Rede von
Erich
Klabunde
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich darf die Geschichte der Behandlung dieses Antags kurz schildern, weil Sie daraus ersehen werden, wie die an sich unmögliche Situation eintreten konnte, daß eine Fraktion ihren eigenen Antrag ablehnt und, wie ich glaube, ablehnen muß.
Als wir die Beratungen im Ausschuß begannen, herrschte allgemein die Auffassung, daß ein so dringliches Thema wie das des Wohnungsbaues behandelt werden könne, ohne daß dabei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien in Erscheinung zu treten brauchten. In der Tat konnte dieser Eindruck eine ganze Weile bestehen. Als wir vor gut acht Tagen eine einheitliche Fassung des Ausschußantrages beschlossen, glaubten wir, den Punkt erreicht zu haben, wo wir der Regierung wirklich einige wesentliche Richtlinien geben konnten. In einer Sitzung, die lediglich noch der Kenntnisnahme der redaktionellen Formulierung des Beschlusses dienen sollte, ist dann aber eine völlige Wendung eingetreten. Vertreter der Regierungsparteien — und zwar Vertreter, die ursprünglich nicht an den Sitzungen teilgenommen hatten — haben es für notwendig gehalten, eine Änderung des Beschlusses anzuregen, und haben mit ihrer Mehrheit auch Änderungen hineingebracht, die für uns Sozialdemokraten nicht annehmbar sind.
Während der sozialdemokratische Antrag dahin lautete, das Programm des sozialen Wohnungsbaus allein solle sich auf 250 000 Wohnungen belaufen, wurde diese Zahl nun zur Grundlage eines Gesamtprogramms gemacht, in das der sogenannte freie Wohnungsbau mit einbezogen werden sollte. Für uns handelte es sich darum, durch Förderungsmaßnahmen die Herstellung von einer Viertelmillion Wohnungen durch den sozialen Wohnungsbau sicherzustellen und die völlig ungewisse Zahl der Wohnungen, die nach dem freien Stil ohne öffentliche Förderung erstellt werden sollen, außerhalb dieses Programms zu lassen, das heißt: wir hatten die Hoffnung, in der Gesamtsumme beider Zweige zu einem wesentlich höheren Ergebnis als 250 000 Wohnungen zu gelangen. Das war nicht nur die sozialdemokratische Auffassung, sondern das war die Auffassung aller Parteien im Ausschuß ohne Unterschied der Couleur, und zwar aller derjenigen Vertreter, die seit Bestehen des Ausschusses an diesen Erörterungen teilgenommen hatten. Nachdem nun auf einen Wink von oben — und dieser Wink von oben lag vor — der Ausschußbericht geändert werden mußte, können wir ihm unsere Zustimmung nicht geben.
Dahinter steht die außerordentliche Spannung zwischen den wohnungspolitischen Bestrebungen der Regierung und den Auffassungen des Bundesfinanzministers. Der Bundesfinanzminister ist nicht gewillt, auch nur eine Mark für den Wohnungsbau herzugeben.
Er erklärt, daß dem Wohnungsbau lediglich bestimmte Mittel aus der Soforthilfe und Mittel aus den Umstellungsgrundschulden — die ja nie unter der Bezeichnung Bundesmittel in den Bundeshaushaltsplan gehören — zur Verfügung stehen sollen. Es sind an sich keine Bundesmittel; sie werden nur deswegen als Bundesmittel deklariert, damit die Bundesregierung auf dem Wege über die Kreditbedingungen in der Lage ist, über die Ver-
wendung der Gelder im einzelnen zu bestimmen. Aber halten Sie fest — und das ist eine objektive Feststellung, die ich treffe —: die Bundesregierung will keine Gelder für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen!
Die Vertreter sämtlicher Parteien haben im Ausschuß mit sehr viel Nachdruck und mit, ich möchte beinahe sagen, Härte gegen den Vertreter des Bundesministeriums gesprochen. Das Ergebnis dieser Aussprache war die ursprüngliche, in völliger Einmütigkeit zustande gekommene Fassung des Ausschußberichts. Wenn das die Situation ist, dann möchte ich allerdings auch jetzt noch an die Regierungsparteien appellieren, möchte sie fragen, ob sie den Augenblick für gekommen halten, schon jetzt, bevor das Programm der Regierung festliegt, so wesentliche Rückschritte zu machen und dadurch die retardierenden Elemente der offiziellen Wohnungspolitik so stark zu unterstützen, wie es gegenwärtig der Fall ist.
Sie wissen, daß der Bundeswohnungsminister in seinem Ministerium seit längerem dabei ist, den Entwurf eines Gesetzes über die Förderung des Wohnungsbaus auszuarbeiten. Dieser Gesetzentwurf erfährt, soweit man hört, dauernd Verschlechterungen insofern, als Abschwächungen erfolgen und keine Konkretisierung. Wir haben also wohnungspolitisch eine rückläufige, keine vorwärtsschreitende Entwicklung. Die Regierung hat ebenso wie die Opposition die Förderung des Wohnungsbaus als die dringlichste Aufgabe erklärt. Das Gesetz noch in seiner Entstehungszeit bereits — ganz objektiv ausgedrückt — zu verschlechtern, ist nach unserer Auffassung untragbar. Zum ersten Mal in Deutschland soll ein Wohnungsgesetz geschaffen werden, das über die Wohnraumbewirtschaftung hinausgeht. Diese Forderung ist meines Wissens erstmalig vor 45 Jahren unter völlig friedlichen Verhältnissen erhoben worden. Damals gab es einen Verein „Wohnungsgesetz", der die Wohnungsfragen bereits im ganzen Reichsgebiet ordnen wollte.
