Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel steht das Haus in der Behandlung einer Frage, zu der man so oder so — ob es einem angenehm ist oder nicht — grundsätzlich Stellung nehmen muß.
Ich glaube nämlich, daß man hier sogar sehr eindeutig Stellung zu beziehen hat. Denn einmal stehen Rechte auf dem Spiel, die im Grundgesetz der deutschen Bundesrepublik festgelegt sind. Darüber hinaus wirft sich leicht die Frage auf, inwieweit ein Vorgehen, wie es in dem erwähnten Antrag geschildert ist, mit der Haager Landkriegsordnung in Einklang zu bringen ist, die ja auch die Alliierten bejaht haben und nach der die Landesgesetze grundsätzlich immer zu beachten sind. Ich finde, man sollte sich seitens der hohen Alliierten einmal überlegen, ob das Gesetz Nr. 5 damit tatsächlich in Einklang zu bringen ist. Es liegt dann nämlich im Ermessen der Hohen Kommission, grundsätzlich jede Meinungsäußerung in Deutschland, wenn es ihr paßt, als die Sicherheit der Alliierten bedrohend zu unterdrücken und entsprechend zu verfolgen.
Ich muß dem Redner der KPD von gestern allerdings in einem widersprechen. Es kann nämlich meiner Überzeugung nach nicht unsere Sache sein, die Höhe zu bestimmen, die die Alliierten selbst ihrem Ansehen beimessen. Wenn die Briten die Verhandlung gegen Redakteure und Angestellte einer in Hannover erscheinenden Zeitung zur Wahrung ihres hohen Ansehens vor einem niederen Militärgericht ansetzen, so muß das natürlich ihrem Ermessen überlassen bleiben. Wenn allerdings — und das ist hier eine ganz entscheidende Frage, die ich genau zu überlegen bitte — sogar ein Abgeordneter vor ein Militärgericht gestellt werden soll — ganz gleich, welcher Partei er angehört, das kann nämlich morgen jedem aus
diesem Hause ebenso passieren —, dann ist das eine Frage, meine Damen und Herren, an der der Bundestag nicht mit ein paar schönen Redensarten vorbeigehen kann. Ich glaube nämlich
das möchte ich an dieser Stelle bereits ausgesprochen haben —, es handelt sich hier um einen ersten Versuch, die Rechte der Demokratie und des Parlaments im Interesse der Besatzungsmächte außer Kraft zu setzen. Oder vielleicht handelt es sich um eine Sonderlektion, die Deutschland darüber erhalten soll, was es nun unter Demokratie und Immunität der vom Volk gewählten Vertreter verstehen darf.
Es ist kein Grund vorhanden, sich darüber zu wundern, daß hier ein Abgeordneter vor ein Militärgericht gestellt werden soll, wenn man weiß, wie oftmals Volksvertreter von alliierter Seite behandelt wurden; gegenüber den Beispielen, die man in dieser Richtung anführen könnte, würden die Vorgänge in Hannover meiner Ansicht nach noch verblassen.
Aber, meine Damen und Herren, es wird hier, wie ich schon erwähnte, das Völkerrecht, das Recht der Demokratie und damit der Volksvertretung bedroht. Jedem, der an den Alliierten im Interesse des Volkes glaubt Kritik üben zu müssen, kann morgen ein ähnliches Verfahren —. natürlich aus „Sicherheitsgründen" — angehängt werden. Einmal hat nach dem ersten Weltkrieg Albion, als es noch anerkannt seetüchtig war, ein ganzes Parlament — das türkische nämlich — nach Malta verschleppt und dort hinter Stacheldraht tagen lassen. Wenn der Bundestag seine Pflicht dem deutschen Volk gegen) über restlos erfüllt, könnte ihm eines Tages unter Umständen das gleiche geschehen, falls es England vom erzieherischen Standpunkt aus für notwendig hält.
Ich glaube deshalb, daß hier die Rechte der Volksvertretung — ich sagte schon, ganz gleich, welcher Partei einer angehört — um jeden Preis verteidigt werden müssen.
Und wenn man vorhin auf das Beispiel der Ostzone hinwies, so glaube ich, wir sollten uns gerade darüber hinausheben und dieses Beispiel nicht für uns als bindend ansehen, sondern besser sein.