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ID0102213800

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    Deutscher Bundestag — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1949 649 22. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1949. Geschäftliche Mitteilungen . 650B, 698D, 713C Anfrage Nr. 8 der Fraktion der SPD betr. Lohn- und Gehaltserhöhung anläßlich der Einkellerung von Kartoffeln und Brennstoffen (Drucksachen Nr. 189 u. 273) . . 650C Anfrage Nr. 7 der Fraktion der FDP betr. Umquartierung im Raum Köln (Drucksache Nr. 188) 650C Antrag der Abg. Renner und Gen. betr. Erklärung des Bundeskanzlers zu seinem Interview in Fragen der Remilitarisierung (Drucksache Nr. 269) 650D Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 650D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit (Drucksache Nr. 270) . . . . 651D Dr. Oellers (FDP), Berichterstatter 651D Dr. Kopf (CDU) . . . . . . . . 655A Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . 657C Loritz (WAV) 657D Ewers (DP) . . . . . . . 659B, 661D Schoettle (SPD) (zur Geschäftsordnung) 662A Dr. Kleindinst (CSU) 662B Dr. Richter (NR) . . . . . . . 662C Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 664A Leibbrand (KPD) . . .. . . . . 664D Dr. Arndt (SPD) (zur Geschäftsordnung) 666A Arndgen (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . 666D Zweite und dritte Beratung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache Nr. 271) 667A Dr. Krone (CDU), Berichterstatter . . . . . . . 667A, 676A Rische (KPD) 667D Rümmele (CDU) 669B, 672B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 669D, 671D Dr. Fink (BP) . . . . . . . . 670B Seuffert (SPD) . . . . . . . 671B Dr. Reif (FDP) 672A Renner (KPD) . . . . . . . . 672C Neumann (SPD) . . . . . . . 673C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erstreckung der bei den Annahmestellen Darmstadt und Berlin eingereichten Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenanmeldungen auf die Länder Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern und den bayerischen Kreis Lindau (Drucksachen Nr. 152 und 272) . . . . . . . . . . . 676C Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 676C Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 241 neu) . . . . . . . . . 276D Antrag der Fraktion der BP betr. Streichung der Absätze 2 und 3 des § 103 der vorläufigen Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 184) 677A Dr. Seelos (BP), Antragsteller 677A, 687C Dr. Etzel (BP) 678B Dr. Arndt (SPD) . . . . . 679D, 686A Frau Dr. Weber (CDU) 681D Loritz (WAV) 682B, 686D Renner (KPD) 683A Dr. von Brentano (CDU) . . . . 685A Dr. Oellers (FDP) (zur Geschäftsordnung) 687B Antrag der Fraktion der SPD betr. Einsetzung eines Ausschusses für den Erwerb von Ausstattungs- und Kunstgegenständen im Raume der vorläufigen Bundeshauptstadt (Drucksache Nr. 199) 687D Erler (SPD) Antragsteller . . 633A, 691C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 690B Dr. Decker (BP) . . . . . . 690C Dr. Wellhausen (FDP) 690D Dr. Bertram (Z) 691A Kiesinger (CDU) . . . . . . 691B Antrag der Abg. Renner und Gen. betr: Stellungnahme des Vizekanzlers zu dem behaupteten Wegfall von Subventionen (Drucksache Nr. 207) . . . . . . . . 6928 Rische (KPD), Antragsteller . . . . 692C Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 695A Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Maßnahmen gegen Preiserhöhung (Drucksachen Nr. 225 und 228) 696A Etzel (CDU), Berichterstatter . 696A Rische (KPD) 697A Schoettle (SPD) 698C Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betr. Wahrung der Pressefreiheit gegenüber Zeitungsverboten der britischen Dienststellen (Drucksache Nr. 208) . . . 699A Agatz (KPD), Antragsteller 699A Cramer (SPD) . . . . . . . . . 699D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der BP betr. Biersteuergesetzgebung (Drucksachen Nr. 212 und 91); in Verbindung mit dem Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. Horlacher, Dr. Laforet und Genossen betr. Biersteuer (Drucksachen Nr. 213 und 162) 701B Seuffert (SPD), Berichterstatter 701B, 709A Dr. Besold (BP) 702A, 710B Dr. Baumgartner (BP) 704A Dr. Solleder (CSU) 706B Dr. Wellhausen (FDP) . . . 707D, 713A Dr. Bertram (Z) 708D Wilhelm Schmidt (WAV) . . . . 709D Strauss (CDU) (zur Geschäftsordnung) 712C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen betr. einheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung (Drucksache Nr. 224) . . . 711B Arndgen (CDU), Berichterstatter . 711B Krause (Z) 711D Persönliche Bemerkung: Dr. Arndt (SPD) 712A Nächste Sitzungen 713C Die Sitzung wird um 9 Uhr 43 Minuten durch Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Josef Baumgartner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)

