Rede von
Max
Reimann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Im Auftrag der kommunistischen Fraktion habe ich folgendes zu erklären.
Die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers Dr. Adenauer gegenüber einem amerikanischen Korrespondenten, in der er sich für die Remilitarisierung Westdeutschlands aussprach, hat in der westdeutschen Bevölkerung und bei allen friedliebenden Menschen in der Welt die größte Empörung ausgelöst. Noch sind keine fünf Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des Hitlerfaschismus vergangen;
noch sind die Tränen der Kinder und Mütter, die ihre Väter und Söhne in diesem faschistischen Raubkrieg verloren haben, nicht getrocknet; noch ist kein Friedensvertrag geschlossen!
Noch stehen die Besatzungstruppen in Deutschland. Unser Vaterland ist gespalten, die Wohnstätten ' liegen noch in Trümmern. Und trotzdem will ein deutscher Politiker die deutsche Jugend wieder in den Soldatenrock stecken. Hitler und seine faschistischen Generale haben im Auftrag der deutschen Monopolherren im zweiten Weltkrieg des deutschen Volkes höchstes Gut, die Jugend, für ihre verbrecherischen Welteroberungspläne sinnlos geopfert.
Ich frage Sie, Herr Dr. Adenauer, in wessen Interesse und in wessen Auftrag fordern Sie die Eingliederung deutscher Truppenkontingente in eine fremde Wehrmacht, die Sie als „europäisch" bezeichnen.
Mir scheint, daß die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 9. Dezember dieses Jahres gut unterrichtet war, als sie schrieb, daß Sie, Herr Dr. Adenauer, auf den ausdrücklichen Wunsch der amerikanischen Besatzungsbehörden gehandelt haben. Sie können sich erinnern, Herr Dr. Adenauer, daß ich in meiner letzten Rede im Bundestag auf die Pläne der amerikanischen Generale und Politiker hingewiesen habe, die seit einiger Zeit die Ausnutzung der Menschenreserve Westdeutschlands und seines Rüstungspotentials für einen neuen Krieg gegen die Sowjetunion und die volksdemokratischen Republiken fordern.
Ich zitiere hier nur die Äußerung eines Mitglieds des amerikanischen Repräsentantenhauses, der im Organ des amerikanischen Kongresses vom 4. November schrieb:
Ich schlage vor, einen Teil der Dollars, die wir Deutschland zur Verfügung stellen, für die Aufstellung von, sagen wir, 25 Divisionen aus deutschen Staatsbürgern zu verwenden.
Ich weiß
— so sagt dieser Abgeordnete —,
daß die Aufstellung der von mir vorgeschlagenen Formationen zahllosen jungen Amerikanern das Leben retten wird.
Das Mitglied des amerikanischen Repräsentantenhauses findet, daß deutsche Söldlinge billiger als amerikanische Soldaten sind. Er rechnet vor, daß die Amerikaner hierfür nur einen kleinen Teil der Gelder ausgeben, die für amerikanische Soldaten aufgewendet werden müssen. „Wir können das", so sagt er, „mit dem Vorbehalt tun, daß diese Söldner von uns keinerlei Militärrenten bekommen."
Es ist bekannt, daß die Völker Europas und auch das amerikanische Volk sich entschieden gegen neue Kriegspläne wehren. Besonders bei der Jugend Frankreichs und Italiens macht sich immer stärker der Widerstand dagegen bemerkbar, daß sip in ein neues imperialistisches Abenteuer gestürzt werden sollen. Da die Jugend der westeuropäischen Länder nicht das Kanonenfutter des nächsten Krieges sein will, schreibt die bekannte britische Zeitung „Observer" :
Es ist kaum möglich, den Mangel an wehrfähigen Männern in der westeuropäischen Landesverteidigung ohne einen deutschen Beitrag auszugleichen.
Nicht nur die französische Jugend, die italienische, die britische, die amerikanische und auch die deutsche Jugend, Herr Dr. Adenauer, werden zu Ihren antideutschen Plänen „Nein" sagen. Ihr Plan, die deutsche Jugend unter Führung amerikanischer Offiziere in einen neuen Krieg gegen die friedliebenden Völker der Sowjetunion —
und der Volksrepubliken zu senden, wird im nationalen Interesse am Widerstand und an dem Kampf unserer Jugend und der ganzen westdeutschen Bevölkerung scheitern! An dem Friedenswillen und an den traurigen Erfahrungen, die das deutsche Volk in zwei verlorenen Weltkriegen gesammelt hat, wird Ihr Plan, der Plan der deutschen Imperialisten an Rhein und Ruhr und der Plan der amerikanischen Imperialisten scheitern.
