Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 29. September 1949 haben der Herr Abgeordnete Dr. Ott und eine Anzahl von Kollegen den Antrag eingebracht, die Bundesregierung zu ersuchen, die in den einzelnen Ländern bestehenden Zuzugsbestim-
mungen zu lockern bzw. zu beseitigen. Familienangehörige müßten unter allen Umständen zusammengeführt werden können.
Der Ausschuß für innere Verwaltung hat sich sehr eingehend in zwei Sitzungen mit dem ganzen weitschichtigen Problem befaßt. Wir haben zunächst einmal eine Art Bestandsaufnahme all dessen vorgenommen, was es an Zuzugsbestimmungen und -beschränkungen heute in Deutschland gibt, obwohl es zu einem großen Teil mit der im Grundgesetz verbrieften Freizügigkeit nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Es hat sich dabei schon aus der unmittelbaren Sachkunde der Ausschußmitglieder, aber auch aus den Darlegungen der Vertreter sowohl des Innenministeriums als auch des Ministeriums für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen ergeben, daß dieses ganze Gebiet sehr, sehr buntscheckig geregelt ist. Es ist kaum zu übersehen, wie Landesrecht, Besatzungsrecht und zum Teil auch die Bestimmungen des Wohnungsgesetzes des Kontrollrats mit den durch die Länder bzw. auf Antrag der Länder durch die Militärregierungen erfolgten Erklärungen ganzer Städte und Gebiete zu Brennpunkten des Wohnbedarfs ineinander verschachtelt sind.
Der Ausschuß stand und steht auch heute noch grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß es Aufgabe der Gesetzgebung ist, möglichst bald in vollem Umfange die im Grundgesetz verbriefte Freizügigkeit effektiv zu machen. Dieser Zustand muß erreicht werden. Natürlich stehen eine ganze Reihe ernsthafter Schwierigkeiten einer Bereinigung auf diesem komplizierten Rechtsgebiet im Wege. Die eine Schwierigkeit hat neulich schon den Bundestag beschäftigt: das ist die Tatsache, daß zwar das Grundgesetz für alle Deutschen die Freizügigkeit etabliert hat, daß es aber doch offenbar nicht so ganz einfach ist, diese Freizügigkeit ohne weiteres auch auf die deutschen Einwohner der Ostzone zu erstrecken. Wir haben im Ausschuß davon Kenntnis bekommen, daß ein Verordnungsentwurf der Bundesregierung, der dieses Thema behandelt, im Bundesrat aus verfassungsrechtlichen Gründen, betreffend die Zuständigkeit, sehr heftig umkämpft worden und nicht zur Verabschiedung gelangt ist. Sie haben dann neulich hier in erster Lesung den Gesetzentwurf der Sozialdemokratischen Partei über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet behandelt, der materiell ja die gleiche Frage betrifft. Wir haben dann weiterhin erfahren, daß neben dieser Vorschrift, die das eine Teilgebiet regelt, eine weitere gesetzliche Regelung sehr weit vorangetrieben worden ist, sowohl im Innenministerium als auch im Ministerium für die Angelegenheiten der Heimatvertriebenen, welche die Wiederherstellung der Freizügigkeit innerhalb der Westzonen, also innerhalb des Bundesgebiets, zum Gegenstand hat.
Es herrschte Übereinstimmung darüber, daß die Wiederherstellung der Freizügigkeit im Hinblick auf den zu erwartenden Flüchtlingsausgleich nicht selbständig und automatisch alle Ausgleichsfragen löst. Es ist nach der Meinung des Ausschusses unwürdig, nach der zusammengebrochenen Sachbewirtschaftung nun noch Menschen weiter zu bewirtschaften. Man sollte den Menschen die Wahl ihres Wohnsitzes selbst überlassen. Sie wüßten besser als die Regierung und auch besser als die einzelnen Landesbehörden, wo ihnen eine bessere Wohnung oder ein besserer Arbeitsplatz winkt. Sie werden nicht ohne Grund diesen ihren bisherigen Wohnort verlassen, wenn sie nicht wissen,
daß es im neuen Wohnort bessere Unterbringungsmöglichkeiten gibt. Der Ausschuß sprach sich also gegen alle Vorstellungen aus, die kommende Umsiedlung der Flüchtlinge zwischen den verschiedenen deutschen Ländern in irgendeiner Weise mit Zwang verkoppeln zu wollen, was ja auch von der Regierung keineswegs beabsichtigt ist.
Übrig bleibt aber noch ein weiteres Problem, das in diesem Zusammenhang gelöst werden muß, nämlich das, daß dann zur Freizügigkeit für diejenigen Gebiete, die heute noch nicht in dem im allgemeinen sonst in Deutschland erreichten Ausmaß Heimatvertriebene haben aufnehmen müssen, ein Aufnahmezwang — der Zahl nach — für Heimatvertriebene hinzukommt, deren Zahl ihnen dann zugewiesen wird, wobei es dann den betreffenden Familien selbst überlassen bleibt, ob sie von der Möglichkeit, dorthin zu gehen, Gebrauch machen oder nicht.
Nach all den Erklärungen, die wir im Ausschuß von der Regierung über die in Bälde zu erwartende gesetzliche Regelung dieses Problems bekommen haben, glaubte der Ausschuß, dem Hohen Hause vorschlagen zu können, den Antrag der Abgeordneten Dr. Ott und Genossen über die Beseitigung der Zuzugsbestimmungen als erledigt anzusehen. Der Antrag selbst hätte das Gebiet ohnehin nicht geregelt; er enthielt ja nur ein Ersuchen an die Regierung, sich dieser Frage anzunehmen. Die Regierung hat sich dieser Frage angenommen; sie ist im Begriff, das Problem in einer, wie wir hoffen, zufriedenstellenden Weise zu regeln, so daß es einer ausdrücklichen Annahme des Antrags nicht bedarf.
Es bleibt mir nur noch übrig zu bemerken, daß auch Herr Dr. Ott selbst als Vertreter der Antragsteller sich mit dieser im Ausschuß vereinbarten Regelung einverstanden erklärte. Wenn also das Hohe Haus dem Antrag des Ausschusses entsprechend beschließt, dann sind auch die Antragsteller mit dieser Regelung einverstanden.