Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Los Millionen Heimatvertriebener, Fliegergeschädigter und Heimkehrer hat mich bewogen, diesen Antrag zu stellen.
Das Abkommen von Potsdam und Jalta war in seinen Folgen so verheerend, daß die unglückseligen Zuzugsbestimmungen die Härten dieses Abkommens noch vermehrten. Man muß bedenken, daß Orts- und Stadtgemeinschaften gesprengt, daß ganze Familien zerrissen wurden. Arbeitsfähige Männer wurden in das Innere der Länder verschleppt, Mütter wurden von ihren Söhnen und Töchtern getrennt, in die verschiedenen Zonen Deutschlands verschickt, und dort wurden sie ohne Unterschied des Berufs abgeladen, ohne nur irgendwie darauf Rücksicht zu nehmen, ob sie Akademiker oder landwirtschaftlicher Arbeiter waren; sie kamen an und wurden dort einfach seßhaft gemacht. Professoren bekamen keinen Arbeitsplatz, Lehrer bekamen keinen, landwirtschaftliche Arbeiter mußten sich in Städten niederlassen, suchten nach Beschäftigung; sie fanden keine. Nun ging die Suche los. Erst einmal wollten, wie es selbstverständliches Naturgefühl ist, die Väter, die Mütter wieder zu ihren Familienangehörigen, soweit sie überhaupt noch hier waren; Heimkehrer kamen heim, sie mußten sich irgendwo in irgendeine Stadt entlassen lassen und
haben dort am Bestimmungsort erst erfahren, daß die Angehörigen da und dort sind; sie konnten nicht hin. Warum? Weil das die Zuzugsbestimmungen verhinderten! Menschen, die Arbeit, die Wohnung gefunden hatten, sie konnten nicht hin, weil das die Zuzugsbestimmungen verhinderten. Ja, es wollten sich ganze Betriebe, zum Beispiel in Bayern, in Städten niederlassen; sie bekamen keine Genehmigung, weil man fürchtete, es würden zuviel Menschen in diese Städte kommen. Die Zuzugsbestimmungen ließen es nicht zu, obwohl dort auch der einheimischen Bevölkerung dadurch Arbeitsmöglichkeiten gegeben worden wären. Kurz und gut: diese Zuzugsbestimmungen und dazu noch das sture Verhalten der ausführenden Organe haben das Unglück dieser Millionen von Menschen nur noch vermehrt.
Es wäre höchste Zeit, daß nach 5 Jahren endlich einmal diese unglückseligen Bestimmungen fallen würden. Ich vertrete die Ansicht, daß durchaus kein Wirrwarr entstehen, daß durchaus keine, sagen wir einmal, Überströmung von Städten erfolgen würde; denn das würde schon durch die Wohnungsämter verhindert werden. Wenn sich heute jemand irgendwo niederläßt, wo er Arbeit und Brot gefunden hat, wird er nicht irgendwoanders hinziehen, wo er keine Wohnung und keine Arbeitsmöglichkeit hat. Wenn aber jemand auf Arbeitsuche ist und irgendwo Wohnung und Arbeit findet, dann sollte man es ihm nicht durch sogenannte Zuzugsbestimmungen erschweren, daß er sich dort niederlassen kann. Nicht in einzelnen, sondern in sehr vielen Fällen sind Unternehmer zu mir gekommen und haben mich gebeten, ich möchte mich dafür einsetzen, daß sich die Arbeitsuchenden, die die Unternehmer so notwendig gebraucht hätten, insbesondere Facharbeiter, in ihrer Stadt niederlassen können. An den sturen Zuzugsbestimmungen war das gescheitert.
Man fragt zum Beispiel nach Landarbeitern. Ich habe selbst hier im Hause gehört, wie groß der Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften ist. Ich habe Flüchtlingen, Heimatvertriebenen usw. Posten in landwirtschaftlichen Betrieben verschafft; aber die Polizei ist gekommen und hat sie ihres Postens wieder verwiesen, weil die Zuzugsbestimmungen das nicht zulassen würden. Ich glaube, dieser Zustand ist auf die Dauer wirklich unhaltbar. Ich habe mich deshalb im Ausschuß mit der Auffassung meines Vorredners einverstanden erklärt, daß endlich, und zwar baldigst gesetzliche Bestimmungen kommen, die diesem unglückseligen Zustand ein Ende bereiten, damit jeder wieder frei dorthin ziehen kann, wo er Wohnung und Arbeit gefunden hat, und damit die Familienangehörigen wieder zusammenfinden_ können.
Dazu noch ein kurzes Wort. Ich kenne Fälle, daß Mütter zum Beispiel aus Bayern nach Württemberg kommen wollten. Sie können alleinstehend von ihrer kargen Rente nicht leben; sie würden aber eine Existenz haben, wenn sie zu ihren Söhnen oder Töchtern ziehen könnten, in deren Haushalt sie ihren Lebensabend verbringen würden. Sie konnten es nicht, weil diese überholten Zuzugsbestimmungen das verhinderten. Sch on aus diesem Grunde, aus Gründen der Menschlichkeit, bitte ich das Hohe Haus, alles daran zu setzen, damit diese unvernünftigen — ich nehme da kein Wort zurück — und in der Auswirkung so unheilvollen Zuzugsbestimmungen endlich fallen.
Selbstverständlich müßten da neue Weisungen gegeben und Unterschiede zwischen den Personen,
die als Heimatvertriebene, als Fliegergeschädigte, als Wohnungsvertriebene, Heimkehrer usw. bereits im Bundesgebiet wohnen, und Flüchtlingen, die aus der Ostzone kommen, gemacht werden. Ich weiß ganz genau, daß diese Menschen nicht auf einmal in Einzelwohnungen untergebracht werden können. Man soll diese Menschen also vorübergehend in Lagern unterbringen, bis sich eine andere Möglichkeit ergibt. Ferner müßten auch für die Volksdeutschen, die noch in den östlichen Ländern als Sklavenarbeiter bleiben müssen, Bestimmungen getroffen werden.
Ich bitte deshalb, mit meinem Antrag in der Weise, wie der Ausschuß entschieden hat, verfahren zu wollen, und ich bitte vor allem, daß sich das Ministerium der Ausgewiesenen wirklich baldigst dieser unglückseligen Menschen annehmen und diesen ohnehin mehr als hart gestraften Menschen ihr Los erleichtern möge, indem endlich wenigstens die Familienangehörigen zusammenfinden und, wenn dies noch möglich wäre, vielleicht auch Dorfgemeinschaften und Stadtgemeinschaften wieder zusammenkommen könnten. Dies war mein Antrag.