Meine Damen und Herren! Wenn sich Professoren streiten, dann muß man voraussetzen, daß selten die Wahrheit dabei herauskommt.
Einer der Herren hat beispielsweise auf früheren Gewerkschaftskonferenzen vor 1933 noch die „Theorie" vertreten, daß die Konzerne und Kartelle geradewegs in den Sozialismus hineinführen. Jetzt aber weiß derselbe Herr Professor, Kollege Nölting, nur noch vom Waffenstillstand der Kräfte zu berichten, und ich möchte sagen: von Hilferding bis Nölting ist ein weiter Weg für die SPD, nämlich der Weg vom Kampf gegen die Konzerne bis zu ihrer bedingten Anerkennung, oder sagen wir so: bis zu einer gelinden Kontrolle derselben. Und Professor Erhard hat uns dann erzählt, daß er ein Ehrengericht unter Raubtieren einrichten will.
Im übrigen, meine Herren, bestehen keine Divergenzen in den beiderseitigen Auffassungen. Es kann nicht bestritten werden, daß seit einiger Zeit hinter den verschlossenen Türen der ehemaligen Verwaltung für Wirtschaft und des jetzigen Wirtschaftsministeriums Beratungen über die Schaffung eines sogenannten Kartellgesetzes stattfinden. Schon diese Tatsache allein ist die offene Bestätigung, daß in der westdeutschen Wirtschaft die alten und die neuen Kartelle das Gesetz des Handelns wieder wie ehemals bestimmen. Verkaufs- und Preisringe aller Art diktieren Angebot und Nachfrage, sprengen, wo es nur angeht, die Bewirtschaftung und diktieren, wo es nur angeht, die überhöhten Preise. Professor Dr. Rittershausen hat vor kurzem erst in der „Welt" klar herausgestellt, daß durch Preisabreden und durch Monopolstellung einiger der großen Firmen
— ich erinnere an den Unilever-Konzern — die westdeutsche Bevölkerung um Hunderte Millionen D-Mark betrogen wird. Auch der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministers hat das Bestehen der verbotenen Verkaufsringe, der Kartelle. sämtlich festgestellt. In allen Sparten der westdeutschen Wirtschaft haben diese wiederum die Führung und beeinflussen durch ihre Macht auch schon wieder die Regierung.
Ich habe vor mir das Organ der westdeutschen Schwerindustrie, den „Industrierkurier". Darin wird eine Stellungnahme des Kartellreferats beim Wirtschaftsministerium zu den Monopolen wiedergegeben. In dieser Stellungnahme heißt es: „Das Bestehen eines Monopols an sich ist weder nach deutschem Recht noch nach Besatzungsrecht gesetzwidrig." Mit diesen Worten ist nur der Zustand wiedergegeben, wie er im Westen seit langen Jahren tatsächlich ununterbrochen besteht.
Gestatten Sie mir nun noch einige Ausführungen zu den gegenwärtig in der Öffentlichkeit stattfindenden Kartelldiskussionen. Es kann nicht behauptet werden, daß noch keine Arbeit im Sinne eines Kartellgesetzes getan wurde. Es fragt sich aber: in welcher Richtung wird diese Arbeit getan? Die vorliegenden Referentenentwürfe von Dr. Josten und Roland Risse
— diese Referentenentwürfe gibt es —
- darüber brauchen wir uns nicht zu streiten,
das wissen wir ganz genau —, diese vorliegenden
Entwürfe mit ihren verschwommenen Grundsätzen sind ja, wie Sie wissen, in der Öffentlichkeit immerhin schon bekanntgeworden.
Während Josten noch mit einer bestimmten Konsequenz gegen die alten Monopole ankämpft, ist es bei Risse schon wiederum so, daß er die Kartelle anerkennt, und zwar grundsätzlich.