Sie, Herr Dr. Adenauer, und Ihre deutschen Auftraggeber haben sich sicher noch keine Gedanken darüber gemacht, was ein dritter Weltkrieg für das deutsche Volk bedeuten würde. Der zweite Weltkrieg kostete der Menschheit 34 Millionen Tote, 28 Millionen Kriegsversehrte und 800 Milliarden Dollar Aufwand an Material. Der zweite Weltkrieg brachte dem deutschen Volk neben ungeheuren Verlusten an Menschenleben die Zerstörung seiner Wohnstätten und den Verlust der nationalen Souveränität im Westen Deutschlands.
Ein dritter Weltkrieg würde Deutschland zum Kriegsschauplatz machen, er würde die Zerstörung unserer Heimat und die physische Ausrottung der Nation bedeuten. Das bereits zitierte Mitglied des amerikanischen Repräsentantenhauses schreibt:
Wir werden alle Brücken zerstören, wir werden alle Schächte ersäufen, wir werden alle
Fabrikschornsteine auf dem Erdboden vertilgen. Wir werden alles zerstören, was die Kommunisten verwenden könnten.
Auf die deutschen Städte würden, wenn die Pläne der Kriegstreiber in Erfüllung gehen, die Atombomben abgeworfen, und sie würden damit in Wüsten verwandelt werden.
Die Politik Dr. Adenauers entspricht der politischen Zielsetzung des anglo-amerikanischen Imperialismus, die ihren Ausdruck im Atlantikpakt und in der Europa-Union findet. Dieser Atlantikpakt aber ist ein Kriegspakt, der geschaffen worden ist zum Zwecke des Angriffs gegen die Völker des Ostens und Südostens Europas. In die strategischen Pläne der Atlantikpaktstaaten wurden das Wirtschaftpotential des Ruhrgebiets und die Menschenreserven Westdeutschlands einbezogen. Um die Gewalt über die westdeutsche Wirtschaft und die Menschen Westdeutschlands zu bekommen, verließen die Westmächte den Boden des Potsdamer Abkommens, spalteten sie Deutschland, unterwarfen sie Westdeutschland dem Ruhr- und Besatzungsstatut und schufen diesen separaten Weststaat, dessen Bundeskanzler Sie, Herr Dr. Adenauer, sind.
Mit der Bereitschaft der Aufstellung eines deutschen Kontingents in der Europaarmee lösen Sie also die Schuld ein, die Sie bei der Bildung des separaten Weststaates und bei der Übernahme des Bundeskanzleramts eingingen. Jetzt, Herr Dr. Adenauer, wird auch jedem verständlich werden, warum Sie im Auftrage der CDU im Grundgesetz forderten, daß die Regierung die Rüstungsaufträge an die deutsche Industrie verteilen kann. Jetzt wird es für jeden klar, warum gerade Sie gegen unseren Kriegsächtungs-Antrag auftraten. Während die Atlantikpaktpläne, der Anschluß an die Europa-Union, die Remilitarisierung Westdeutschlands das deutsche Volk ins Verderben führen, den Untergang des deutschen Volkes, seine physische Vernichtung zur Folge haben, kann das Leben, die Zukunft, Glück und Wohlstand des deutschen Volkes, besonders seiner Jugend, nur durch die Erhaltung des Weltfriedens gesichert werden. Die Bevölkerung Westdeutschlands will nicht in einer Kolonie leben. Sie will nicht wie in der Vergangenheit afrikanische und asiatische Kolonien die Rohstoffe, den Reichtum ihres Landes und die Menschenmassen zur Verwirklichung der Eroberungspläne der Kolonialherren liefern.
Wir Kommunisten sind eins mit der deutschen Jugend,
die es ablehnt, einen westdeutschen Volkssturm in amerikanischer Uniform abzugeben.
Unsere deutschen jungen Menschen wollen nicht Landsknechte einer Kolonialarmee sein.
Unsere deutsche Jugend will weder Rekrut unter den Fahnen fremder noch deutscher Imperialisten sein.
Ich spreche im Namen der gesamten deutschen Jugend,
wenn ich hier feierlichst erkläre: Wir Kommunisten wollen nicht die Zeiten der deutschen Vergangenheit wieder aufleben lassen, als deutsche Fürsten ihre Landeskinder gegen Golddukaten zur Niederwerfung des im Unabhängigkeitskrieg um seine Freiheit kämpfenden amerikanischen Volkes verkauften.
