenstehen würde. Wir haben zuerst die freie Marktwirtschaft verkündet bekommen, und jetzt sollen von Regierungsseite aus wieder Einengungen derselben erfolgen. Mir kommt dies vor wie die Echternacher Springprozession: immer zuerst zwei Schritte voran und dann wieder einen Schritt zurück.
    Leider ist hier noch gar nicht darüber gesprochen worden, daß es auch sehr gefährliche Zusammenballungen wirtschaftlicher Macht gibt, die sich in kommunaler oder staatlicher Hand befinden. Ich denke bei uns in Bayern zum Beispiel insbesondere an die Elektrizitätswirtschaft.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es gibt auch noch andere Beispiele. Man könnte ganz kraß auch davon sprechen, daß die Bundesbahn eine solche Machtkonzentration darstellt, die einfach die Frachten und Preise erhöht, wie sie es sich vorstellt. Dabei möchte ich einmal ganz nebenbei sagen, daß ich persönlich der Meinung bin, daß, wenn die Bundesbahn nicht in der Hand des Staates, sondern in der von privaten Unternehmern wäre, sie wahrscheinlich besser liefe und billiger wäre.

    (Zuruf von der SPD: Das würde Ihnen so passen!)

    — Ja, das wäre mir sehr angenehm.
    Meine Partei, die Bayernpartei, ist gegen einen Monopolkapitalismus. Wir glauben jedoch, daß das Kartellproblem allzusehr aufgebauscht wird. Wir wollen jetzt einmal abwarten, wie das Gesetz, das die Regierung uns vorlegen wird, aussehen wird. Wir werden dann die Möglichkeit haben, dieses Gesetz genau zu prüfen, und wir hoffen, daß es sich mit den Prinzipien der freien Marktwirtschaft vereinbaren läßt. Auf jeden Fall sind wir der Meinung, daß man nicht schon wieder eine neue Behörde schaffen soll, die die Kartelle kontrolliert. Wir haben von den Behörden langsam genug, und meiner Ansicht nach haben wir in Deutschland noch allzuviel Behörden. Wir glauben, daß die einzelnen Landeswirtschaftsminister durchaus in der Lage sind, diese Kartelle oder diese Preisabreden entsprechend einem angenommenen Gesetz zu beobachten und zu kontrollieren. Es wird sicherlich in diesem Falle der Bemühungen aller beteiligten Kreise bedürfen, diese nicht einfache Abgrenzungslinie auf diesem schwierigen wirtschaftlichen Gebiet zu ziehen.
    Im übrigen schließe ich mich den Ausführungen des Kollegen Etzel an und stimme ebenfalls für eine Überweisung des Antrags der SPD Drucksache Nr. 405 an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem uns vorliegenden Antrag der SPD habe ich folgendes zu sagen. Wir sind selbstverständlich mit einer Überweisung des Antrags an den Ausschuß und einer dort folgenden sehr eingehenden Beratung einverstanden.

    (Zuruf rechts: Na also!)

    Der Antrag der SPD enthält Sätze, die wahrscheinlich von 90 Prozent der Mitglieder dieses Hauses unterschrieben werden könnten, so zum Beispiel den Satz, daß die Regierung beauftragt
    wird, den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, das den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ausschließt, die zu einer Benachteiligung der Konsumenten führen und die Steigerung des volkswirtschaftlichen Leistungsvermögens gefährden kann, ebenso daß auch jede Preistreiberei ausgeschaltet wird und endlich einmal alle diejenigen eliminiert werden können, die hier Riesengewinne auf Kosten des notleidenden Volkes machen. Das sind alles Dinge, die wir ohne weiteres unterschreiben können. Wir identifizieren uns selbstverständlich nicht mit irgendeiner Art des Sozialismus. Aber wenn man diesen Antrag richtig liest, so braucht man ihn in diesen Antrag der SPD keineswegs hineinzukonstruieren, wie das von seiten der Regierungsbank hier versucht worden ist.
    Ich möchte zu dem, was Herr Professor Dr. Erhard vorher erklärt hat, nur ein paar Sätze sagen.

    (Zuruf in der Mitte: Aha!)

