Meine Damen und Herren! Hoffentlich bekommen Sie bei diesem Thema nicht zuviel Durst. Ich werde mich bemühen, die Bedürfnisfrage hier zu klären.
Ich möchte Sie bitten, meine lieben Herren Kollegen, über dieses Thema nicht zu lachen. Die bayerischen Arbeiter, die jetzt täglich ausgestellt werden, lachen nämlich bei diesem Thema nicht. Wir haben Tausende von Angestellten und Arbeitern, die im bayerischen Braugewerbe zur Zeit ausgestellt werden. Wenn Sie diese Frage hier lächerlich finden, werden wir uns bemühen, unsere Arbeiter in Bayern aufzuklären.
Meine Damen und Herren! Die entscheidende Frage bei der Biersteuer ist schon immer die gewesen, ob das Reich oder die Länder zuständig sind. Wir haben doch schon 1871 ein Reservatrecht gehabt, weil die Verhältnisse in Bayern ganz anders gelegen sind. Staatsrechtlich ist auch heute, was mein Herr Kollege schon angedeutet hat, die entscheidende Frage: Ist für die Auslegung der Worte „Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung" in Artikel 125 des Grundgesetzes die Bedürfnisfrage nach Artikel 72 Absatz 2 zu prüfen oder nicht? Herr Dr. Besold hat Ihnen nachgewiesen, daß die Bedürfnisfrage zu prüfen ist. Meine Herren Kollegen, wir müssen doch einmal juristische Beweise gelten lassen und uns darüber auseinandersetzen. Wir müssen Sie doch herzlich bitten, daß Sie uns die Gegenbeweise liefern, daß die Bedürfnisfrage hier nicht zu klären ist. Darum dreht es sich doch. Sie müssen uns hier die Gegenbeweise liefern. Mit Gelächter ist uns doch in der staatsrechtlichen Auseinandersetzung nicht gedient.
Der Artikel 125 sagt: „Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, wird innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht . . ." Nun hat Herr Dr. Besold einwandfrei nachgewiesen, daß sowohl bei Artikel 74
als auch bei Artikel 125 in jedem Falle die Bedürfnisfrage nach Artikel 72 Absatz 2 zu klären ist, daß also der Bund immer nachweisen muß, daß die drei grundsätzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muß also nachgewiesen werden, daß eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung der Länder nicht wirksam geregelt werden kann. Zweitens muß nachgewiesen werden, daß die Regelung dieser Angelegenheit durch ein Landesgesetz den Interessen der anderen Länder widerspricht. Das muß auch von Ihnen hier nachgewiesen werden. Man kann nicht immer nur sagen: Weil die Mehrheit im Ausschuß dafür war, deshalb ist der Bund zuständig. Meine Damen und Herren, dann haben wir in Deutschland keinen Bund mehr, sondern eine Majorisierungsmaschine. Drittens müssen Sie nachweisen, daß die Rechts- und Wirtschaftseinheit nicht mehr gegeben wäre, wenn die Lander die Zuständigkeit haben.
Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung muß also bei der Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebung die Bedürfnisfrage nach diesen drei Gesichtspunkten geklärt werden. Diesen Standpunkt vertritt auch das bayerische Regierungsorgan. Das bayerische Regierungsorgan hat sich im Bayerischen Staatsanzeiger eindeutig auf diesen Rechtsstandpunkt gestellt, den auch wir als Oppositionspartei hier und als Oppositionspartei in Bayern vertreten. Ich muß Ihnen also beweisen, daß diese Bedürfnisfrage für den Bund nicht bejaht werden kann. Ich darf Sie auf folgende Punkte kurz hinweisen.
Die Biersteuer ist ja immer schon eine schwerwiegende bayerische Angelegenheit gewesen. Ich darf Ihnen sagen, warum. Nicht, weil die Bayern hier vielleicht eine Extrawurst gebraten haben möchten, sondern, meine Damen und Herren: können Sie leugnen, daß 60 Prozent der ganzen Brauereien des Bundes in Bayern liegen? Oder können Sie vielleicht leugnen, das 50 Prozent des ganzen Aufkommens der Biersteuer von Bayern aufgebracht wird? Ich darf Ihnen hier den Beweis liefern.
Wenn die Bayern vielleicht pro Kopf der Bevölkerung mehr Bier trinken, als anderswo getrunken wird, so sage ich, um auf diesen Zwischenruf zu antworten: wir lieben die Limonade nicht so, wie man sie anderswo liebt.
Uns ist ein gutes Maß Bier lieber als eine Limonade oder Marmelade.
Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen jetzt den Beweis führen, daß es wirklich Sonderverhältnisse sind, und meine Herren Kollegen aus allen Fraktionen, die von Bayern hier sind, werden mir das bestätigen. Wir haben in der Bundesrepublik vom 1. April 1949 bis 30. September 1949 ein Aufkommen an Biersteuer von insgesamt rund 144 Millionen D-Mark. Von diesen 144 Millionen D-Mark hat Bayern allein vom 1. April 1949 bis 30. September 1949 68,6 Millionen D-Mark gezahlt. Damit ist doch allein bewiesen, daß das eine Sonderfrage für Bayern ist, wenn wir die Hälfte der ganzen Steuer aufbringen, und daß wir doch hier nicht heraufgehen, um Ihnen Schwierigkeiten zu machen, sondern daß wir Sie bitten, Verständnis für diese Sonderfrage zu haben.
