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ID0103004600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 30. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1950 929 30. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1950 Geschäftliche Mitteilungen . . . . 930A, 949C Antrag der Fraktion der SPD betreffend Entwurf eines Gesetzes über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung (Drucksache Nr. 248) 930A Antrag der Fraktion der FDP betreffend Entwurf eines Gesetzes über das Eigentum an Wohnungen und gewerblichen Räumen (Drucksache Nr. 252) . . . . 930A Anfrage Nr. 23 der Fraktion der BP betreffend mangelnde Kohlenversorgung Bayerns (Drucksache Nr. 332) 930B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Umstellung der Renten- und Pensionsrentenversicherungen nach der Währungsreform (Antrag der Fraktion der FDP) (Drucksache Nr. 387) . . . . 930B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 (Drucksache Nr. 430) 930C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . 930C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Notgesetzes für die deutsche Hochseefischerei (Drucksachen Nr. 427 u. 221) 930D Lübke (CDU), Berichterstatter . . 930D Rische (KPD) 931D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Einsetzung eines Ausschusses zur Prüfung der Auftragsvergebung für Bauten und Einrichtungen des Bundes im Raume der vorläufigen Bundeshauptstadt (Drucksachen Nr. 374 und, 199 sowie 443) . . . . . . . 932A Kiesinger (CDU), Berichterstatter . 932B Erler (SPD) 933A Dr. Laforet (CSU) 935D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik über den Antrag der Fraktion der BP betr. Amtliche Graphik, Münzen, Siegel usw. des Bundes (Drucksachen Nr. 336 und 158) . 931D, 936C Dr. Oellers (FDP) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . 932A, 936C Dr. Seelos (BP) (zur Geschäftsordnung) 936D Frau Dr. Gröwel (CDU), Berichterstatterin .937B Dr. Decker (BP) . . . . . . . 938A Dr. Wellhausen (FDP) . . . 938D, 940C Dr. Bergstraeßer (SPD) 939B Kiesinger (CDU) . . . . . . . 940A Dr. Falkner (BP) 940B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik über den Antrag der Fraktion der BP betr. Beteiligung bildender Künstler an den Aufträgen des Bundes (Drucksachen Nr. 337 und 157) 941A Hennig (SPD), Berichterstatter . 941A Dr. Besold (BP) . . . . . . . 941D Dr. Oellers (FDP) 942D Dr. von Merkatz (DP) 943A Dr. Seelos (BP) 943C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Ott und Genossen betr. Beseitigung der Zuzugsbestimmungen (Drucksachen Nr. 383 und 50) . . . . 943D Erler (SPD), Berichterstatter . . . 943D Dr. Ott (Parteilos) . . . . . . . 944D Beratung des Antrags der Abgeordneten Renner und Genossen betr. Strafbare Handlungen gegen Besatzungsinteressen (Drucksachen Nr. 293 und 369) . . . . 945D Leibbrand (KPD), Antragsteller 945D, 948C Dr. Greve (SPD) 947B Dr. von Merkatz (DP) . . . . . 947D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz .. 948B Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 454) . . . . . 949A Die Sitzung wird um 14 Uhr 38 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 29. September 1949 haben der Herr Abgeordnete Dr. Ott und eine Anzahl von Kollegen den Antrag eingebracht, die Bundesregierung zu ersuchen, die in den einzelnen Ländern bestehenden Zuzugsbestim-


    (Erler)

    mungen zu lockern bzw. zu beseitigen. Familienangehörige müßten unter allen Umständen zusammengeführt werden können.