Wir wollen nicht, daß deutsche Jugend im Interesse deutscher und ausländischer Imperialisten gegen deutsche Menschen
in der Deutschen Demokratischen Republik, gegen die Völker des Ostens und Südostens geschickt werden, die sich ihre Freiheit erkämpft haben.
Während die anglo-amerikanischen Imperalisten Westdeutschland in eine Kolonie verwandeln, die Menschen und das Wirtschaftspotential in einem neuen Krieg verwenden wollen, grüßt Generalissimus Stalin die Bildung der Deutschen Demokratischen Republik mit den Worten: „Die Erfahrung des letzten Krieges hat gezeigt, daß das deutsche und das sowjetische Volk in diesem Krieg die größten Opfer gebracht haben, daß diese beiden Völker in Europa die größten Potenzen zur Vollbringung großer Aktionen von Weltbedeutung besitzen. Wenn diese beiden Völker mit gleicher Anspannung der Kräfte ihre Entschlossenheit bekunden werden, für den Frieden zu kämpfen, mit der sie den Krieg führten, so kann der Friede in Europa als gesichert betrachtet werden." Damit gibt Stalin dem deutschen Volk bisher ungeahnte Möglichkeiten einer neuen friedlichen Entwicklung.
Das deutsche Volk braucht den Frieden, es braucht die Wiederherstellung seiner staatlichen Einheit in einer einheitlichen demokratischen Republik. Das deutsche Volk braucht, um sich ein friedliches Leben aufbauen zu können, den sofortigen Abschluß eines gerechten Friedensvertrags mit der Regierung der gesamtdeutschen demokratischen Republik und den Abzug aller Besatzungstruppen aus ganz Deutschland. Die chauvinistische Kriegshetze gegen andere Völker, die Remilitarisierungspropaganda muß unterbunden werden. Das deutsche Volk braucht freundschaftliche Beziehungen zu allen Völkern, insbesondere zu den Völkern des Ostens und Südostens Europas, zu den Völkern der Sowjetunion, zu den volksdemokratischen Ländern und zu den Völkern Chinas. Dazu ist erforderlich, daß die Kriegshetzer, daß die deutschen Imperialisten, daß die Herren der Schwerindustrie an der Ruhr, die Herren der neu entstandenen Großbanken in Westdeutschland durch das deutsche Volk entmachtet werden. In dieser friedliebenden deutschen demokratischen Republik wird das Volk aus eigener Kraft seine Friedenswirtschaft entwickeln. In dieser Republik wird es keine Erwerbslosen mehr geben,
werden keine ,Angriffsbasen gegen andere Völker errichtet.
In ihr wird es keinen Arbeitsdienst der Jugend geben.
In friedlichen Handelsbeziehungen mit allen Völkern, insbesondere mit unserem natürlichsten Handelspartner, werden wir deutsche Fertigwaren in unbeschränktem Umfange liefern und uns die nötigen Rohstoffe und Lebensmittel einhandeln. In einer solchen Republik kann es keine Hohen Kommissare geben, die die Lieferung beispielsweise von 75 000 Tonnen Eisenbahnschienen an die Volksrepublik China verbieten können.
Ich habe in vielen Gesprächen die Meinung des einfachen Menschen unseres Volkes kennengelernt. Sie alle, ob Arbeiter oder Bauer, Angestellter oder Beamter, Bürger oder Akademiker, äußerten ihre Ablehnung gegenüber den Remilitarisierungsplänen und ihr tiefes Verlangen nach der Erhaltung des Friedens. Die Erhaltung des Friedens bewegt alle Menschen, gleich welcher sozialen Stellung, welcher Weltanschauung und welcher politischen Richtung sie angehören. In zahlreichen Betrieben haben die Belegschaften gegen die Unterzeichnung des Ruhrstatuts durch Dr. Adenauer protestiert, und ebenso haben sie gegen die Remilitarisierungspläne Dr. Adenauers protestiert. In vielen Betrieben haben Proteststreiks stattgefunden. In Betriebs- und Gewerkschaftsversammlungen wurden Protestresolutionen angenommen, in München wie in Nürnberg vor 2000 Betriebsräten und Gewerkschaftsvertrauensleuten. Im Namen von 97 000 Nürnberger Betriebsarbeitern haben sie gegen die Remilitarisierung protestiert. Nicht nur die Arbeiter in den Betrieben, sondern auch Frauen und Mütter protestieren gegen Ihre Remilitarisierungspläne, Herr Bundeskanzler. In Velbert protestierten die Eltern von 7000 Kindern gegen die Remilitarisierung und erklärten dabei: Ungeachtet der politischen Einstellung müssen sich bei der jetzt drohenden Gefahr die Menschen aller Richtungen zusammenfinden, um den Frieden zu garantieren. Diese Eltern von Velbert sprechen das aus, was das deutsche Volk denkt.