    Meine Damen und Herren! Hoffentlich bekommen Sie bei diesem Thema nicht zuviel Durst. Ich werde mich bemühen, die Bedürfnisfrage hier zu klären.

    (Zurufe.)

    Ich möchte Sie bitten, meine lieben Herren Kollegen, über dieses Thema nicht zu lachen. Die bayerischen Arbeiter, die jetzt täglich ausgestellt werden, lachen nämlich bei diesem Thema nicht. Wir haben Tausende von Angestellten und Arbeitern, die im bayerischen Braugewerbe zur Zeit ausgestellt werden. Wenn Sie diese Frage hier lächerlich finden, werden wir uns bemühen, unsere Arbeiter in Bayern aufzuklären.

    (Beifall bei der BP.)

    Meine Damen und Herren! Die entscheidende Frage bei der Biersteuer ist schon immer die gewesen, ob das Reich oder die Länder zuständig sind. Wir haben doch schon 1871 ein Reservatrecht gehabt, weil die Verhältnisse in Bayern ganz anders gelegen sind. Staatsrechtlich ist auch heute, was mein Herr Kollege schon angedeutet hat, die entscheidende Frage: Ist für die Auslegung der Worte „Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung" in Artikel 125 des Grundgesetzes die Bedürfnisfrage nach Artikel 72 Absatz 2 zu prüfen oder nicht? Herr Dr. Besold hat Ihnen nachgewiesen, daß die Bedürfnisfrage zu prüfen ist. Meine Herren Kollegen, wir müssen doch einmal juristische Beweise gelten lassen und uns darüber auseinandersetzen. Wir müssen Sie doch herzlich bitten, daß Sie uns die Gegenbeweise liefern, daß die Bedürfnisfrage hier nicht zu klären ist. Darum dreht es sich doch. Sie müssen uns hier die Gegenbeweise liefern. Mit Gelächter ist uns doch in der staatsrechtlichen Auseinandersetzung nicht gedient.

    (Sehr wahr! bei der BP.)

    Der Artikel 125 sagt: „Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, wird innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht . . ." Nun hat Herr Dr. Besold einwandfrei nachgewiesen, daß sowohl bei Artikel 74
    als auch bei Artikel 125 in jedem Falle die Bedürfnisfrage nach Artikel 72 Absatz 2 zu klären ist, daß also der Bund immer nachweisen muß, daß die drei grundsätzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muß also nachgewiesen werden, daß eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung der Länder nicht wirksam geregelt werden kann. Zweitens muß nachgewiesen werden, daß die Regelung dieser Angelegenheit durch ein Landesgesetz den Interessen der anderen Länder widerspricht. Das muß auch von Ihnen hier nachgewiesen werden. Man kann nicht immer nur sagen: Weil die Mehrheit im Ausschuß dafür war, deshalb ist der Bund zuständig. Meine Damen und Herren, dann haben wir in Deutschland keinen Bund mehr, sondern eine Majorisierungsmaschine. Drittens müssen Sie nachweisen, daß die Rechts- und Wirtschaftseinheit nicht mehr gegeben wäre, wenn die Lander die Zuständigkeit haben.
    Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung muß also bei der Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebung die Bedürfnisfrage nach diesen drei Gesichtspunkten geklärt werden. Diesen Standpunkt vertritt auch das bayerische Regierungsorgan. Das bayerische Regierungsorgan hat sich im Bayerischen Staatsanzeiger eindeutig auf diesen Rechtsstandpunkt gestellt, den auch wir als Oppositionspartei hier und als Oppositionspartei in Bayern vertreten. Ich muß Ihnen also beweisen, daß diese Bedürfnisfrage für den Bund nicht bejaht werden kann. Ich darf Sie auf folgende Punkte kurz hinweisen.
    Die Biersteuer ist ja immer schon eine schwerwiegende bayerische Angelegenheit gewesen. Ich darf Ihnen sagen, warum. Nicht, weil die Bayern hier vielleicht eine Extrawurst gebraten haben möchten, sondern, meine Damen und Herren: können Sie leugnen, daß 60 Prozent der ganzen Brauereien des Bundes in Bayern liegen? Oder können Sie vielleicht leugnen, das 50 Prozent des ganzen Aufkommens der Biersteuer von Bayern aufgebracht wird? Ich darf Ihnen hier den Beweis liefern.

