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ID0102904700

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    Deutscher Bundestag — 29. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1950 899 29. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. Januar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . . . . 899D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Dezember 1949 (Drucksachen Nr. 398 und 392) 900A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung von Leistungen an Kriegsopfer (Drucksache Nr. 395) . 900B Storch, Bundesminister für Arbeit 900B Frau Dr. Probst (CSU) 901D Bazille (SPD) 903C, 910C Mende (FDP) 905B Renner (KPD) 906A Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 907C Löfflad (WAV) 908B Frau Kalinke (DP) . . . . . . 908C Frau Arnold (Z) 909D Dr. Ott (parteilos) . . . . . . 910A Beschlußfassung über den Entwurf einer Verordnung über Errichtung einer Zweigstelle des Deutschen Patentamtes in Groß-Berlin (Drucksachen Nr. 397 und 368) 910C Dr. Wellhausen (FDP), Bericht- erstatter 910D Dr. Decker (BP) 910D Dr. Schatz (CSU) 911A Dr. Bucerius (CDU) . . . . .. . 911C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz . . . . 911D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der KPD betr. die Einstellung des Verfahrens gegen Angestellte der „Niedersächsischen Volksstimme" (Drucksachen Nr. 421 und 386) . . . . 912C Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 912C Dr. Richter (NR) 915C Renner (KPD) 916B Kiesinger (CDU) 918B Loibl (CSU) . . . . . . . . 919C Brunner (SPD) 919D Ewers (DP) 920D Rische (KPD) 921D Zweite und dritte Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung von Abschlagszahlungen auf die Einkommen-und Körperschaftsteuer 1950 (Drucksachen Nr. 396 und 367) 922D Dr. Besold (BP), Berichterstatter . 923A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Sozialen Wohnungsbau (Antrag der Fraktion der SPD) (Drucksache Nr. 352) 923D Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 923D Klabunde (SPD), Antragsteller . . . 924A Dr. von Brentano (CDU) . . . . . 926A Loritz (WAV) 926B Dr. Glasmeyer (Z) . . . . . . 927C Paul (KPD) 927D Nächste Sitzung 928C Die Sitzung wird um 14 Uhr 47 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion bedauert diesen Beschluß des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität. Der Herr Berichterstatter, dem ich für seinen objektiven Bericht mit der kleinen Einschränkung zu danken habe, daß er leider unterlassen hat, die Argumente, die unsere Freunde gestern abend im Ausschuß zum Ausdruck gebracht haben, auch mit bekanntzugeben, hat mit Recht herausgestellt, daß durch unsern Antrag einige entscheidende Probleme gestellt sind, nämlich die sogenannten Grundrechte, die in unserm Grundgesetz verankert sind, und zwar das Recht der Pressefreiheit und das Recht auf Immunität. Er hat ganz richtig ausgeführt, daß leider auch im Parlamentarischen Rat schon die
    Immunität der Abgeordneten dieses Parlamentarischen Rates, soweit sie gegen die Besatzungsmächte in Anspruch genommen werden mußte, nicht anerkannt worden ist. Wie wir wissen, wird die Immunität der Bundestags- und Landtagsabgeordneten auch heute noch nicht von den Besatzungsmächten anerkannt, sobald diese glauben, ihr Ansehen verteidigen zu müssen und ihre Sicherheit wahrnehmen zu sollen.
    Meine Damen und Herren, ich habe den peinlichen Eindruck, daß Sie es unterlassen haben, sich einmal mit dem inkriminierten Artikel bekanntzumachen, dessen Veröffentlichung die Auswirkungen zur Folge hatte, von denen der Herr Berichterstatter gesprochen hat. Dieser Artikel ist nichts mehr und nichts weniger als eine Aufforderung des Landesvorstandes unserer Partei von Niedersachsen an die Arbeiterschaft, vor allem an die Arbeiterschaft von Watenstedt-Salzgitter, sich gegen die Demontage ihres Arbeitsplatzes zur Wehr zu setzen. Es handelt sich also in diesem Artikel darum, die Arbeiterschaft und das deutsche Volk in seiner Gesamtheit gegen Maßnahmen der Besatzungsmacht mobilzumachen, die auch in diesem Hause bei allen Parteien auf mehr oder minder heftige grundsätzliche Kritik gestoßen sind. Nichts anderes steht in diesem Artikel.
    Es ist nun sehr bedauerlich, daß die Mehrheit des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, vor allen Dingen die Vertreter der beiden hier genannten Parteien, der SPD und der CDU/CSU, sich an dieser Seite des Problems vorbeigedrückt haben. Ich kann mir nicht helfen; so ist der Tatbestand. Die Verteidigung der Immunität eines Abgeordneten ist eine selbstverständliche Sache, und es war hohe Zeit, daß der Bundestag einmal mit absoluter Eindeutigkeit ausgesprochen hat, daß er das Recht auf Immunität für die Abgeordneten auch gegenüber den Besatzungsmächten geltend macht. Wenn das auch eine selbstverständliche Einstellung ist, so sind wir Kommunisten doch dafür dankbar, daß diese Klarstellung endlich erfolgt ist, und wir können nur wünschen, daß die Bundesregierung schleunigst und mit Erfolg bei der Hohen Kornmission vorstellig wird, um das zu erreichen, was offensichtlich Auffassung des gesamten Plenums ist.
    Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie glauben, die zweite Seite des Problems dadurch umgehen zu müssen, daß Sie uns Kommunisten das Recht bestreiten, uns für die nationalen Belange und die demokratischen Rechte der Bevölkerung in Westdeutschland einzusetzen, dann gäbe es doch eine logische Schlußfolgerung: daß Sie aufständen und die Menschen, auch wenn es Kommunisten sind, verteidigten, die vor einem Besatzungsgericht stehen, weil sie sich dafür eingesetzt haben, wofür nach Ihren Erklärungen Sie ja alle sich einzusetzen bereit sind. Das wäre eine zwingende Schlußfolgerung.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Dieser Schlußfolgerung sind Sie aus dem Wege gegangen. Warum? Weil Sie vermeiden wollen, zum Gesetz Nr. 5 und zu den Strafverordnungen der Hohen Kommissare zum Schutz der Besatzungsmacht eine klare Haltung zum Ausdruck zu bringen. Diesem Problem wollen Sie aus dem Wege gehen. Sie wollen in diesen beiden entscheidenden Fragen, deren Auswirkungen Ihre Vertreter gestern ebenfalls beklagt haben, mindestens soweit sie sich auf das Pressegesetz