— Darauf komme ich noch zu sprechen, Herr
Kollege! — Bayern hat also 68,6 Millionen aufgebracht, Nordrhein-Westfalen 23,9 Millionen, Württemberg-Baden 14,2 Millionen, Hessen 7,6 Millionen,
Rheinland-Pfalz 6,5 Millionen, Niedersachsen 6,4
Millionen, Baden 4,8 Millionen, WürttembergHohenzollern 4,2 Millionen, Hamburg 3,9 Millionen, Bremen 2 Millionen, Schleswig-Holstein 1,2
Millionen und Lindau 0,5 Millionen. Meine Damen
und Herren, aus diesem schwerwiegenden Material bitte ich doch zu entnehmen, daß hier für
Bayern eine Sonderregelung getroffen werden
muß. Genau so wie Sie mit Recht eine Sonderregelung beim Ruhrgebiet für sich beanspruchen,
können wir doch beanspruchen, daß eine Sonderregelung in der bayerischen Bierfrage getroffen wird.
Nun haben wir ja eine historische Erfahrung, und wir müssen nach der geschichtlichen Erfahrung doch endlich auch in diesen wirtschaftlichen Dingen gehen. Seit der Verreichlichung der Biersteuer ist es mit dem Aufkommen aus der Biersteuer und mit unserer Brauereiindustrie abwärts gegangen. Und vor allem, seitdem den Gemeinden das Recht genommen worden ist, die Gemeindebiersteuer zu erheben, haben wir auf der ganzen Linie eine Abwärtsentwicklung. Wir können nicht sagen, daß ein Land die Dinge nicht wirksam regeln kann. Wir haben seit dem Jahre 1871 ein Reservatrecht gehabt. Möchten Sie vielleicht behaupten, daß die Dinge dadurch schlechter geregelt worden sind, daß wir ein Reservatrecht in der Biersteuerfrage bekommen haben? Oder möchten Sie sagen, daß 70 Millionen D-Mark Biersteuer es uns wert sind, unsere Bundestreue anzweifeln zu lassen?
— Ja, meine Damen und Herren, wir streiten doch um 70 Millionen D-Mark. Denn 68 Millionen D-Mark bringen wir ja bereits selbst auf. Wir können uns doch nicht wegen 70 Millionen D-Mark in eine Kompetenzfrage zwischen Bund und Ländern hineinsprechen.
Dann möchte ich dem Herrn Kollegen, der einen Zwischenruf wegen der Exporte gemacht hat, sagen, daß keine Gefahr besteht. Sie brauchen vor den bayerischen Brauereien wegen der Exporte keine Angst zu haben. Ich schlage Ihnen vor, daß wir Exportausgleiche verlangen und in den einzelnen Ländern gesetzlich festlegen, so daß, wenn zum Beispiel eine bayerische Brauerei nach Hessen oder in ein anderes Land ausführt, die Ausgleichsbeträge in der gleichen Höhe erhoben werden, wie die Steuer bei den Einfuhrländern erhoben wird. Die Gefahr eines Dumping wäre doch damit gar nicht gegeben. Es liegt also gar kein Grund vor, die Bedürfnisfrage so zu klären, daß der Bund unter allen Umständen die Biersteuerfrage zentral regeln muß. Ich bin sehr gespannt darauf, welche Beweise für eine zentrale Regelung hier gebracht werden.
Die Vereinheitlichung der Reichsbiersteuer hat für uns Bayern eine effektiv höhere Besteuerung der ganzen bayerischen Bevölkerung gebracht, weil der Bierkonsum pro Kopf der Bevölkerung bei uns nun einmal größer ist als anderswo.
- Ja, Sie mögen lachen! Wir haben nicht das
Obstgebiet, wo, wie in Württemberg, der Most
gemacht werden kann. Wir haben nicht die Zuckerindustrie, durch die, wie z. B. durch die Limonadenherstellung in der britischen Zone, die Verhältnisse ganz anders liegen als bei uns in Bayern. Bei uns in Bayern ist das Bier kein Luxusgetränk, sondern ein Volksgetränk!
Fragen Sie doch Ihre Arbeiter, unsere Arbeiter in Bayern, ob ein bayerischer Arbeiter das Bier als Luxusgetränk betrachtet, ob er es nicht vielmehr als Volksgetränk ansieht!
— Aus Ihren Zwischenrufen und Ihrem Gelächter sehe ich, daß wir erst recht im Recht sind, wenn wir Sie um eine Sonderregelung bitten, weil Sie uns kein Verständnis entgegenbringen wollen.