    (Zuruf links.)

    Wenn die Bayern vielleicht pro Kopf der Bevölkerung mehr Bier trinken, als anderswo getrunken wird, so sage ich, um auf diesen Zwischenruf zu antworten: wir lieben die Limonade nicht so, wie man sie anderswo liebt.

    (Heiterkeit.)

    Uns ist ein gutes Maß Bier lieber als eine Limonade oder Marmelade.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen jetzt den Beweis führen, daß es wirklich Sonderverhältnisse sind, und meine Herren Kollegen aus allen Fraktionen, die von Bayern hier sind, werden mir das bestätigen. Wir haben in der Bundesrepublik vom 1. April 1949 bis 30. September 1949 ein Aufkommen an Biersteuer von insgesamt rund 144 Millionen D-Mark. Von diesen 144 Millionen D-Mark hat Bayern allein vom 1. April 1949 bis 30. September 1949 68,6 Millionen D-Mark gezahlt. Damit ist doch allein bewiesen, daß das eine Sonderfrage für Bayern ist, wenn wir die Hälfte der ganzen Steuer aufbringen, und daß wir doch hier nicht heraufgehen, um Ihnen Schwierigkeiten zu machen, sondern daß wir Sie bitten, Verständnis für diese Sonderfrage zu haben.

    (Zuruf links: Export nach NordrheinWestfalen!)



    (Dr. Baumgartner)

    — Darauf komme ich noch zu sprechen, Herr
    Kollege! — Bayern hat also 68,6 Millionen aufgebracht, Nordrhein-Westfalen 23,9 Millionen, Württemberg-Baden 14,2 Millionen, Hessen 7,6 Millionen,
    Rheinland-Pfalz 6,5 Millionen, Niedersachsen 6,4
    Millionen, Baden 4,8 Millionen, WürttembergHohenzollern 4,2 Millionen, Hamburg 3,9 Millionen, Bremen 2 Millionen, Schleswig-Holstein 1,2
    Millionen und Lindau 0,5 Millionen. Meine Damen
    und Herren, aus diesem schwerwiegenden Material bitte ich doch zu entnehmen, daß hier für
    Bayern eine Sonderregelung getroffen werden
    muß. Genau so wie Sie mit Recht eine Sonderregelung beim Ruhrgebiet für sich beanspruchen,

    (Oho-Rufe bei der SPD)

    können wir doch beanspruchen, daß eine Sonderregelung in der bayerischen Bierfrage getroffen wird.
    Nun haben wir ja eine historische Erfahrung, und wir müssen nach der geschichtlichen Erfahrung doch endlich auch in diesen wirtschaftlichen Dingen gehen. Seit der Verreichlichung der Biersteuer ist es mit dem Aufkommen aus der Biersteuer und mit unserer Brauereiindustrie abwärts gegangen. Und vor allem, seitdem den Gemeinden das Recht genommen worden ist, die Gemeindebiersteuer zu erheben, haben wir auf der ganzen Linie eine Abwärtsentwicklung. Wir können nicht sagen, daß ein Land die Dinge nicht wirksam regeln kann. Wir haben seit dem Jahre 1871 ein Reservatrecht gehabt. Möchten Sie vielleicht behaupten, daß die Dinge dadurch schlechter geregelt worden sind, daß wir ein Reservatrecht in der Biersteuerfrage bekommen haben? Oder möchten Sie sagen, daß 70 Millionen D-Mark Biersteuer es uns wert sind, unsere Bundestreue anzweifeln zu lassen?