    (Renner)

    beziehen, einer Diskussion, einer kämpferischen Auseinandersetzung mit den Hohen Kommissaren ausweichen. Und Sie machen sich das nach bewährtem Muster bequem, indem Sie den Spieß umdrehen und sagen: Kommunisten, die diesen Antrag gestellt haben, haben kein Recht, die Grundrechte des Grundgesetzes für sich geltendzumachen, weil sie das bejahen, was sich in der dreimal, dreimal, dreimal bösen Sowjetzone tut Ich frage Sie: Ist das für einen deutschen Menschen logisch gedacht? Müßten Sie, die Sie sich doch immer als hundertzwanzigprozentige Verteidiger der Grundrechte, die im Grundgesetz verankert sind, aufspielen, in die Wahrung dieser Grundrechte nicht auch solche Menschen einbeziehen, von denen Sie doch selber, wenn Sie wahrhaftig sind, anerkennen müssen, daß sie letztlich deutsche Interessen vertreten haben? Oder war dieser Artikel gegen die Interessen unseres Volkes gerichtet? Daß ihn Kommunisten geschrieben haben, daß er in einem kommunistischen Verlag gedruckt worden ist, ändert doch an dem Endtatbestand nichts.

    (Zuruf von der KPD: Das ist uns als Ehre anzurechnen!)

    — Richtig, das ist uns zur Ehre anzurechnen, meinen wir Kommunisten.
    Und wie reagieren Sie? Sie sagen: die Kommunisten haben kein Recht, weil sie ihrerseits das für richtig halten und verteidigen, was sich in der Deutschen Demokratischen Republik vollzieht.
    Nun eine kleine Richtigstellung. Sie irren sich, wenn Sie uns Kommunisten in diesem Hause unterstellen, daß wir von Ihnen den Rechtsschutz fordern, den das Grundgesetz uns eigentlich zugesteht. Sie irren sich, daß wir Ihnen die Bereitschaft unterstellen, uns diesen Schutz zu gewähren. Wir haben soviel böse Beispiele erlebt, die uns Beweis genug waren, daß Sie Ihre vielgerühmte und Kielgepriesene Demokratie nur zugunsten der herrschenden Schicht in diesem Hause zu spielen bereit sind.

    (Abg. Kiesinger: Sonst wären Sie doch gar nicht hier, Herr Renner!)

    — Wenn es von ihrem Willen abhinge, wären wir bestimmt nicht hier.

    (Abg. Kiesinger: Wissen Sie das so genau?)

    -- Das weiß ich genau; denn wo Sie uns ausschalten können, da tun Sie das. Ich erinnere nur daran, daß Sie uns zum Beispiel aus den entscheidenden Ausschüssen — ERP-Ausschuß, Ausschuß für gesamtdeutsche Interessen usw. — ausgeschlossen haben, ohne eine Begründung auch nur zu wagen, nur weil es Ihnen unangenehm war, daß wir Kommunisten in die Lage gekommen wären, dort im Ausschuß, wo Sie die Karten offenlegen müssen, hinter die Hintergründe ihrer Manipulationen und politischen Manöver zu kommen. So liegen die Dinge. Sie haben uns in der Anwendung der Geschäftsordnung, Sie haben uns durch Ihre ganze Praxis, vor allen Dingen aber durch die Methode, uns aus den Ausschüssen auszuschließen, bewiesen, was Sie unter Ihrer vielgerühmten Demokratie in Wirklichkeit verstehen.

    (Zuruf rechts: Zur Sache!)

    — Ich rede zur Sache, lieber Herr! Wenn Ihnen das nicht zur Sache zu sein scheint, dann bitte ich Sie, sich so lange ins Café zu setzen.