— Jawohl, wenn alle einheitlich zusammenstehen, wenn sich die Arbeiter in den Betrieben zu einer kämpfenden Einheitsfront zusammenschließen, wenn sich die Bürger, die deutschen Wissenschaftler und Bauern in diese Einheitsfront eingliedern. dann ist der Friede für das deutsche Volk und damit für Europa gesichert.
Herr Abgeordneter Ollenhauer wandte sich in seiner Erklärung gegen die Politik des Herrn Bundeskanzlers. Aber man kann doch nur erfolgreich kämpfen, wenn man unten in den Betrieben und Gewerkschaften den Boden dazu mit vorbereiten hilft, wenn man den Atlantikpakt und die Europa-Union ablehnt. Wer zum Atlantikpakt und zur Europa-Union ja sagt, wie es die sozialdemokratischen Führer tun, der muß in der Konsequenz eines Tages auch zu einem deutschen Kontingent innerhalb der Armee der Europa-Union ja sagen.
Der Beweis dafür wurde bereits durch den Herrn Abgeordneten Karl Schmid im Parlamentarischen Rat gegeben. Herr Ollenhauer, Sie haben heute gegen die Remilitarisierungsabsichten Dr. Adenauers gesprochen. Ich werfe vor der sozialdemokratischen Fraktion folgende Frage auf. Im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rats habe ich einen Antrag der kommunistischen Fraktion begründet, der den Krieg ächtet, und in einem Zusatzantrag habe ich darauf hingewiesen, daß der
Militärdienst deutscher Staatsangehöriger in einer fremden Wehrmacht verboten werden müsse.
Nach der Begründung des Antrags durch mich blieb es dem Vorsitzenden des Hauptausschusses, Professor Carlo Schmid, vorbehalten, zu erklären, .daß in der kommenden Europa-Union eine europäische Streitmacht aufgestellt wird, für die dann das deutsche Volk die Verpflichtung hätte, ein Truppenkontingent zu stellen,
und er empfahl den Mitgliedern des Hauptausschusses, aus diesen Gründen den Antrag der kommunistischen Fraktion abzulehnen.
— Das ist wörtlich aus dem Protokoll zitiert! — Ich frage die sozialdemokratische Fraktion, wie sie heute zu dieser Erklärung ihres damaligen Fraktionsvorsitzenden Professor Carlo Schmid steht. Den sozialdemokratischen Werktätigen wird immer stärker bewußt, daß man gegen die Pläne der in- und ausländischen Kriegstreiber nur erfolgreich kämpfen kann, wenn man vom Reden zum Handeln schreitet und gemeinsam kämpft.
Diese Erkenntnis greift immer mehr um sich.
Das beweisen die einheitlichen Kampfhandlungen der Arbeiter in den Betrieben, die gemeinsamen Proteste gegen die Politik Dr. Adenauers und seiner deutschen und ausländischen Hintermänner.
Ich habe ferner Gelegenheit gehabt, mich in den letzten Tagen mit Arbeitern aller Weltanschauungen und politischen Richtungen zu unterhalten. Ich habe mit Bürgern und anderen gesprochen. Sie legten mir die Frage vor: muß die Bevölkerung Westdeutschlands, nachdem der Bundestag für vier Jahre gewählt ist, auch vier Jahre eine Adenauer-Regierung ertragen?
Allgemeine Zustimmung fand ich, als ich erklärte, das deutsche Volk habe am 14. August seine Stimme so abgegeben, weil Dr. Adenauer und Dr. Blücher es wohlweislich vor der Wahl vermieden dem Volk die Maßnahmen mitzuteilen, die sie in ihrer kaum drei Monate währenden Regierungszeit gegen die Interessen des Volkes durchführten oder durchzuführen beabsichtigen. Ich erklärte weiter, das deutsche Volk habe schon einmal einem Kanzler vier Jahre Zeit gegeben, der es in das Verderben eines Krieges führte; daraus müsse das Volk die Lehre ziehen, daß nicht noch einmal ein Kanzler, dessen Politik die Gefahr des Krieges heraufbeschwört, vier Jahre Zeit bekommen dürfe.