Die bayerischen Arbeiter haben unter der Reichsbiersteuerverordnung gegenüber der Vorkriegszeit bzw. gegenüber der Zeit vor 1914 eine dreiunddreißigfache höhere Besteuerung erfahren. Sie sind gegenüber den andern Ländern benachteiligt, weil 80 Prozent unserer Bierproduktion in Bayern selbst verbraucht werden. Die Frage ist ja hier ganz anders zu betrachten als beispielsweise bei der Tabaksteuer als Verbrauchssteuer. Tabak, zum Beispiel badischer Tabak, wird ja im ganzen Bundesgebiet verkauft. Aber wir verbrauchen 80 Prozent unserer Bierproduktion selbst; und es ist doch nicht unbillig, wenn wir deshalb auch die Steuer für diese 80 Prozent des gesamten Bierkonsums selbst für uns in Anspruch nehmen.
Meine Damen und Herren! Ich habe schon erwähnt, daß die Entwicklung der Biersteuer seit dem 26. Juli 1918 uns auf der ganzen Linie recht gegeben hat: Wir sind finanziell schlechter gefahren; das Bier ist verteuert worden, und die gesamte bayerische Bevölkerung ist eindeutig um Millionen und aber Millionen D-Mark benachteiligt worden. Durch diese Reichs- und zentralistische Regelung ist Bayern also am meisten betroffen worden. 1900 Brauereien in Bayern stehen als 60 Prozent der gesamten Brauereien den anderen Brauereien im Bundesgebiet gegenüber. Ein Arbeiter brauchte in Friedenszeiten für einen halben Liter Friedensbier ein Drittel seines Stundenlohnes, während er heute mehr als die Hälfte eines Stundenlohnes aufwenden muß, um sich nur einen halben Liter Bier leisten zu können.
Wir haben 1931 bei einer geringfügigen Biersteuererhöhung des Reiches den Beweis dafür erlebt, daß der bayerische Staat und die bayerische Wirtschaft dadurch um 600 bis 700 Millionen Mark geschädig worden sind. Das sind doch Beweise, daß wir hier eine Sonderregelung treffen und angesichts einer für den Bund nicht so schwer in die Waagschale fallenden Gesamtsumme an Biersteuer diese Frage den Ländern überlassen müssen.
Wir führen jetzt monatlich aus dem Bunde 8000 Hektoliter Bier aus, während es in Friedenszeiten monatlich rund 36 000 Hektoliter waren. Gerade wenn Sie es den Ländern überlassen und wenn Sie wegen der verschiedenen Höhe der Steuer gegenseitig Ausgleichsbeträge erheben, können Sie den Bierexport fördern. Wollen Sie vielleicht leugnen, daß Bayern das größte Hopfenexportland Europas ist und daß wir durch unseren Gerstenbau und unsere Hopfengebiete ein Land der Biererzeugung geworden sind, das für den ganzen Bund von größter wirtschaftlicher Bedeutung ist? Aber lassen Sie doch dieses Land arbeiten! Beschränken Sie doch dieses Land nicht
mit Steuern und einer zentralen Steuergesetzgebung von Stellen aus, die die wirtschaftlichen Zusammenhänge gar nicht überblicken können.
Aus diesem Grunde möchte ich Ihnen auch noch eine Stellungnahme des bayerischen Hotel- und Gaststättengewerbes mitteilen. Das bayerische Hotel- und Gaststättengewerbe hat uns noch gesondert gebeten, darauf hinzuweisen, daß es eine Festsetzung der Biersteuer von einer zentralen Stelle, vom Bunde aus, nicht für möglich und für die bayerische Wirtschaft für schädlich hält.
Meine Damen und Herren! Die staatsrechtliche Regelung dieser Frage, ob wir die Biersteuer vom Bund aus festsetzen oder sie den Ländern überlassen, ist das erste Musterbeispiel dafür, ob wir fähig sind, die Bonner Verfassung föderalistisch auszulegen und föderalistisch zu gestalten. Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, die Sie für eine bundesrechtliche Regelung sind, noch einmal: Weisen Sie uns nach: erstens daß die Länder diese Frage nicht regeln können, zweitens daß die Regelung durch die Länder den Interessen der anderen Länder widersprechen würde, und drittens, daß die Rechts- und Wirtschaftseinheit nicht gewährleistet wäre. Nur wenn Sie uns diese drei Punkte nachweisen, wäre die Bedürfnisfrage zugunsten des Bundes geklärt. Ich glaube aber nicht, daß Ihnen dieser Nachweis möglich sein wird.
Meine Herren Kollegen aus Bayern aus allen Fraktionen möchte ich bitten, den Standpunkt der bayerischen Wirtschaft, der bayerischen Arbeiter, der Bauern, des bayerischen Braugewerbes, des Hotel- und Gaststättengewerbes an dieser Stelle zu schildern. Ich glaube, Sie werden zu dem gleichen Ergebnis kommen.
Meine Damen und meine Herren Abgeordneten des ersten Bundestages der neuen Bundesrepublik: Beweisen Sie im ersten Falle, daß Sie gewillt sind, föderalistisch zu sein, und daß Sie keine Majorisierungsmaschine in unserem Bunde einführen wollen.