Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Drucksache Nr. 293 ist von meiner Fraktion bereits am 1. Dezember des vergangenen Jahres gestellt worden. Er bezweckte eine Erklärung der Bundesregierung zu dem Gesetz der alliierten Hohen Kommission vom 25. November 1949 über strafbare Handlumen gegen Besatzungsinteressen noch in der 19. Tagung des Bundestags. Meine Fraktion war der Meinung, daß dieses Gesetz von so weittragender Bedeutung ist, daß es eine sofortige Stellungnahme der
Bundesregierung und des Bundestages notwendig machte. Zu unserem Bedauern steht unser Antrag erst heute auf der Tagesordnung. Ich brauche wohl nicht besonders zu betonen, daß unser Antrag, auch wenn darin von der 19. Tagung des Bundestags die Rede ist, heute noch bezwecken soll, daß die Bundesregierung eine Erklärung über ihre Stellungnahme zu diesem Gesetz abgibt.
Der Herr Bundesminister hat auf Drucksache Nr. 369 zwischenzeitlich zu unserem Antrag und damit auch zu dem Gesetz der Hohen Alliierten Kommission eine Stellungnahme gegeben, die uns keineswegs befriedigen kann. Der Herr Bundesjustizminister ist in dieser Stellungnahme der Auffassung, daß das Gesetz einen erheblichen Fortschritt gegenüber der früheren Regelung darstelle. Als Beispiel dafür führt er an, daß nur noch fünf Straftatbestände mit dem Tode bedroht werden.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, einmal dieses Gesetz anzuschauen. Sie werden dann feststellen, daß nach dem jetzigen Gesetz mit der Todesstrafe nicht nur etwa Spionage, bewaffneter Widerstand und ähnliche Straftaten bedroht werden, sondern daß schon dann jemand mit dem Tode bestraft wird, wenn er Nachrichten, die geeignet sind, das Vermögen der alliierten Streitkräfte zu gefährden, in Besitz bekommt und die Kenntnis dieser Nachrichten unbefugt für sich behält. ohne sie unverzüglich an die Besatzungsbehörden weiterzugeben. Wenn ein solcher sehr vager Tatbestand bereits mit der Todesstrafe bedroht wird, dann kann man doch wohl nicht einer Formulierung beipflichten, die besagt: Gott sei Dank werden jetzt nur noch fünf Straftatbestände mit dem Tode bedroht.
Ich bitte Sie, auch einmal anzusehen, was nach Artikel 2 dieses Gesetzes mit zehn Jahren Gefängnisstrafe oder mit Geldstrafe bis zu 50 000 D-Mark bzw. mit beiden Strafen zusammen bedroht wird. Wer an einer öffentlichen Versammlung, die von den Besatzungsbehörden verboten worden ist, passiv teilnimmt, kann nach diesem Gesetz mit zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Ich glaube, daß man da kaum mit den Worten des Herrn Bundesjustizministers von einem erheblichen Fortschritt gegenüber den bisherigen Bestimmungen sprechen kann.
Die Damen und Herren von der Rechten des Hauses dürfte es vielleicht mehr interessieren, daß mit fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann, wer einen Plan, eine Niederschrift oder einen Bericht privater Art verheimlicht, der sich auf Vermögensrechte oder -interessen eines nichtdeutschen Staates oder seiner Staatsangehörigen bezieht. Das bedeutet also: ein Schutz ausländischer Kapitalinteressen. Es ist ebenfalls ein sehr vager Tatbestand, der mit dieser sehr schweren Strafe von fünf Jahren Gefängnis bedroht ist. Oder wer nur den Versuch macht, sich einer von einem Beauftragten der Besatzungsbehörden angeordneten Festnahme oder Haft zu entziehen, wer also einen ganz einfachen Fluchtversuch gegenüber irgendeiner Verhaftung unternimmt, den kostet das nach diesem Gesetz fünf Jahre Gefängnis. Wer eine falsche Nachricht über eine Handlung oder Absicht der Besatzungsbehörden oder Besatzungsstreitkräfte oder in ihrem Auftrag handelnder Personen verbreitet, die geeignet wäre, Mißtrauen gegen solche Behörden hervorzurufen, wird ebenfalls mit einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren bedroht. Meine Damen und Herren, denken Sie nur einmal an das, was gegenwärtig nicht bloß in
Deutschland, sondern in der ganzen Welt an Remilitarisierungsgesprächen über Deutschland geführt wird! Wer kann im einzelnen feststellen, ob hier die Absicht einer bestimmten Behörde oder ihres Beauftragten vorliegt, ob es sich um eine verantwortliche oder unverantwortliche Äußerung handelt? Schon wer eine solche Äußerung verbreitet, läuft Gefahr, nach diesem Gesetz mit fünf Jahren Gefängnis bestraft zu werden. Das macht den Kampf gegen solche Militarisierungsbestrebungen, solange sie nicht feste Formen angenommen haben und damit eine große Gefahr geworden sind, einfach unmöglich.