    (Heiterkeit. — Glocke des Präsidenten.)

    Ich möchte zur Unterstützung unserer Auffassung, daß in diesem Prozeß gesamtdeutsche Belange zur Aburteilung stehen, zusätzlich zu dem, was gestern von meinem Freund gesagt worden ist, nur zwei neue Dinge zitieren, die uns heute bekanntgeworden sind. Vor mir liegt ein Beschluß der rheinisch-westfälischen Zeitungsverleger, in dem es heißt:
    Die rheinisch-westfälischen Zeitungsverleger verweisen darauf, daß die Durchführung des Prozesses zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der im Grundgesetz garantierten Pressefreiheit führen würde. Gegenüber der Tatsache, daß die Geschäftsführung der Druckerei der „Niedersächsischen Volksstimme" mit unter Anklage gestellt worden ist, heben sie hervor, daß bei der Lizenzierung der Zeitungen jede Einflußnahme des Druckers auf die Gestaltung und den Inhalt der Zeitung von der Militärregierung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.
    Die Lizenzbedingungen besagen also, daß der Drucker kein Recht der Einflußnahme auf den Inhalt der Zeitung hat. Im Gesetz Nr. 5 wird nun der Drucker von derselben britischen Militärregierung bzw. vom Hohen Kommissar dafür verantwortlich gemacht, was der Redakteur in das auf seinen Namen eventuell sogar lizenzierte Organ hineinsetzt.
    Eine andere Verlautbarung. Dr. Gereke — wer es nicht wissen sollte, nur für den der Zusatz, daß er der CDU angehört und daß er stellvertretender Ministerpräsident von Niedersachsen ist — erklärte im Zusammenhang mit diesem Prozeß, die Anklageerhebung und das Verbot der „Niedersächsischen Volksstimme" hätten nichts mehr mit Demokratie zu tun.

    (Zuruf von der FDP: Das könnte wohl wahr sein!)

    — Wenn das wahr sein könnte, warum ermannen Sie sich da nicht und springen anstatt der Kommunisten, denen Sie das Recht bestreiten, in die Bresche und verteidigen Ihre Demokratie? Der Zwischenruf war sehr ungeschickt von Ihnen, lieber Freund!
    Wir sind der Meinung, daß die politische und wirtschaftliche Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik eine Entwicklung ist, die sich auch in Westdeutschland zum Heil unseres Volkes vollziehen müßte.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das ist aber ein Irrtum!)

    — Für Sie ein Irrtum; ich habe ja nur von uns gesprochen. — Wir sind andererseits der Auffassung, daß die Entwicklung, wie sie sich nach 1945 in Westdeutschland vollzogen hat, gegen die Interessen des deutschen Volkes ist. Wir sind der Meinung, daß es falsch ist und gegen die Interessen unseres Volkes sich richtet, wenn in Westdeutschland zum Beispiel in der Wirtschaft die alten Wehrwirtschaftsführer, die alten Generaldirektoren, die alten Großaktionäre und im Bankwesen die alten Pferdmengesse, die Träger und die Stützen des Hitlersystems, heute wieder an der Macht sind. Wir halten das für falsch.

    (Abg. Schröter: Das soll auch anderswo vorkommen!)

    Wir sind der Auffassung, daß die Entwicklung drüben in puncto Agrarreform richtig ist.

    (Abg. Strauss: Zur Sache, Herr Renner!)



    (Renner)

    1— Bitte sehr, das gehört absolut zur Sache.

    (Abg. Strauss: So schauen Sie aus!)

    — Wenn Sie die Sache ernst ansehen, dürfen Sie nicht den Zwischenruf machen. Der Herr Berichterstatter hat ja begründet, warum der CDU-Vertreter uns das Recht abspricht, deutsche Belange zu vertreten.

    (Abg. Strauss: Da hat er allerdings recht!)

    Wir halten die Entwicklung für falsch, die einen Adenauer an die Spitze dieses separaten Weststaates geführt hat. Wir halten die Entwicklung für falsch, die dazu geführt hat, daß wir anstatt eines Friedensvertrages zum Beispiel das Besatzungsstatut bekommen haben, und wir halten es für falsch, daß in Westdeutschland die alten Kräfte an der Macht sind, denen das Volk das Elend von gestern verdankt. Wir sind der Auffassung, daß es im Interesse unseres Volkes am besten wäre, wenn bei uns diese Kräfte wirtschaftlich und politisch entmachtet wären. Das ist unsere Auffassung.

    (Unruhe und Zurufe.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich bitte, den Redner nicht zu unterbrechen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Unser Ziel geht darauf hin- aus, auch in Westdeutschland die patriotischen Elemente des deutschen Volkes zur nationalen Abwehrfront zusammenzuschließen

    (Lachen rechts und in der Mitte)

    gegen diese Ihre Politik und gegen die Kräfte. die ihre typischste Personifizierung in dem Herrn Bundeskanzler Dr. Adenauer gefunden haben, auch Sie nicht zu vergessen, Herr Lehr, und in dem typischsten aller typischen CDU-Vertreter des christlichen Sozialismus, in Herrn Pferdmenges.