Rede von
Wilhelm
Naegel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint mir, als ob wir hier mit etwas umgekehrten Vorzeichen an die Behandlung des Problems herangegangen sind. Sehr viel von der Diskussion aus dem Wirtschaftsrat über dieses Problem ist bereits in die Erinnerung zurückgerufen worden. Es ist aber dabei wohl übersehen worden, daß auch diejenigen Gruppen, die sich heute hier ablehnend gegenüber einer Verlängerung dieses Gesetzes ausgesprochen haben, zeitweilig im Wirtschaftsrat für das Gesetz eingetreten sind. Es ist dabei natürlich zu berücksichtigen, daß es sich damals um den Versuch handelte, die sogenannten Fachstellen paritätisch zu besetzen. Als dieser Beschluß vom Wirtschaftsrat gefaßt wurde, haben gerade die Gruppen zugestimmt, die heute die Verlängerung ablehnen.
Ich möchte aber beileibe nicht dazu beitragen, nun eine langatmige Diskussion über die Vorgeschichte dieses Gesetzes hier auszulösen. Es scheint mir viel notwendiger zu sein, im Auftrage meiner Freunde kurz die Gedanken auszusprechen, die uns bewegen, dieser Verlängerung zuzustimmen. Wir sind uns grundsätzlich darüber im klaren, daß wir auf dem Wege von einer total staatlich gelenkten Zwangswirtschaft zu einer sozialverpflichteten Marktwirtschaft auch Rudimente der Bewirtschaftung zeitweilig in Kauf nehmen müssen, deren Überwindung aber das Ziel unserer Bemühungen sein muß. Und in diesem Fall ist doch gerade die Entwicklung dieser Einrichtung der Fachstellen ein Beweis für die Richtigkeit unserer Auffassung. Wenn der Kollege Herr Dr. Schöne eben gesagt hat, daß eine völlige Verschiebung in der Aufgabenstruktur der Fachstellen von ihrer Begründung bis heute eingetreten ist, so ist das doch der beste Beweis dafür. Wenn bei Beginn der Arbeiten der Fachstellen 60 bis 70 Prozent der Aufgaben noch Bewirtschaftungsfunktionen waren und wenn heute nur noch vielleicht 10 Prozent dieser Art Aufgaben vorhanden sind, während das Schwergewicht der Fachstellen so, wie es von Anfang an gesehen wurde, heute ganz auf dem Gebiete des Imports liegt,
so bestätigt das die Richtigkeit unserer von Anfang an vertretenen Meinung. Es stimmt auch nicht, daß man unterscheiden müsse zwischen gewerblichen Aufgaben und Importaufgaben. Die Fachstellen sind klar und bewußt mit der Aufgabe begründet worden, beide Funktionen zu erfüllen, nämlich Restbewirtschaftungsaufgaben und Importaufgaben zu lösen. Eine Verschiebung des Schwergewichts von der einen zur anderen Gruppe ist also durchaus nichts Außergewöhnliches.
Wenn wir nun vor der Frage stehen, warum die von uns von Anfang an geforderte Auflösung bis 31. Dezember 1949 nicht so weit betrieben werden konnte, daß diese Einrichtungen nunmehr gegenstandslos werden und das Gesetz ordnungsgemäß zum Ablaufen kommen kann, so scheinen die Ausführungen, die der Bundeswirtschaftsminister gemacht hat, wohl den Kern der Sache zu treffen. Es bestehen noch ganz bescheidene Restbestände der Bewirtschaftung von Eisen, Stahl und Edelmetallen und zur Zeit noch von Mineralöl und anderen Chemikalien. Dabei sind wir uns aber klar, daß einmal mit dem Fortfall der Kohlenbewirtschaftung schon ein erheblicher Schritt auf dem Gebiete der Befreiung der Wirtschaft von staatlichem Zwang auf diesem Gebiet getan wurde. Sie wissen weiter, daß auf der Tagesordnung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses die Diskussion über die Aufhebung der Kraftstoffund Ölbewirtschaftung steht, so daß wir auch hier einen Schritt weiterkommen und vielleicht im Augenblick einen Gegenstand behandeln, der in wenigen Wochen schon überholt ist.
Das Weitere ist das Problem von Stahl und Eisen. Dieses Problem hängt, wie Sie wissen, im Augenblick noch sehr stark zusammen mit den Entwicklungen der westdeutschen Industrie unter gewissen Aspekten, die ich nur zu streifen brauche.
Andere Aufgaben, die den Fachstellen noch verblieben sind, sind in erster Linie statistischer Art. Ich persönlich bin mit einem großen Teil meiner Freunde der Auffassung, man solle nicht eine statistische Aufgabe als Existenzgrundlage einer solchen Einrichtung ansehen.
Wir haben die Hoffnung, daß möglichst schnell auch von seiten des Wirtschaftsministeriums alles getan wird, um die noch bestehenden statistischen Arbeiten aus den Fachstellen in die ordnungsmäßigen statistischen Amtsstellen zu bringen.
Wir möchten auch nicht, daß irgendeine Fachbehörde, sei es auch eine nachgeordnete Dienststelle, nur deswegen existent bleibt, weil sie statistische Aufgaben zu erfüllen hat. Das scheint uns ein gefährliches Beispiel für das Wesen eines überbürokratischen Verwaltungsapparates zu sein.