Dieses jetzt im Entstehen begriffene Gesetz dient nicht mehr der Förderung des Wohnungsbaus, sondern überläßt die Entscheidung, wie Sie bei einem Vergleich der Entwicklung der Entwürfe feststellen werden, in immer stärkerem Maße den bürokratischen Instanzen. Die Wohnungspolitik ist aber eine so wichtige politische Frage, daß das Parlament zur Wohnungspolitik der Regierung Stellung nehmen muß. Man kann nicht, wie es jetzt beabsichtigt ist, alle wichtigen Fragen der Entscheidung bürokratischer Instanzen überlassen.
Ich darf den Herrn Bundesminister für. Wohnungsbau zitieren, der in der Öffentlichkeit mehrfach so wichtige Grundsätze wie etwa den der Normierung einer monatlichen Höchstmiete mit zirka einer Mark je Quadratmeter in den Großstädten aufgestellt hat. In dem Gesetzentwurf wird davon keine Spur zu finden sein. Wenn ich diesen Punkt anschneide, dann deswegen, um zu erreichen, daß der Gesetzentwurf der Regierung besser wird, als er heute zu werden droht.
Aber ich darf noch auf eine weitere Verschlechterung des Ausschußberichtes gegenüber der ursprünglichen Fassung aufmerksam machen. Unser sozialdemokratischer Antrag lautete dahin, daß das bisherige Neubaumietenniveau nicht überschritten werden darf. Die Vertreter der Regierungsmehrheit haben das Wort „darf" in „soll" geändert. Meine Damen und Herren, wer das Wort „darf" in „soll" ändert, hat ganz bestimmte Absichten. Er
hat nämlich die Absicht, das Gegenteil von „darf" auszudrücken,
das heißt die Absicht, eine Aufwärtsentwicklung der Neubaumieten — zwar nicht allgemein, aber doch in einer ganzen Anzahl von Fällen — freizugeben. Daß wir eine solche Verschlechterung unseres Antrages nicht mitmachen können, werden Sie uns wohl zugestehen müssen.
Meine Absicht ist es aber nicht allein, unseren ablehnenden Standpunkt zu begründen. Vielmehr möchte ich insbesondere an Sie appellieren, dahin zu wirken, daß aus dem schlechteren in Arbeit befindlichen Entwurf der Regierung ein besserer wird. Ich weiß, es werden in der anschließenden Debatte Einwendungen kommen, die etwa so lauten: was meint ihr denn mit dem „sozialen Wohnungsbau"? Meine Damen und Herren, der soziale Wohnungsbau ist keine Patenterfindung der SPD, sondern schon seit mehreren Jahrzehnten haben Regierungen der Länder und des Reiches, haben Verwaltungsstellen aller Art an vielen Orten Deutschlands die Frage zu klären begonnen, und sie ist geklärt. Beispielsweise liegt aus dem zuständigen bayerischen Innenministerium eine ausgezeichnete Definition des Begriffs „sozialer Wohnungsbau" vor, die wir fast wörtlich unterschreiben können. Es sind also nicht etwa Begriffsunklarheiten, die die Änderungen erzwungen haben, sondern es sind ganz bestimmte politische Absichten, deren Verwirklichung sozialpolitisch leider sehr nachteilig wäre. Ich beziehe mich bei meiner Forderung nach Stabilität der Miete nicht nur auf die Äußerungen vieler Persönlichkeiten aus fast allen Parteien. Ich beziehe mich insbesondere auch auf Äußerungen des Herrn Bundesministers für Wohnungsbau. Wenn das aber einhellige Meinung ist, weswegen soll diese dann nicht festgelegt werden, weswegen dann ein „soll" anstelle des ursprünglich hineingeschriebenen „darf"?
Meine Damen und Herren, dies ist der Auftakt zu einer wohnungspolitischen Debatte, die wir hoffentlich sehr bald führen werden und bei der die Grundsätze der Wohnungspolitik der Regierung sehr eingehend erörtert werden müssen. Wenn die Regierung alles das, was wir heute hier sagen, beachtet, wird sie uns, der Opposition, bei der im Januar oder im Februar stattfindenden Debatte Argumente entwinden. Ob sie es tun wird, wissen wir nicht. Aber wir appellieren an Sie alle - gerade weil auch aus Ihrem Lager das Wort gefallen ist, der Wohnungsbau solle kein politisches Thema sein —, den Wohnungsbau so zu gestalten, daß wir ihn wirklich verantworten können, und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial vor den Flüchtlingen und all denen, die vordringlich Wohnungen brauchen.
Dazu gehört aber, daß wir das Kokettieren mit einem freien Wohnungsbau, der eine außerordentlich günstige Einkommens- und Vermögenslage voraussetzt, auf das richtige Maß beschränken. Es wird solche frei gebauten Wohnungen geben, aber das wird immer nur eine geringe Zahl sein, und diejenigen, die diese frei gebauten Wohnungen beziehen, sind natürlich nicht die Allerbedürftigsten. Deshalb muß man notgedrungen ganz allgemein, ob es sich nun um die Rechte oder die Linke des Hauses handelt, den Ton auf das Soziale legen. Sie haben es in der Formulierung des vorliegenden Ausschußantrages nicht getan. Holen Sie es nach! Die jetzige Fassung müssen wir ablehnen.