    (Lachen in der Mitte und rechts.)

    — Ja, meine Damen und Herren, wir streiten doch um 70 Millionen D-Mark. Denn 68 Millionen D-Mark bringen wir ja bereits selbst auf. Wir können uns doch nicht wegen 70 Millionen D-Mark in eine Kompetenzfrage zwischen Bund und Ländern hineinsprechen.
    Dann möchte ich dem Herrn Kollegen, der einen Zwischenruf wegen der Exporte gemacht hat, sagen, daß keine Gefahr besteht. Sie brauchen vor den bayerischen Brauereien wegen der Exporte keine Angst zu haben. Ich schlage Ihnen vor, daß wir Exportausgleiche verlangen und in den einzelnen Ländern gesetzlich festlegen, so daß, wenn zum Beispiel eine bayerische Brauerei nach Hessen oder in ein anderes Land ausführt, die Ausgleichsbeträge in der gleichen Höhe erhoben werden, wie die Steuer bei den Einfuhrländern erhoben wird. Die Gefahr eines Dumping wäre doch damit gar nicht gegeben. Es liegt also gar kein Grund vor, die Bedürfnisfrage so zu klären, daß der Bund unter allen Umständen die Biersteuerfrage zentral regeln muß. Ich bin sehr gespannt darauf, welche Beweise für eine zentrale Regelung hier gebracht werden.
    Die Vereinheitlichung der Reichsbiersteuer hat für uns Bayern eine effektiv höhere Besteuerung der ganzen bayerischen Bevölkerung gebracht, weil der Bierkonsum pro Kopf der Bevölkerung bei uns nun einmal größer ist als anderswo.

    (Zurufe und Lachen.)

    - Ja, Sie mögen lachen! Wir haben nicht das
    Obstgebiet, wo, wie in Württemberg, der Most
    gemacht werden kann. Wir haben nicht die Zuckerindustrie, durch die, wie z. B. durch die Limonadenherstellung in der britischen Zone, die Verhältnisse ganz anders liegen als bei uns in Bayern. Bei uns in Bayern ist das Bier kein Luxusgetränk, sondern ein Volksgetränk!

    (Bravo-Rufe.)

    Fragen Sie doch Ihre Arbeiter, unsere Arbeiter in Bayern, ob ein bayerischer Arbeiter das Bier als Luxusgetränk betrachtet, ob er es nicht vielmehr als Volksgetränk ansieht!

    (Wiederholte Zurufe und Lachen.)

    — Aus Ihren Zwischenrufen und Ihrem Gelächter sehe ich, daß wir erst recht im Recht sind, wenn wir Sie um eine Sonderregelung bitten, weil Sie uns kein Verständnis entgegenbringen wollen.

    (Widerspruch. — Zuruf links: Wir trinken auch Bier!)