— Bekannt ist auch die scharfe Kritik, Herr Etzel, die diese beiden Referentenentwürfe — so dürfen ,wir einmal sagen — von der westdeutschen Wirtschaft erfahren haben, und ich möchte hinzufügen: nach bestimmten amerikanischen Inspirationen. Neue Aspekte haben sich insbesondere durch die massiven Forderungen aus Kreisen der Schwerindustrie ergeben, wonach die alten Gesellschaften, Kartelle usw. wiedererstehen sollen. Gesetz Nr. 75 soll zu diesem Zweck geändert werden.
Über die Problematik des Gesetzes will ich an dieser Stelle jetzt nicht diskutieren. Es gibt da von vielen Seiten aus, auch von unserer Seite aus etwas zu bemerken. Die Verteidiger der Kartelle stützen sich in der Regel auf die Praxis in den USA, und zwar mit gutem Recht, wie mir scheint. Die Sherman-Antitrust-Act hat niemals verhindert, daß die sogenannten großen Drei, wie man in USA sagt, in jedem Wirtschaftzweig sich immer wieder durchsetzten und die gesamte USA-Wirtschaft beherrschen. Diese Praxis eines vorgetäuschten Antitrust-Kampfes soll auch in Westdeutschland kultiviert werden. Man hält sich dabei offenbar an die Weisung von Mister McCloy, der bei seiner Ankunft in Westdeutschland erklärte, im Antitrust-Kampf müsse man sich nach den amerikanischen Erfahrungen richten; dort sei dieser Kampf ebenfalls eine langwierige Angelegenheit. Diese Belehrung von Mister McCloy hat in Westdeutschland augenscheinlich Erfolg gezeitigt. An Stelle von Josten ist heute der frühere Justitiar der „Reichsgruppe Industrie" Herr Kattenstroth zum Kartellreferenten im Wirtschaftsministerium ernannt worden.
—Ihm wurde, soweit ich unterrichtet bin, die Federführung für die Kartellgesetzgebung übertragen. Herr Kattenstroth oder irgendeiner seiner Richtung wird als Anwalt der Unternehmer dafür sorgen, daß solche Entwürfe vorbereitet werden, die den alten Monopolen an Rhein und Ruhr alle Rechte zurückgeben.
Wohin die Reise geht, hat kürzlich erst der „Economist" in einem „Deutschlands neues Jahr" betitelten Artikel ganz offen ausgeplaudert. Der Artikel wurde hier an die Abgeordneten des Bundeshauses verteilt. Im „Economist" steht geschrieben:
Die Regierung wird im Jahre 1950 darum ersuch en, die Reorganisierung der Ruhrstahltrusts, die deutsche Experten zur Zeit laut Militärgesetz Nr. 75 durchzuführen haben, selbst übernehmen zu können. Hiermit möchte sie sich dagegen sichern, daß keine drastischen strukturellen Veränderungen bei den Ruhrtrusts vorgenommen werden und daß es den ehemaligen Aktionären ermöglicht wird, Eigentümer der reorganisierten Trusts zu werden.
Das ist das Programm
— der „Economist" spricht hier nur die Tatsachen aus! —, das ist das Programm der Adenauer-Regierung. Wir werden es sehen — die Geschichte wird es beweisen —: genau so wird es kommen.
Die SPD verlangt nun von der Adenauer-Regierung Maßnahmen gegen Kartelle, Preisringe und dergleichen mehr. Mir scheint, daß die SPD-Fraktion noch beträchtliches Vertrauen zur Adenauer-Regierung hat, zu einer Regierung, die man als das jüngste Kind der westdeutschen Schwerindustrie bezeichnen muß.
Schon gestern hatte ich bei dem Vortrag von Professor Baade den Eindruck, daß ein großer Teil
der SPD-Fraktion der Brigade Erhard zustrebt.
Liberalisierung bedeutet Freiwirtschaft, Herr Professor Baade,
und das mögen Sie sich nun einmal überlegen!