Ein weiterer Punkt, der allerdings sehr ernst genommen werden muß, ist die Frage der Behandlung der Importe durch die Fachstellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich stehe nicht an, aus eigenster Praxis zu sagen: hier bedarf es dringend der Reform. Diese Reform der Einfuhrverfahren liegt aber nicht in den Händen der Fachstellen, sondern einmal in den Händen der Besatzungsbehörde bzw. deren Dienststellen und zum zweiten in den Händen des Wirtschaftsministeriums. Wir müssen zu einer vernünftigen Gestaltung der Importverfahren kommen, dann brauchen wir auch keine Fachstellen mehr.
Jeder Schritt, der uns hier ein ganz klein wenig weiterbringt und ein Stück von den Fesseln einer überbürokratischen Importbeschränkung und Importkontrolle wegführt, ist uns lieb und wird von uns mit Nachdruck unterstützt. Wir dürfen aber nicht den Irrtum begehen, zu glauben, wir brauchten bei den noch bestehenden Vorschriften der JEIA, der ECA und anderer agencies die hier zur Diskussion stehenden Organisationen nicht mehr. Wir zerschlagen dann nur das Instrument, das uns bisher zur Verfügung gestanden hat, um einen unangenehmen und dornenreichen Weg wenigstens mit einiger Aussicht auf Erfolg beschreiten zu können.
Was die Darstellungen anlangt, die uns Herr Kollege Rische über seine Auffassung von Wirtschaftsdemokratie im Zusammenhang mit den Fachstellen gegeben hat, so brauche ich da wohl nur auf einige Punkte hinzuweisen, die doch der Richtigstellung bedürfen. Es liegt ein fundamentaler Irrtum vor, wenn man annimmt, hier seien die Verbände oder Organisationen der wirtschaftlichen Selbstverwaltung als nachgeordnete Dienststellen eingesetzt.
Ganz im Gegenteil, es sind selbständige Stellen geschaffen worden, in denen Vertreter der verschiedenen Wirtschaftsstufen einschließlich der Gewerkschaften und auch derjenigen sitzen, die überhaupt nicht in Organisationen zusammengefaßt sind. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, daß Außenseiter entsprechend heranzuziehen sind.
Ich glaube aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie brauchen vor der Wirtschaftsdemokratie gar nicht solche Angst zu haben. Wenn sie vernünftig gehandhabt wird und wenn sie bei der Einschaltung in die Gestaltung der künftigen Wirtschaftspolitik vernünftige Maßnahmen auslost, dann kann sie sehr wertvolle Beiträge für die Lösung unserer Probleme leisten, viel wertvollere als bisher die Bürokratie allein, und zwar auf breitester Basis. Ich sage das bewußt und meine mit wirtschaftlichen Selbstverwaltungsorganisationen alle Gruppen, selbstverständlich die Gewerkschaften genau so wie die Unternehmerverbände.
Allein schon die Ausdehnung der Wirkung des Gesetzes auf die französische Zone ist ein Grund, der uns heute bewegen müßte, einer Behandlung der Vorlage durch den Ausschuß zuzustimmen. Ich bringe noch einmal zum Ausdruck: es ist unser aller Hoffnung, möglichst schnell zu einem Abbau der Funktionen zu kommen, die bisher Grundlage der Existenz dieser Stellen waren. Wir können aber die Stellen nicht eher beseitigen, ehe wir nicht die Funktionen beseitigt haben. Auch mir scheint es wirklich nötig sein — und da stimme ich mit meinem Vorredner, Herrn Dr. Schöne, überein —, daß wir prüfen, in welcher Form etwa noch bestehende Restaufgaben nach dem 31. März wieder in die Ministerien verlagert werden können. Wir möchten — das darf ich im Auftrag meiner Freunde offen aussprechen — damit keinesfalls wieder einen Ansatzpunkt für den Aufbau einer neuen Verwaltungsbürokratie geben, die dann wieder eine staatliche Lenkung durch Beeinflussung der Wirtschaft auf dem Behördenwege ausübt.
Wir waren seinerzeit — auch das muß zur Vorgeschichte des Gesetzes nachgetragen werden — der
Hoffnung, durch die Herausnahme dieser Aufgaben
aus der Verwaltung endlich einen Weg zu finden,
auf dem man Funktionen der Behörden abbauen
könnte. Wenn wir aber nun nach einem gewissen Zeitabschnitt die Reste der Aufgaben, die in diesen Stellen noch nicht gelöst werden konnten, wiederum in die Ministerien zurückverlagern, so liegt darin eine Gefahr, auf die ich offen aufmerksam machen möchte. Ich glaube aber, auch da werden wir zu einer vernünftigen Übereinstimmung kommen und eine Lösung finden. Es ist notwendig, im Laufe dieser kurzen Verlängerungsfrist — bis zum 31. März — diese Dinge endlich wieder so weit in das freie Spiel der Kräfte der Wirtschaft zu bringen, daß wir diese Funktionen verschwinden lassen können und in der Lage sind, alle damit in Verbindung stehenden Dienststellen abzubauen.
In der kurzen uns zur Verfügung stehenden Zeit sind sehr viele Fragen in diesem Zusammenhange angesprochen worden. Meine Freunde und ich sind der Meinung, man sollte diesen Antrag dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zur Beratung überweisen und dann möglichst schnell zu einer Beschlußfassung kommen, damit nach Möglichkeit noch vor Weihnachten der Beschluß des Bundestages über die Verlängerung und Ausdehnung dieses Gesetzes und über die Nebenwirkungen hinsichtlich der Gebührenordnungen vorliegt. Rechtlich gesehen, glaube ich, würde das Datum des Beschlusses maßgeblich sein für die Verlängerung des Gesetzes, das ohne einen solchen Beschluß am 31. Dezember ablaufen würde.