    Die bayerischen Arbeiter haben unter der Reichsbiersteuerverordnung gegenüber der Vorkriegszeit bzw. gegenüber der Zeit vor 1914 eine dreiunddreißigfache höhere Besteuerung erfahren. Sie sind gegenüber den andern Ländern benachteiligt, weil 80 Prozent unserer Bierproduktion in Bayern selbst verbraucht werden. Die Frage ist ja hier ganz anders zu betrachten als beispielsweise bei der Tabaksteuer als Verbrauchssteuer. Tabak, zum Beispiel badischer Tabak, wird ja im ganzen Bundesgebiet verkauft. Aber wir verbrauchen 80 Prozent unserer Bierproduktion selbst; und es ist doch nicht unbillig, wenn wir deshalb auch die Steuer für diese 80 Prozent des gesamten Bierkonsums selbst für uns in Anspruch nehmen.
    Meine Damen und Herren! Ich habe schon erwähnt, daß die Entwicklung der Biersteuer seit dem 26. Juli 1918 uns auf der ganzen Linie recht gegeben hat: Wir sind finanziell schlechter gefahren; das Bier ist verteuert worden, und die gesamte bayerische Bevölkerung ist eindeutig um Millionen und aber Millionen D-Mark benachteiligt worden. Durch diese Reichs- und zentralistische Regelung ist Bayern also am meisten betroffen worden. 1900 Brauereien in Bayern stehen als 60 Prozent der gesamten Brauereien den anderen Brauereien im Bundesgebiet gegenüber. Ein Arbeiter brauchte in Friedenszeiten für einen halben Liter Friedensbier ein Drittel seines Stundenlohnes, während er heute mehr als die Hälfte eines Stundenlohnes aufwenden muß, um sich nur einen halben Liter Bier leisten zu können.
    Wir haben 1931 bei einer geringfügigen Biersteuererhöhung des Reiches den Beweis dafür erlebt, daß der bayerische Staat und die bayerische Wirtschaft dadurch um 600 bis 700 Millionen Mark geschädig worden sind. Das sind doch Beweise, daß wir hier eine Sonderregelung treffen und angesichts einer für den Bund nicht so schwer in die Waagschale fallenden Gesamtsumme an Biersteuer diese Frage den Ländern überlassen müssen.
    Wir führen jetzt monatlich aus dem Bunde 8000 Hektoliter Bier aus, während es in Friedenszeiten monatlich rund 36 000 Hektoliter waren. Gerade wenn Sie es den Ländern überlassen und wenn Sie wegen der verschiedenen Höhe der Steuer gegenseitig Ausgleichsbeträge erheben, können Sie den Bierexport fördern. Wollen Sie vielleicht leugnen, daß Bayern das größte Hopfenexportland Europas ist und daß wir durch unseren Gerstenbau und unsere Hopfengebiete ein Land der Biererzeugung geworden sind, das für den ganzen Bund von größter wirtschaftlicher Bedeutung ist? Aber lassen Sie doch dieses Land arbeiten! Beschränken Sie doch dieses Land nicht


    (Dr. Baumgartner)

    mit Steuern und einer zentralen Steuergesetzgebung von Stellen aus, die die wirtschaftlichen Zusammenhänge gar nicht überblicken können.
    Aus diesem Grunde möchte ich Ihnen auch noch eine Stellungnahme des bayerischen Hotel- und Gaststättengewerbes mitteilen. Das bayerische Hotel- und Gaststättengewerbe hat uns noch gesondert gebeten, darauf hinzuweisen, daß es eine Festsetzung der Biersteuer von einer zentralen Stelle, vom Bunde aus, nicht für möglich und für die bayerische Wirtschaft für schädlich hält.
    Meine Damen und Herren! Die staatsrechtliche Regelung dieser Frage, ob wir die Biersteuer vom Bund aus festsetzen oder sie den Ländern überlassen, ist das erste Musterbeispiel dafür, ob wir fähig sind, die Bonner Verfassung föderalistisch auszulegen und föderalistisch zu gestalten. Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, die Sie für eine bundesrechtliche Regelung sind, noch einmal: Weisen Sie uns nach: erstens daß die Länder diese Frage nicht regeln können, zweitens daß die Regelung durch die Länder den Interessen der anderen Länder widersprechen würde, und drittens, daß die Rechts- und Wirtschaftseinheit nicht gewährleistet wäre. Nur wenn Sie uns diese drei Punkte nachweisen, wäre die Bedürfnisfrage zugunsten des Bundes geklärt. Ich glaube aber nicht, daß Ihnen dieser Nachweis möglich sein wird.
    Meine Herren Kollegen aus Bayern aus allen Fraktionen möchte ich bitten, den Standpunkt der bayerischen Wirtschaft, der bayerischen Arbeiter, der Bauern, des bayerischen Braugewerbes, des Hotel- und Gaststättengewerbes an dieser Stelle zu schildern. Ich glaube, Sie werden zu dem gleichen Ergebnis kommen.
    Meine Damen und meine Herren Abgeordneten des ersten Bundestages der neuen Bundesrepublik: Beweisen Sie im ersten Falle, daß Sie gewillt sind, föderalistisch zu sein, und daß Sie keine Majorisierungsmaschine in unserem Bunde einführen wollen.