    Das war der eigentliche Grund, warum ich mich jetzt zu Wort gemeldet habe.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Bei dem Satz des Herrn Professors Erhard, in dem er von dem Bodensatz an struktureller Arbeitslosigkeit sprach, hat es mir als einfachem Staatsbürger und als Christ und Mensch einen Stich gegeben. Wenn man schon von der CDU ist, von der Christlich-Demokratischen oder Christlich-Sozialen Union, dann sollte man niemals Menschen in Verbindung mit einem Bodensatz setzen! Die Menschen sind das Höchste, was es gibt, und sie sind das Wichtigste für den Staat und für diese Welt. Gerade die christliche Lehre gebietet es uns allen, in jedem Menschen den Mitbruder zu sehen und danach zu handeln. Wir wenden uns schärfstens dagegen, daß man hier auch nur mit dem Gedanken spielt, als müsse bei irgendeiner Wirtschaftsordnung — heiße sie, wie sie wolle — ein Bodensatz von Arbeitslosigkeit — scilicet von armen Menschen, von Arbeitern, die kein Brot verdienen können — vorhanden sein. Wir sind der Auffassung, daß es einen solchen Bodensatz nicht geben darf, schon aus humanen und christlichen Gründen, und daß es gar keinen geben darf und k a n n angesichts der ungeheuren Arbeitsgelegenheiten und Arbeitsmöglichkeiten, die auf mehrere Generationen hinaus in diesem Lande existieren. Wir glauben, daß die Arbeitslosigkeit, so wie sie heute herrscht, eine ganz andere Ursache hat, als Herr Professor Erhard und einige Sprecher von der Regierungsseite gestern und heute uns weiszumachen versucht haben. Die Arbeitslosigkeit ist nämlich nur ein Zeichen für die Unfähigkeit dieser Regierung, eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu treiben, staatliche Aufträge zu geben usw. Sagen Sie mir ja nicht, das Geld sei nicht vorhanden. Das Geld ist dazu vorhanden.

    (Zuruf in der Mitte: Dann man zu!)

    — Jawohl, es wird nur in einem unglaublichen Umfang verwirtschaftet. Es wird dazu verwendet, Tausende und Zehntausende von Leuten in gewissen staatlichen Stellen von oben bis unten Woche für Woche und Monat für Monat zu finanzieren, und zwar Leute, die überhaupt keine Ahnung von der Wirtschaft haben, die ihren ursprünglichen Beruf, den sie gelernt haben, wieder ausüben sollten; sie sollten aber nicht als Oberregierungsräte, als Leiter der Wirtschaftsämter und als Ministerialdirektoren über Dinge -gesetzt


    (Loritz)

    werden, die sie überhaupt nicht gelernt haben und nicht verstehen.

    (Zuruf von der FDP: Das haben Sie gestern schon einmal erzählt!)

