Rede von
Dr.
Erich
Köhler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Abgeordnete, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. – Ich appelliere an die Ritterlichkeit der Herren, einer Frau Abgeordneten das Sprechen leichter zu machen.
— Bitte, Frau Abgeordnete!
Frau Dr. Gröwel , Berichterstatterin: Mag auch neben den großen Kulturaufgaben des Bundes und der Länder die Pflege der Münzkunst oder der Briefmarkengraphik als relativ unerheblich erscheinen, so darf doch nicht übersehen werden, daß Siegel, Münzen, Geldscheine und Briefmarken in ihrer ungeheuren Verbreitung eigentlich die weitreichendste Äußerung des kulturellen Lebens eines Volkes sind. Die Rückschlüsse von der Gestaltung dieser Dinge auf das Gesicht der Kunst eines Volkes überhaupt liegen nahe und sind zwingend. Was bisher auf diesem Gebiete geschehen ist, lief oftmals auf nichts Geringeres als auf eine unverantwortliche Entstellung des künstlerischen Schaffens in unserem Volke hinaus. Man hat den Eindruck, daß das Geschäft der Auftragserteilung oder der Begutachtung oftmals von Leuten betrieben wurde, die künstlerisch überhaupt nicht zuständig waren, sondern die vielleicht nur zufällig an jenen Amtsstellen saßen, die solche Aufträge im Augenblick zu vergeben hatten.
Beispiele dafür ließen sich in diesem Zusammenhang leicht nennen. Ich will nur auf eines hinweisen, das mir in diesen Tagen in die Hände kam. Es handelt sich um den Entwurf für das neue Markstück, das auf der Rückseite eine leicht aus den Fugen geratene Säerin darstellt. Peinlich ist nur, daß dieser Entwurf eine schwächliche Neuauflage eines in Frankreich durch Jahrzehnte hindurch verbreiteten und fast klassisch zu nennenden Münztyps, nämlich der Säerin von Roty war. Die Blamage ist eigentlich kaum auszudenken, daß sich die neue Bundesrepublik als ihre erste Visitenkarte ein Geldstück ausgesucht hätte, das das Münzbild Frankreichs reichlich schlecht nachgeahmt hat. Man darf also nicht versäumen, die seit vielen Jahren auf dem Gebiete der Medaillen, der Münzen und der Glyptik tätigen Künstler aufzurufen, damit das Beste, was in Deutschland geboten werden kann, erreicht wird.
Was hat alles Gespräch über die Kunsterziehung eines Volkes denn für einen Sinn, wenn der Staat mit schlechtem Beispiel vorangeht? Nur durch das gute Beispiel kann tatsächlich das Volk erzogen werden. Die Dinge, die jeder jeden Tag tatsächlich in die Hand nimmt, wirken sich in einem guten Sinn aus, wenn sie künstlerisch wertvoll gestaltet sind.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Goethe-Plakat hinweisen. Ich finde, eine solche internationale Blamage dürften wir uns nicht noch ein zweites Mal leisten. Wir müssen uns darüber klar sein, daß das Beispiel des Staates auch in die privaten Bezirke hineinwirkt. Der sagenhafte Kitsch, der von wirtschaftlichen Unternehmungen und von den verschiedensten Vereinigungen bei der Vergebung von sogenannten Ehrenmedaillen und Diplomen verbrochen wird — von Reklamegraphik und von Plakaten hier gar nicht zu sprechen —, ist eigentlich ungeheuer und sollte wirkungsvoll durch das gute Beispiel des Staates bekämpft werden. Das wäre praktische Kulturpolitik. Das ist Kulturpolitik, die auch eine soziale Seite hat, nämlich die Auftragserteilung an die wirklich befähigten Künstler durch die Öffentliche Hand.
Darum stellt der Ausschuß für Kulturpolitik den Antrag, die Gestaltung der amtlichen Graphik des Bundes durch einen öffentlich auszuschreibenden Wettbewerb zu bestimmen und die Entscheidung einem wirklichen Fachgremium zu übertragen, an dem — das ist der Wunsch des kulturpolitischen Ausschusses — auch die Mitglieder des kulturpolitischen Ausschusses als Sachverständige angemessen zu beteiligen sind.