    (Bravorufe und Händeklatschen bei der BP.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Solleder.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Max Solleder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine Damen und Herren! Das bayerische Biersteuergesetz ist tatsächlich eine Angelegenheit, die die bayerischen Interessen außerordentlich berührt. Es ist gar kein Zweifel, daß die Regelung dieser Frage wirtschaftlich und sozialpolitisch außerordentlich wichtig für Bayern ist.
    Ich habe es bedauert, daß der Finanzausschuß eigentlich mit einer, ich möchte sagen, Handbewegung diese ganze Frage damit abgetan hat, den Artikel 125 dahin auszulegen: weil dieses Gesetz bizonale Geltung hatte und auf Grund einer Übergangsbestimmung Bundesrecht geworden ist, bleibt die Erörterung der Frage, ob und wieweit eine konkurrierende Gesetzgebung in Frage kommt, außerhalb der Debatte. So, meine Damen und Herren, können wir über derart grundsätzliche Dinge nicht hinweggehen. Ich verhehle mir nicht, daß diese Fragen von Anfang an gründlich geklärt werden müssen, weil es sich hier um ein Rechtsprinzip handelt, das entscheidend ist dafür, ob sich dieses Parlament gewissenhaft an die Grundsätze der Verfassung hält. Meine Damen und Herren, wir sind ein Bundesstaat. Der neue Staat ist zusammengesetzt aus einzelnen Staaten. Wir sind etwas anderes als das vergangene Reich, strukturell, staatspolitisch, staatsrechtlich. Infolgedessen müssen wir uns zwingen, bundesstaatlich zu denken, um solche prinzipiellen Fragen des Grundgesetzes wie die der konkurrierenden Gesetzgebung auch wirklich ernsthaft zu lösen.
    Meines Erachtens steht es außer jeder Erörterung, daß das Biersteuergesetz gerade deshalb, weil in Artikel 125 steht, es sei ein konkurrierendes Gesetz, durch die Spezialbestimmung des Artikel 72 näher modifiziert ist. Wenn also der Bundestag dieses Biersteuergesetz im Bunde anwenden will, dann muß er auf Grund der lex specialis, auf Grund des Sondergesetzes über konkurrierendes Gesetz den Artikel 72 in Betracht ziehen und die Voraussetzungen prüfen. Er muß sich überhaupt entschließen, ob er Gebrauch macht. Diese Willensakte sind festzustellen, und die Voraussetzung, ob von diesem Biersteuergesetz Gebrauch gemacht wird, ist entsprechend klarzustellen. Das ist die rechtliche Grundlage dieser Dinge.
    Wir haben einen Antrag gestellt, daß für Bayern das Biersteuergesetz von der Bundesgesetzgebung ausgenommen werden soll, das heißt, daß der Bund sich entschließen soll, in Hinsicht auf Bayern von der Biersteuergesetzgebung keinen Gebrauch zu machen. Praktisch könnte er das ohne weiteres; denn der Biersteuerertrag fließt ja nach dem Grundgesetz ohnedies den Ländern zu. Es handelt sich hier also nur um die Wahrung des Prinzips, ob der Bund diese Steuer zentral für sich lenken soll.
    Da fragt man sich: Ist das notwendig, hat das überhaupt einen Sinn? Aus der Geschichte der Biersteuergesetzgebung wissen wir, daß es in den Ländern in Deutschland immer verschiedene Biersteuergesetze gegeben hat. Wir wissen: wir haben die norddeutsche Biersteuergemeinschaft und haben die süddeutschen Biersteuern gehabt, und zwar bis zum Kriegsjahre 1918. Im Jahre 1918 hat sich das geändert, weil die Vorprodukte Hopfen und Malz damals nicht zur Verfügung standen und infolgedessen vom Fiskus ein finanzieller Ausgleich geschaffen werden mußte. Bayern ist dieser Regelung im Jahre 1919 beigetreten. Sie sehen: die Entwicklung war immer so, daß tatsächlich das Bier grundsätzlich von den Ländern besteuert wurde. Erst durch diese durch den Krieg 1918 erfolgte Regelung und durch die Weimarer Maßnahmen wurden die Dinge zentralisiert.
    Nun, meine Damen und Herren, ist es in Bayern so: der Bierkonsum in Bayern ist nicht nur deshalb so hoch, weil es sich hier, wie heute schon erörtert wurde, etwa um ein Genußmittel handelt, nein, das Bier ist in Bayern ein Volksgetränk, ich möchte sagen, eine flüssige Nahrung.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Flüssiges Brot!) Meine Damen und Herren, wenn Sie einen Maurer fragen, ob ihn die Arbeit freut und was er verdient, dann wird er sagen: „Die Arbeit ist dann in Ordnung, wenn ich in der Früh um 8 Uhr"