    Und nun zu einem weiteren Ausspruch des Herrn Professors Erhard: Er meinte, die riesige Zunahme an Arbeitslosen in den letzten Monaten sei nur eine „saisonale Zunahme", wie er sagte. Es wundert mich schon wirklich, daß der maßgebliche Wirtschaftsminister in Deutschland so etwas sagt, obgleich ein einziger Blick auf die Statistik ihn vom Gegenteil überzeugen könnte. Ich habe eine Ziffer vor mir: Arbeitslosenzunahme im Lande Bayern in der vorvorigen Woche. Es war eine Zunahme von insgesamt 20 000 Personen in einer einzigen Woche. Von diesen 20 000 Personen ist keineswegs der größere Teil, nicht einmal die Hälfte, Bauarbeiter gewesen, sondern es handelt sich zum größten Teil bereits um eine rein strukturelle Zunahme der Arbeitslosigkeit bei Berufen, die mit Saisonschwankungen und dem Eintritt des Winters überhaupt nichts zu tun haben.
    Herr Professor Erhard, Sie kennen die Verhältnisse bei uns doch sehr genau; denn Sie waren ja einmal bayerischer Wirtschaftsminister. Sind Ihnen die Entlassungen bei Steinheil, den optischen Firmen in München, und anderwärts bekannt? Was hat denn das mit dem Eintritt des Winters zu tun? Das hat mit ganz anderen Dingen zu tun, Herr Professor Erhard, von denen ich gestern schon kurz gesprochen habe. Und so ist es auch bei einer Reihe von anderen Unternehmungen. Ist es wahr oder nicht, Herr Professor, daß wir zur Zeit nicht einmal die Stahlquote ausnutzen, die uns von den Alliierten zugestanden ist, und daß wir sogar unter dieser Ziffer bleiben? Wenn das aber wahr ist, Herr Professor, dann handelt es sich hier um keinerlei durch den Eintritt der Winterzeit bedingte Schwankungen, die man mit dem Satz abtun könnte: „das war schon immer so", sondern dann handelt es sich um eine Erkrankung des Wirtschaftslebens bei uns, die sich zur Zeit in immer fortschreitendem Maße bemerkbar macht. Dann wäre es eigentlich an der Zeit, daß die Regierung andere Maßnahmen dagegen treffen würde, als nur den Kopf in den Sand zu stecken und immer wieder Dementis herauszugeben und zu sagen: „die Sache ist ja gar nicht so schlimm und kein Anlaß zur Beunruhigung!"
    Das nur wollte ich gesagt haben, nachdem Herr Professor Erhard heute zum Antrag der SPD wieder das Wort ergriffen hat. Die Arbeitslosigkeit hat nichts mit den einzelnen verschiedenen Systemen zu tun, über die wir heute zwei Professoren sich hier streiten gehört haben, sondern die Arbeitslosigkeit ist direkt verursacht durch das Unvermögen und die Unfähigkeit der heutigen Bundesregierung ebenso wie der Länderregierungen, Arbeitsbeschaffung in größtem Umfange und Aufträge durchführen zu lassen, für die die Projekte schon lange da sind. Denken Sie nur an die Wasserkraftwerke und die Wohnbauten, für die bei vernünftiger Leitung dessen, was an Steuern eingeht, auch die Mittel vorhanden sind und für die die Arbeiter in ganz großem Umfange ebenfalls bereitstehen. Das möchten wir von der WAV zu den Ausführungen des Herrn Professors Erhard gesagt haben.
    Was den Antrag der SPD anbetrifft, so werden wir uns gegen jeden Versuch wenden, auf dem
    Wege über Kartelle das freie Kaufrecht und Verkaufsrecht der Deutschen irgendwie zu beeinträchtigen. Wenn man weiß, daß die Anzüge nicht unwesentlich dadurch verteuert werden, daß in gewissen Gebieten Deutschlands die Schneidermeister ihre Stoffe nicht etwa direkt bei der Fabrik kaufen können und dürfen, sondern daß hier Verabredungen vorliegen, nur gewisse Großhändler zu beliefern, so war das leider auch schon früher der Fall. Heute sind wieder solche Dinge im Gange mit dem Ergebnis, daß dadurch eine Verteuerung des Stoffes eintritt und damit der Anzüge, also eines der lebenswichtigsten Güter, die es wohl gibt. Wenn man weiß, daß auf dem Gebiet anderer wichtiger Waren ebenfalls solche Bestimmungen herrschen, dann muß man hellhörig werden gegenüber dem Mißbrauch von Kartellen. Wir wenden uns auch dagegen, daß durch Kartelle Leute; die gut produzieren können, weil sie in ihrem Unternehmen eine vernünftige Wirtschaft führen, gezwungen werden, höhere Preise zu verlangen, weil einige Stümper nicht in der Lage sind, ihre Fabriken entsprechend gut zu rationalisieren. Gegen alle diese Dinge wenden wir uns. Wenn der Antrag der SPD — und wir werden das ja in den Ausschüssen sehen können — auch das bezweckt, dann werden wir ihn wärmstens unterstützen.
    Das ist die Auffassung der WAV zum Kartellierungsproblem. Durch die Äußerungen des Herrn Professors Erhard sind wir leider zum großen Teil in der heutigen Debatte von dem Kern des uns vorliegenden Antrages abgewichen, weil Professor Erhard versucht hatte, die Arbeitslosenziffer mit diesen Dingen in Verbindung zu setzen. Aber es war notwendig, gegenüber dem immer noch vorhandenen ganz unfaßbaren und rätselhaften Optimismus des Herrn Wirtschaftsministers einige Worte zu sagen, — des Herrn Wirtschaftsministers, der anscheinend gar nicht merkt, wie die Vertrauensbasis für ihn und seine Kollegen bei der Bevölkerung draußen immer schmäler und schmäler wird, weil immer weitere Hunderttausende von Mitbürgern in unserem Lande nicht .mehr Arbeit und Brot haben!

    (Beifall bei der WAV.)