Meine Damen und Herren! Das bayerische Biersteuergesetz ist tatsächlich eine Angelegenheit, die die bayerischen Interessen außerordentlich berührt. Es ist gar kein Zweifel, daß die Regelung dieser Frage wirtschaftlich und sozialpolitisch außerordentlich wichtig für Bayern ist.
Ich habe es bedauert, daß der Finanzausschuß eigentlich mit einer, ich möchte sagen, Handbewegung diese ganze Frage damit abgetan hat, den Artikel 125 dahin auszulegen: weil dieses Gesetz bizonale Geltung hatte und auf Grund einer Übergangsbestimmung Bundesrecht geworden ist, bleibt die Erörterung der Frage, ob und wieweit eine konkurrierende Gesetzgebung in Frage kommt, außerhalb der Debatte. So, meine Damen und Herren, können wir über derart grundsätzliche Dinge nicht hinweggehen. Ich verhehle mir nicht, daß diese Fragen von Anfang an gründlich geklärt werden müssen, weil es sich hier um ein Rechtsprinzip handelt, das entscheidend ist dafür, ob sich dieses Parlament gewissenhaft an die Grundsätze der Verfassung hält. Meine Damen und Herren, wir sind ein Bundesstaat. Der neue Staat ist zusammengesetzt aus einzelnen Staaten. Wir sind etwas anderes als das vergangene Reich, strukturell, staatspolitisch, staatsrechtlich. Infolgedessen müssen wir uns zwingen, bundesstaatlich zu denken, um solche prinzipiellen Fragen des Grundgesetzes wie die der konkurrierenden Gesetzgebung auch wirklich ernsthaft zu lösen.
Meines Erachtens steht es außer jeder Erörterung, daß das Biersteuergesetz gerade deshalb, weil in Artikel 125 steht, es sei ein konkurrierendes Gesetz, durch die Spezialbestimmung des Artikel 72 näher modifiziert ist. Wenn also der Bundestag dieses Biersteuergesetz im Bunde anwenden will, dann muß er auf Grund der lex specialis, auf Grund des Sondergesetzes über konkurrierendes Gesetz den Artikel 72 in Betracht ziehen und die Voraussetzungen prüfen. Er muß sich überhaupt entschließen, ob er Gebrauch macht. Diese Willensakte sind festzustellen, und die Voraussetzung, ob von diesem Biersteuergesetz Gebrauch gemacht wird, ist entsprechend klarzustellen. Das ist die rechtliche Grundlage dieser Dinge.
Wir haben einen Antrag gestellt, daß für Bayern das Biersteuergesetz von der Bundesgesetzgebung ausgenommen werden soll, das heißt, daß der Bund sich entschließen soll, in Hinsicht auf Bayern von der Biersteuergesetzgebung keinen Gebrauch zu machen. Praktisch könnte er das ohne weiteres; denn der Biersteuerertrag fließt ja nach dem Grundgesetz ohnedies den Ländern zu. Es handelt sich hier also nur um die Wahrung des Prinzips, ob der Bund diese Steuer zentral für sich lenken soll.
Da fragt man sich: Ist das notwendig, hat das überhaupt einen Sinn? Aus der Geschichte der Biersteuergesetzgebung wissen wir, daß es in den Ländern in Deutschland immer verschiedene Biersteuergesetze gegeben hat. Wir wissen: wir haben die norddeutsche Biersteuergemeinschaft und haben die süddeutschen Biersteuern gehabt, und zwar bis zum Kriegsjahre 1918. Im Jahre 1918 hat sich das geändert, weil die Vorprodukte Hopfen und Malz damals nicht zur Verfügung standen und infolgedessen vom Fiskus ein finanzieller Ausgleich geschaffen werden mußte. Bayern ist dieser Regelung im Jahre 1919 beigetreten. Sie sehen: die Entwicklung war immer so, daß tatsächlich das Bier grundsätzlich von den Ländern besteuert wurde. Erst durch diese durch den Krieg 1918 erfolgte Regelung und durch die Weimarer Maßnahmen wurden die Dinge zentralisiert.
Nun, meine Damen und Herren, ist es in Bayern so: der Bierkonsum in Bayern ist nicht nur deshalb so hoch, weil es sich hier, wie heute schon erörtert wurde, etwa um ein Genußmittel handelt, nein, das Bier ist in Bayern ein Volksgetränk, ich möchte sagen, eine flüssige Nahrung.
Meine Damen und Herren, wenn Sie einen Maurer fragen, ob ihn die Arbeit freut und was er verdient, dann wird er sagen: „Die Arbeit ist dann in Ordnung, wenn ich in der Früh um 8 Uhr"
— bitte lachen Sie nicht, das sind biologische Vorgänge! —
„eine Maß Bier und an Leberkas und a paar Laiberl hab!" So schaut der Arbeiter die Sache an, und so antwortet er bei uns auf die Frage, ob er seine Arbeit gern leistet.
Davon, meine Damen und Herren, sind wir heute gründlich weit weg. Die Arbeiter, vor allem die landwirtschaftlichen Arbeiter bei uns sind auf
Grund der biologischen Verhältnisse auf diese flüssige Nahrung angewiesen,
und wenn wir heute für diese Biersteuerregelung in Bayern eintreten, so kämpfen wir in erster Linie für diese Volksschichten. Wir wollen der breiten Masse unseres bayerischen Volkes das Bier wieder als Volksgetränk sichern. Ich verstehe es, meine Damen und Herren aus den nördlichen Gauen, daß Sie dafür vielleicht nicht das richtige Verständnis haben.