    (Heiterkeit)

    — bitte lachen Sie nicht, das sind biologische Vorgänge! —

    (Erneute Heiterkeit)

    „eine Maß Bier und an Leberkas und a paar Laiberl hab!" So schaut der Arbeiter die Sache an, und so antwortet er bei uns auf die Frage, ob er seine Arbeit gern leistet.
    Davon, meine Damen und Herren, sind wir heute gründlich weit weg. Die Arbeiter, vor allem die landwirtschaftlichen Arbeiter bei uns sind auf


    (Dr. Solleder)

    Grund der biologischen Verhältnisse auf diese flüssige Nahrung angewiesen,

    (Heiterkeit und Zurufe)

    und wenn wir heute für diese Biersteuerregelung in Bayern eintreten, so kämpfen wir in erster Linie für diese Volksschichten. Wir wollen der breiten Masse unseres bayerischen Volkes das Bier wieder als Volksgetränk sichern. Ich verstehe es, meine Damen und Herren aus den nördlichen Gauen, daß Sie dafür vielleicht nicht das richtige Verständnis haben.

    (Ironische Zurufe von der KPD: Doch!)

    Sie sehen uns Bayern nur beim Bierkonsum auf großen Volksfesten. Das ist nicht die Regel, sondern das ist die außerordentliche Ausnahme. Das Bier ist bei uns wirklich ein tägliches flüssiges Brot.

    (Ironischer Zuruf von der KPD: Das hängt mit der Biologie zusammen!)

    — Das hängt mit der Lebensweise zusammen!
    „Biologisch" heißt. daß man seine Ernährung so
    einstellt, wie die Lebensbedingungen es erfordern.

    (Erneute Zurufe links.)

    Deshalb, meine Damen und Herren, stehen wir auf dem Standpunkt: das Bier muß wieder Volksgetränk werden.
    Wie können wir das nun erreichen? Nur dadurch, daß wir die bayerische Bierproduktion in ihrer heutigen Struktur erhalten. Das bayerische Braugewerbe setzt sich zum überwiegenden Teil aus kleineren und mittleren Brauern zusammen.

    (Zuruf links: Na! Na!)