    Der Ausschuß für innere Verwaltung hat sich sehr eingehend in zwei Sitzungen mit dem ganzen weitschichtigen Problem befaßt. Wir haben zunächst einmal eine Art Bestandsaufnahme all dessen vorgenommen, was es an Zuzugsbestimmungen und -beschränkungen heute in Deutschland gibt, obwohl es zu einem großen Teil mit der im Grundgesetz verbrieften Freizügigkeit nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Es hat sich dabei schon aus der unmittelbaren Sachkunde der Ausschußmitglieder, aber auch aus den Darlegungen der Vertreter sowohl des Innenministeriums als auch des Ministeriums für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen ergeben, daß dieses ganze Gebiet sehr, sehr buntscheckig geregelt ist. Es ist kaum zu übersehen, wie Landesrecht, Besatzungsrecht und zum Teil auch die Bestimmungen des Wohnungsgesetzes des Kontrollrats mit den durch die Länder bzw. auf Antrag der Länder durch die Militärregierungen erfolgten Erklärungen ganzer Städte und Gebiete zu Brennpunkten des Wohnbedarfs ineinander verschachtelt sind.
    Der Ausschuß stand und steht auch heute noch grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß es Aufgabe der Gesetzgebung ist, möglichst bald in vollem Umfange die im Grundgesetz verbriefte Freizügigkeit effektiv zu machen. Dieser Zustand muß erreicht werden. Natürlich stehen eine ganze Reihe ernsthafter Schwierigkeiten einer Bereinigung auf diesem komplizierten Rechtsgebiet im Wege. Die eine Schwierigkeit hat neulich schon den Bundestag beschäftigt: das ist die Tatsache, daß zwar das Grundgesetz für alle Deutschen die Freizügigkeit etabliert hat, daß es aber doch offenbar nicht so ganz einfach ist, diese Freizügigkeit ohne weiteres auch auf die deutschen Einwohner der Ostzone zu erstrecken. Wir haben im Ausschuß davon Kenntnis bekommen, daß ein Verordnungsentwurf der Bundesregierung, der dieses Thema behandelt, im Bundesrat aus verfassungsrechtlichen Gründen, betreffend die Zuständigkeit, sehr heftig umkämpft worden und nicht zur Verabschiedung gelangt ist. Sie haben dann neulich hier in erster Lesung den Gesetzentwurf der Sozialdemokratischen Partei über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet behandelt, der materiell ja die gleiche Frage betrifft. Wir haben dann weiterhin erfahren, daß neben dieser Vorschrift, die das eine Teilgebiet regelt, eine weitere gesetzliche Regelung sehr weit vorangetrieben worden ist, sowohl im Innenministerium als auch im Ministerium für die Angelegenheiten der Heimatvertriebenen, welche die Wiederherstellung der Freizügigkeit innerhalb der Westzonen, also innerhalb des Bundesgebiets, zum Gegenstand hat.
    Es herrschte Übereinstimmung darüber, daß die Wiederherstellung der Freizügigkeit im Hinblick auf den zu erwartenden Flüchtlingsausgleich nicht selbständig und automatisch alle Ausgleichsfragen löst. Es ist nach der Meinung des Ausschusses unwürdig, nach der zusammengebrochenen Sachbewirtschaftung nun noch Menschen weiter zu bewirtschaften. Man sollte den Menschen die Wahl ihres Wohnsitzes selbst überlassen. Sie wüßten besser als die Regierung und auch besser als die einzelnen Landesbehörden, wo ihnen eine bessere Wohnung oder ein besserer Arbeitsplatz winkt. Sie werden nicht ohne Grund diesen ihren bisherigen Wohnort verlassen, wenn sie nicht wissen,
    daß es im neuen Wohnort bessere Unterbringungsmöglichkeiten gibt. Der Ausschuß sprach sich also gegen alle Vorstellungen aus, die kommende Umsiedlung der Flüchtlinge zwischen den verschiedenen deutschen Ländern in irgendeiner Weise mit Zwang verkoppeln zu wollen, was ja auch von der Regierung keineswegs beabsichtigt ist.
    Übrig bleibt aber noch ein weiteres Problem, das in diesem Zusammenhang gelöst werden muß, nämlich das, daß dann zur Freizügigkeit für diejenigen Gebiete, die heute noch nicht in dem im allgemeinen sonst in Deutschland erreichten Ausmaß Heimatvertriebene haben aufnehmen müssen, ein Aufnahmezwang — der Zahl nach — für Heimatvertriebene hinzukommt, deren Zahl ihnen dann zugewiesen wird, wobei es dann den betreffenden Familien selbst überlassen bleibt, ob sie von der Möglichkeit, dorthin zu gehen, Gebrauch machen oder nicht.