Diese wenigen angeführten Beispiele ließen sich noch vermehren. So kostet zum Beispiel nach diesem Gesetz eine bloße achtungswidrige Handlung gegenüber den alliierten Streitkräften — und was kann man darunter alles verstehen! — immerhin ein Jahr Gefängnis. Nach alledem kann man wirklich dieses Gesetz nicht bagatellisieren. Und daß ich keineswegs den schwarzen Mann an die Wand male, zeigen ganz konkrete Tatsachen. Diese beweisen, was mit solchen äußerst dehnbaren Gesetzesbestimmungen alles angefangen werden kann. Ich verweise hierbei auf das Beispiel des Demontagestop-Prozesses in Hannover vor einem britischen Militärgericht. Dort sind acht Deutsche wegen eines Aufrufs gegen die Demontage der ehemaligen Reichswerke Watenstedt-Salzgitter angeklagt, und zwar nicht nur der Redakteur, sondern auch der Herausgeber, der Geschäftsführer und der Drucker. Sie sind angeklagt wegen Widerstandes bzw. Beeinträchtigung der Interessen der Besatzungsmacht. Man hat dabei sogar nicht einmal die Immunität eines niedersächsischen Landtagsabgeordneten geachtet.
Der Abgeordnete ist auf Grund eines Beschlusses des Ältestenrats des niedersächsischen Landtags nicht zu der Verhandlung gekommen; und auch fast alle westdeutschen Landtage haben sich hinter die Auffassung des niedersächsischen Landtags gestellt und ebenfalls den Standpunkt vertreten, daß die Immunität eines Abgeordneten auch vor dem Militärgericht gelten müsse. Trotz aller dieser Kundgebungen hat jetzt das britische Militärgericht einen Haftbefehl gegen diesen Abgeordneten erlassen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, das zeigt doch, was mit diesem Gesetz beabsichtigt ist und welche Waffe gegen die deutsche Bevölkerung es tatsächlich darstellt. Der Herr Bundesjustizminister meint aber in seiner Stellungnahme, daß dieses Gesetz immerhin schon gelinder sei als die Bestimmungen vom Jahre 1945. Aber ich glaube, daß man einen solchen Vergleich nicht anstellen kann. Wenn im Jahre 1945, im Moment des Einrückens der Besatzungstruppen, im Zustand also der Beendigung des Krieges scharfe Strafbestimmungen erlassen worden sind, so sind doch immerhin jetzt vier Jahre vergangen. Man spricht immer soviel davon, daß die deutsche Bevölkerung eine Selbstverwaltung erhalten werde, daß wir ein Selbstregierungsrecht bekommen sollten. Man hat uns Verfassungen für die Länder gegeben, man hat ein Grundgesetz für den westdeutschen Bund gemacht, und nun zeigt die Tatsache eines solchen Gesetzes der alliierten Kommissare, daß die wirkliche Regierung in Deutschland nach wie vor die Besatzungsmächte und ihre Hohen Kommissare sind und daß es nach wie vor ihre Politik ist — das kommt in diesem Gesetz sehr deutlich zum
Ausdruck —, den westdeutschen Bundesstaat zu einem wirtschaftlichen, politischen und militärischen Vorposten ihrer Politik zu machen und ihn mit allen Mitteln zu sichern.
Wenn nun die Bundesregierung, die einer solchen Politik durch die Anerkennung von Besatzungsstatut und Ruhrstatut, durch den wiederholt ausgesprochenen Wunsch, daß die Besatzung noch jahrelang verlängert werden und in Westdeutschland bleiben soll, selber ihre Zustimmung gibt, ein Interesse daran hat, ein solches Gesetz wie das der Hohen Kommissare zu bagatellisieren, so mag das verständlich sein. Das deutsche Volk kann kein Interesse daran haben, ein solches Gesetz zu bagatellisieren, sondern es ist notwendig, auf dessen ganze Tragweite hinzuweisen, und es wäre eine einmütige Stellungnahme aller deutschen Parteien gegen ein solches Gesetz und eine einmütige Bekundung gegenüber den Hohen Kommissaren notwendig, daß ein solches Gesetz zu all den Versprechungen, die uns in den letzten Jahre gemacht worden sind, in Widerspruch steht.
Aus diesen Gründen kann meine Fraktion die Stellungnahme des Herrn Bundesjustizministers keineswegs als befriedigend betrachten, und wir ersuchen das Hohe Haus, unserm Antrag zuzustimmen, der eine Erklärung der Bundesregierung zu diesem Gesetz ganz klar in dem Sinn fordert, eine einmütige und eindeutige Stellungnahme von Bundesregierung und Bundestag gegen dieses Gesetz. das die Interessen der deutschen Bevölkerung so schwer beeinträchtigt, zu erreichen.