    — Bitte, es gibt etwa ein gutes Dutzend Großbrauereien in Bayern, das andere zählt sich alles zu den kleinen und mittleren Brauereien, und zwar ist das so glücklich verteilt, daß diese Brauereien über das ganze Land verstreut sind und dort wiederum den wirtschaftlichen Mittelpunkt in den Dörfern und Märkten bilden, und daran hängen wieder soundso viel andere Gewerbe. Wir haben also auch auf Grund der bayerischen Verfassung diesen Stand zu erhalten. Er konnte deshalb erhalten bleiben, weil wir durch die Staffelung der Biersteuer die Existenz dieser mittleren und kleineren Gewerbe ermöglicht haben. Bekanntlich ist es bei der Bierproduktion so, daß erst die Spitzenhektoliter den Gewinn bringen, Die Investitionen in den Brauereien sind grundsätzlich da. Auch die Auslagen sind da. Der Profit beginnt erst beim soundsovieltausendsten Hektoliter. Wenn also die Biersteuerstaffelung nicht entsprechend gehandhabt wird, ist die natürliche Folge, daß die großen Brauereien die kleinen und mittleren an die Wand drücken. Deshalb muß auf Grund dieser eigenartigen Struktur in Bayern eine Steuergesetzgebung geschaffen werden, die es ermöglicht, diese Bierproduktion durch eine entsprechende Staffelung steuerlich günstiger zu stellen.
    Das ist also ein ausgesprochen innerbayerischer Standpunkt, mit dem Sie sich abfinden müssen. Genau so wie Sie mit Ernst und mit Verständnis die Frage von Helgoland oder die von Groß-Berlin geprüft haben, haben Sie die Verpflichtung, auch die außerordentlich bedeutsame wirtschaftliche und soziale Seite dieser Biersteuer in Erwägung zu ziehen.

    (Beifall bei der BP.)

    Ich bitte Sie daher, diese Dinge ja nicht als eine
    bayerische Angelegenheit, sondern als eine deutsche Angelegenheit zu betrachten, die, auch wenn
    sie sich auf bayerischem Boden abspielt, deshalb doch genau so deutsch bleibt.
    Ich weise auch darauf hin, daß wir in Bayern noch das Reinheitsgebot für Bier haben. Wir haben keinen Zusatz von anderen Ingredienzen. Unser Bier ist das Produkt aus den Edelerzeugnissen Hopfen und Malz. In den übrigen Teilen des Bundesgebietes hingegen besteht dieses Gebot nicht. Sie sehen: das sind alles Gesichtspunkte, die es der Bundesregierung ermöglichen müssen, alle diese Dinge zu berücksichtigen.
    Was hat der Bund davon, wenn er diese Gesetzgebung an sich zieht? Im übrigen Bundesgebiet ist man ja praktisch an dieser Biersteuer desinteressiert. In Nordrhein-Westfalen bedeutet sie ein kleines Trinkgeld für den Finanzminister. Bei uns ist die Biersteuer ein Hauptfaktor im Budget. Deshalb bitte ich Sie, die Dinge nicht leicht zu nehmen und vor allem an die Prüfung der Rechtsfrage heranzugehen, ob hier eine konkurrierende Gesetzgebung vorliegt und, weil nach meiner Meinung eine konkurrierende Gesetzgebung in diesem Falle wirklich vorliegt, zu prüfen, ob nicht die wirtschaftliche und Rechtseinheit dadurch gestört wird, daß diese Steuer dem Lande Bayern vorenthalten wird. Der Bund sollte insoweit, als das Land Bayern in Frage kommt, in diesem Falle von seiner Gesetzgebungsbefugnis keinen Gebrauch machen.
    In diesem Punkte unterscheide ich mich auch von dem Antrag der Bayernpartei. Ich bin der Auffassung: auf Grund der historischen Vergangenheit können wir nicht den Antrag stellen, daß alle Länder schlechthin ihre eigene Biersteuergesetzgebung haben sollen. Dafür besteht, glaube ich, gar kein Bedürfnis. Dagegen ist es offensichtlich, daß für Bayern ein derartiges Bedürfnis vorliegt. a Es wird dann noch die weitere Rechtsfrage sehr interessant sein, ob und inwieweit der Bund, wenn er von dieser Biersteuergesetzgebung grundsätzlich Gebrauch macht, für ein einzelnes Land davon absehen kann.
    Das sind alles Dinge, die wir einmal durchexerzieren müssen, und zwar gründlich, juristischverfassungsrechtlich. Deshalb bitte ich Sie, dem ursprünglich von uns gestellten Antrag, wonach Bayern eine eigene Biersteuergesetzgebung vorbehalten bleiben soll, zuzustimmen bzw. diesen Antrag zur Prüfung dem Rechts- und Verfassungsausschuß überweisen zu wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Baumgartner: Die CDU hat unseren Antrag kopiert, glatt abgeschrieben! — Weitere Zurufe.)