    Nach all den Erklärungen, die wir im Ausschuß von der Regierung über die in Bälde zu erwartende gesetzliche Regelung dieses Problems bekommen haben, glaubte der Ausschuß, dem Hohen Hause vorschlagen zu können, den Antrag der Abgeordneten Dr. Ott und Genossen über die Beseitigung der Zuzugsbestimmungen als erledigt anzusehen. Der Antrag selbst hätte das Gebiet ohnehin nicht geregelt; er enthielt ja nur ein Ersuchen an die Regierung, sich dieser Frage anzunehmen. Die Regierung hat sich dieser Frage angenommen; sie ist im Begriff, das Problem in einer, wie wir hoffen, zufriedenstellenden Weise zu regeln, so daß es einer ausdrücklichen Annahme des Antrags nicht bedarf.
    Es bleibt mir nur noch übrig zu bemerken, daß auch Herr Dr. Ott selbst als Vertreter der Antragsteller sich mit dieser im Ausschuß vereinbarten Regelung einverstanden erklärte. Wenn also das Hohe Haus dem Antrag des Ausschusses entsprechend beschließt, dann sind auch die Antragsteller mit dieser Regelung einverstanden.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ott.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Ott


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (Plos)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Los Millionen Heimatvertriebener, Fliegergeschädigter und Heimkehrer hat mich bewogen, diesen Antrag zu stellen.
    Das Abkommen von Potsdam und Jalta war in seinen Folgen so verheerend, daß die unglückseligen Zuzugsbestimmungen die Härten dieses Abkommens noch vermehrten. Man muß bedenken, daß Orts- und Stadtgemeinschaften gesprengt, daß ganze Familien zerrissen wurden. Arbeitsfähige Männer wurden in das Innere der Länder verschleppt, Mütter wurden von ihren Söhnen und Töchtern getrennt, in die verschiedenen Zonen Deutschlands verschickt, und dort wurden sie ohne Unterschied des Berufs abgeladen, ohne nur irgendwie darauf Rücksicht zu nehmen, ob sie Akademiker oder landwirtschaftlicher Arbeiter waren; sie kamen an und wurden dort einfach seßhaft gemacht. Professoren bekamen keinen Arbeitsplatz, Lehrer bekamen keinen, landwirtschaftliche Arbeiter mußten sich in Städten niederlassen, suchten nach Beschäftigung; sie fanden keine. Nun ging die Suche los. Erst einmal wollten, wie es selbstverständliches Naturgefühl ist, die Väter, die Mütter wieder zu ihren Familienangehörigen, soweit sie überhaupt noch hier waren; Heimkehrer kamen heim, sie mußten sich irgendwo in irgendeine Stadt entlassen lassen und


    (Dr. Ott)

    haben dort am Bestimmungsort erst erfahren, daß die Angehörigen da und dort sind; sie konnten nicht hin. Warum? Weil das die Zuzugsbestimmungen verhinderten! Menschen, die Arbeit, die Wohnung gefunden hatten, sie konnten nicht hin, weil das die Zuzugsbestimmungen verhinderten. Ja, es wollten sich ganze Betriebe, zum Beispiel in Bayern, in Städten niederlassen; sie bekamen keine Genehmigung, weil man fürchtete, es würden zuviel Menschen in diese Städte kommen. Die Zuzugsbestimmungen ließen es nicht zu, obwohl dort auch der einheimischen Bevölkerung dadurch Arbeitsmöglichkeiten gegeben worden wären. Kurz und gut: diese Zuzugsbestimmungen und dazu noch das sture Verhalten der ausführenden Organe haben das Unglück dieser Millionen von Menschen nur noch vermehrt.
