Rede von
Dr.
Hugo
Decker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die amtliche Graphik, die Münzen, Siegel, die Briefmarken und Wappen sind das sichtbare und augenfällige Zeichen eines Staates. Sie sind der Weltöffentlichkeit gegenüber die Visitenkarte des Staates. Es ist nicht gleichgültig, wie eine Visitenkarte aussieht. Einen fremden Menschen wird man, wenn man die Visitenkarte in die Hand bekommt, nach dieser Karte beurteilen.
Dasselbe geschieht bei diesen Zeichen, die in fremde Länder hinausgehen und dort als Signum eines Landes den ersten Eindruck machen. Sie sind deshalb von hoher politischer und wirtschaftlicher Bedeutung.
Deutschland hat mit diesen Zeichen bis heute, abgesehen von wenigen Ausnahmen, keine glückliche Hand gehabt. Die Pechsträhne hat schon mit der berühmten Germaniabriefmarke angefangen, die diese gepanzerte Frau in Jugendstilumrahmung gezeigt hat.
Am Ende der Pechsträhne stand das Goethejahr mit dem „meisterhaften" Plakat, mit dem Deutschland im Goethejahr vor die Öffentlichkeit getreten ist.
Mit- zuckersüßen Farben ist in „meisterhafter" Weise gezeigt worden, daß wir in Deutschland entweder nicht mehr fähig sind, gute Plakate zu machen, oder nicht fähig sind, gute Plakate auszuwählen. Daran ist nicht der Bund schuld, sondern das ist schon vorher geschehen.
Aber wie sieht es denn heute aus? Meine Vorrednerin hat schon auf eine Münze hingewiesen, auf das Markstück. Ich tue es billiger und weise auf das 50-Pfennig-Stück hin. Wie sieht die Vorderseite dieses 50-Pfennig-Stücks aus? Genau wie seit langen Jahrzehnten die Ziffernseite der deutschen Münzen künstlerisch steril war — ich habe ihre Langweiligkeit immer bewundert —, so ist es auch hier.
Auf der Rückseite befindet sich ein äußerst dünn bekleidetes Mädchen, das einen Eichenbaum pflanzt.
Was soll dieses Symbol nun bedeuten? Soll es
vielleicht — ich hoffe es nicht — die Bundesrepublik bezeichnen, die da eine Eichenplantage
pflanzt für einen späteren Bedarf an Eichenlaub?
Der Deutsche Werkbund hat zu dem 50-PfennigStück Stellung genommen, und ich darf aus seiner Stellungnahme ein paar Zeilen anführen. Der Werkbund schreibt:
Der Werkbund kann sich nicht vorstellen, daß jenes in der Presse veröffentlichte Modell das Resultat des Wettbewerbs sei. Es ist schon in den formalen Einzelheiten anfechtbar, und es ist in der Konzeption so traurig, als sollte unsere Zeit noch immer in fragwürdiger Münze ihren Tribut entrichten an ein Gestern, dessen spekulatives Exerzieren mit überlebten Formen endlich einmal überwunden werden müßte. Der Werkbund fordert, daß die Bank deutscher Länder über die
Vorgeschichte des neuen 50-Pfennig-Stücks Auskunft erteilt und daß die Modelle und Entwürfe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Ich habe dieses Beispiel gebracht, um zu zeigen, wie plötzlich solche Zeichen auftauchen, von denen niemand weiß, woher sie kommen. Plötzsind sie da, und man steht vor vollendeten schlimmen Tatsachen.
Nun geht die Sache leider im Bund noch weiter. Es ist jetzt ein Rundschreiben für Entwürfe von Briefmarken der Bundesrepublik Deutschland herausgekommen, und zwar anscheinend in größter Eile; denn man hat auf Tendenzen unseres Antrages in keiner Weise Rücksicht genommen. Das Interessante ist auch das Ergebnis. Der Berufsverband bildender Künstler und der Deutsche Werkbund lehnen dieses Preisausschreiben wegen verschiedener Mängel ab. Sie überlegen, ob sie nicht ihren Mitgliedern empfehlen sollten, sich überhaupt nicht an diesem Preisausschreiben zu beteiligen.
Gerade bei den Briefmarken wäre es wirklich besonders wichtig, daß einmal etwas Gutes geschaffen wird; denn bisher hat sich Deutschland — auch hier von wenigen Ausnahmen abgesehen — durch besonders wenig populäre und wenig gefällige Briefmarken ausgezeichnet.
Der Antrag soll sich durchaus nicht gegen die
Mitwirkung der Fachkreise wenden. Was von der
Post, vom Münzwesen her fachmännisch einzuwenden, zu beraten und zu entscheiden ist, das
sollen diese Fachleute machen. Aber auf der andern Seite sollen auch für die künstlerischen Belange Fachleute zugezogen werden. Es darf gerade auf diesem Gebiet nicht immer wieder zu
einer Zuständigkeit der Unzuständigen kommen.
Ich kann aus diesem Grunde auch nicht verstehen, warum dieser Antrag mit Rücksicht auf den vorhergehenden Antrag erst noch einmal an den Ausschuß verwiesen werden soll; denn der Antrag will ja nichts anderes, als daß hier vorbeugend gearbeitet wird und nicht nach der Methode des berühmten Schimmels, dem man als er verhungert war, Heu vorgelegt hatte.
Die Bedeutung des Antrages geht aber noch weit über das rein Äußerliche, über das rein Sichtbare hinaus. Man spricht doch so viel von der Erziehung des Volkes zur Kunst. Hier handelt es sich um praktische Kunstpflege. Die Münzen, die Briefmarken, die Siegel sind Dinge, die als Symbole des Staates dauernd in die Hände des ganzen Volkes kommen, auch in die Hände der Jugend. Gerade mit diesen Symbolen, diesen Zeichen, mit diesen Gegenständen müssen wir dem Volke einen hohen Maßstab für die Beurteilung anderer künstlerischer Erzeugnisse an die Hand geben.
Ich möchte Sie deshalb bitten, dem Antrag zuzustimmen.