Sie sehen uns Bayern nur beim Bierkonsum auf großen Volksfesten. Das ist nicht die Regel, sondern das ist die außerordentliche Ausnahme. Das Bier ist bei uns wirklich ein tägliches flüssiges Brot.
— Das hängt mit der Lebensweise zusammen!
„Biologisch" heißt. daß man seine Ernährung so
einstellt, wie die Lebensbedingungen es erfordern.
Deshalb, meine Damen und Herren, stehen wir auf dem Standpunkt: das Bier muß wieder Volksgetränk werden.
Wie können wir das nun erreichen? Nur dadurch, daß wir die bayerische Bierproduktion in ihrer heutigen Struktur erhalten. Das bayerische Braugewerbe setzt sich zum überwiegenden Teil aus kleineren und mittleren Brauern zusammen.
— Bitte, es gibt etwa ein gutes Dutzend Großbrauereien in Bayern, das andere zählt sich alles zu den kleinen und mittleren Brauereien, und zwar ist das so glücklich verteilt, daß diese Brauereien über das ganze Land verstreut sind und dort wiederum den wirtschaftlichen Mittelpunkt in den Dörfern und Märkten bilden, und daran hängen wieder soundso viel andere Gewerbe. Wir haben also auch auf Grund der bayerischen Verfassung diesen Stand zu erhalten. Er konnte deshalb erhalten bleiben, weil wir durch die Staffelung der Biersteuer die Existenz dieser mittleren und kleineren Gewerbe ermöglicht haben. Bekanntlich ist es bei der Bierproduktion so, daß erst die Spitzenhektoliter den Gewinn bringen, Die Investitionen in den Brauereien sind grundsätzlich da. Auch die Auslagen sind da. Der Profit beginnt erst beim soundsovieltausendsten Hektoliter. Wenn also die Biersteuerstaffelung nicht entsprechend gehandhabt wird, ist die natürliche Folge, daß die großen Brauereien die kleinen und mittleren an die Wand drücken. Deshalb muß auf Grund dieser eigenartigen Struktur in Bayern eine Steuergesetzgebung geschaffen werden, die es ermöglicht, diese Bierproduktion durch eine entsprechende Staffelung steuerlich günstiger zu stellen.
Das ist also ein ausgesprochen innerbayerischer Standpunkt, mit dem Sie sich abfinden müssen. Genau so wie Sie mit Ernst und mit Verständnis die Frage von Helgoland oder die von Groß-Berlin geprüft haben, haben Sie die Verpflichtung, auch die außerordentlich bedeutsame wirtschaftliche und soziale Seite dieser Biersteuer in Erwägung zu ziehen.
Ich bitte Sie daher, diese Dinge ja nicht als eine
bayerische Angelegenheit, sondern als eine deutsche Angelegenheit zu betrachten, die, auch wenn
sie sich auf bayerischem Boden abspielt, deshalb doch genau so deutsch bleibt.
Ich weise auch darauf hin, daß wir in Bayern noch das Reinheitsgebot für Bier haben. Wir haben keinen Zusatz von anderen Ingredienzen. Unser Bier ist das Produkt aus den Edelerzeugnissen Hopfen und Malz. In den übrigen Teilen des Bundesgebietes hingegen besteht dieses Gebot nicht. Sie sehen: das sind alles Gesichtspunkte, die es der Bundesregierung ermöglichen müssen, alle diese Dinge zu berücksichtigen.
Was hat der Bund davon, wenn er diese Gesetzgebung an sich zieht? Im übrigen Bundesgebiet ist man ja praktisch an dieser Biersteuer desinteressiert. In Nordrhein-Westfalen bedeutet sie ein kleines Trinkgeld für den Finanzminister. Bei uns ist die Biersteuer ein Hauptfaktor im Budget. Deshalb bitte ich Sie, die Dinge nicht leicht zu nehmen und vor allem an die Prüfung der Rechtsfrage heranzugehen, ob hier eine konkurrierende Gesetzgebung vorliegt und, weil nach meiner Meinung eine konkurrierende Gesetzgebung in diesem Falle wirklich vorliegt, zu prüfen, ob nicht die wirtschaftliche und Rechtseinheit dadurch gestört wird, daß diese Steuer dem Lande Bayern vorenthalten wird. Der Bund sollte insoweit, als das Land Bayern in Frage kommt, in diesem Falle von seiner Gesetzgebungsbefugnis keinen Gebrauch machen.
In diesem Punkte unterscheide ich mich auch von dem Antrag der Bayernpartei. Ich bin der Auffassung: auf Grund der historischen Vergangenheit können wir nicht den Antrag stellen, daß alle Länder schlechthin ihre eigene Biersteuergesetzgebung haben sollen. Dafür besteht, glaube ich, gar kein Bedürfnis. Dagegen ist es offensichtlich, daß für Bayern ein derartiges Bedürfnis vorliegt. a Es wird dann noch die weitere Rechtsfrage sehr interessant sein, ob und inwieweit der Bund, wenn er von dieser Biersteuergesetzgebung grundsätzlich Gebrauch macht, für ein einzelnes Land davon absehen kann.
Das sind alles Dinge, die wir einmal durchexerzieren müssen, und zwar gründlich, juristischverfassungsrechtlich. Deshalb bitte ich Sie, dem ursprünglich von uns gestellten Antrag, wonach Bayern eine eigene Biersteuergesetzgebung vorbehalten bleiben soll, zuzustimmen bzw. diesen Antrag zur Prüfung dem Rechts- und Verfassungsausschuß überweisen zu wollen.