    Es wäre höchste Zeit, daß nach 5 Jahren endlich einmal diese unglückseligen Bestimmungen fallen würden. Ich vertrete die Ansicht, daß durchaus kein Wirrwarr entstehen, daß durchaus keine, sagen wir einmal, Überströmung von Städten erfolgen würde; denn das würde schon durch die Wohnungsämter verhindert werden. Wenn sich heute jemand irgendwo niederläßt, wo er Arbeit und Brot gefunden hat, wird er nicht irgendwoanders hinziehen, wo er keine Wohnung und keine Arbeitsmöglichkeit hat. Wenn aber jemand auf Arbeitsuche ist und irgendwo Wohnung und Arbeit findet, dann sollte man es ihm nicht durch sogenannte Zuzugsbestimmungen erschweren, daß er sich dort niederlassen kann. Nicht in einzelnen, sondern in sehr vielen Fällen sind Unternehmer zu mir gekommen und haben mich gebeten, ich möchte mich dafür einsetzen, daß sich die Arbeitsuchenden, die die Unternehmer so notwendig gebraucht hätten, insbesondere Facharbeiter, in ihrer Stadt niederlassen können. An den sturen Zuzugsbestimmungen war das gescheitert.
    Man fragt zum Beispiel nach Landarbeitern. Ich habe selbst hier im Hause gehört, wie groß der Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften ist. Ich habe Flüchtlingen, Heimatvertriebenen usw. Posten in landwirtschaftlichen Betrieben verschafft; aber die Polizei ist gekommen und hat sie ihres Postens wieder verwiesen, weil die Zuzugsbestimmungen das nicht zulassen würden. Ich glaube, dieser Zustand ist auf die Dauer wirklich unhaltbar. Ich habe mich deshalb im Ausschuß mit der Auffassung meines Vorredners einverstanden erklärt, daß endlich, und zwar baldigst gesetzliche Bestimmungen kommen, die diesem unglückseligen Zustand ein Ende bereiten, damit jeder wieder frei dorthin ziehen kann, wo er Wohnung und Arbeit gefunden hat, und damit die Familienangehörigen wieder zusammenfinden_ können.
    Dazu noch ein kurzes Wort. Ich kenne Fälle, daß Mütter zum Beispiel aus Bayern nach Württemberg kommen wollten. Sie können alleinstehend von ihrer kargen Rente nicht leben; sie würden aber eine Existenz haben, wenn sie zu ihren Söhnen oder Töchtern ziehen könnten, in deren Haushalt sie ihren Lebensabend verbringen würden. Sie konnten es nicht, weil diese überholten Zuzugsbestimmungen das verhinderten. Sch on aus diesem Grunde, aus Gründen der Menschlichkeit, bitte ich das Hohe Haus, alles daran zu setzen, damit diese unvernünftigen — ich nehme da kein Wort zurück — und in der Auswirkung so unheilvollen Zuzugsbestimmungen endlich fallen.
    Selbstverständlich müßten da neue Weisungen gegeben und Unterschiede zwischen den Personen,
    die als Heimatvertriebene, als Fliegergeschädigte, als Wohnungsvertriebene, Heimkehrer usw. bereits im Bundesgebiet wohnen, und Flüchtlingen, die aus der Ostzone kommen, gemacht werden. Ich weiß ganz genau, daß diese Menschen nicht auf einmal in Einzelwohnungen untergebracht werden können. Man soll diese Menschen also vorübergehend in Lagern unterbringen, bis sich eine andere Möglichkeit ergibt. Ferner müßten auch für die Volksdeutschen, die noch in den östlichen Ländern als Sklavenarbeiter bleiben müssen, Bestimmungen getroffen werden.
    Ich bitte deshalb, mit meinem Antrag in der Weise, wie der Ausschuß entschieden hat, verfahren zu wollen, und ich bitte vor allem, daß sich das Ministerium der Ausgewiesenen wirklich baldigst dieser unglückseligen Menschen annehmen und diesen ohnehin mehr als hart gestraften Menschen ihr Los erleichtern möge, indem endlich wenigstens die Familienangehörigen zusammenfinden und, wenn dies noch möglich wäre, vielleicht auch Dorfgemeinschaften und Stadtgemeinschaften wieder zusammenkommen könnten. Dies war mein Antrag.