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ID0102208400

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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
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    7. Renner.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1949 649 22. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1949. Geschäftliche Mitteilungen . 650B, 698D, 713C Anfrage Nr. 8 der Fraktion der SPD betr. Lohn- und Gehaltserhöhung anläßlich der Einkellerung von Kartoffeln und Brennstoffen (Drucksachen Nr. 189 u. 273) . . 650C Anfrage Nr. 7 der Fraktion der FDP betr. Umquartierung im Raum Köln (Drucksache Nr. 188) 650C Antrag der Abg. Renner und Gen. betr. Erklärung des Bundeskanzlers zu seinem Interview in Fragen der Remilitarisierung (Drucksache Nr. 269) 650D Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 650D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit (Drucksache Nr. 270) . . . . 651D Dr. Oellers (FDP), Berichterstatter 651D Dr. Kopf (CDU) . . . . . . . . 655A Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . 657C Loritz (WAV) 657D Ewers (DP) . . . . . . . 659B, 661D Schoettle (SPD) (zur Geschäftsordnung) 662A Dr. Kleindinst (CSU) 662B Dr. Richter (NR) . . . . . . . 662C Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 664A Leibbrand (KPD) . . .. . . . . 664D Dr. Arndt (SPD) (zur Geschäftsordnung) 666A Arndgen (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . 666D Zweite und dritte Beratung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache Nr. 271) 667A Dr. Krone (CDU), Berichterstatter . . . . . . . 667A, 676A Rische (KPD) 667D Rümmele (CDU) 669B, 672B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 669D, 671D Dr. Fink (BP) . . . . . . . . 670B Seuffert (SPD) . . . . . . . 671B Dr. Reif (FDP) 672A Renner (KPD) . . . . . . . . 672C Neumann (SPD) . . . . . . . 673C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erstreckung der bei den Annahmestellen Darmstadt und Berlin eingereichten Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenanmeldungen auf die Länder Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern und den bayerischen Kreis Lindau (Drucksachen Nr. 152 und 272) . . . . . . . . . . . 676C Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 676C Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 241 neu) . . . . . . . . . 276D Antrag der Fraktion der BP betr. Streichung der Absätze 2 und 3 des § 103 der vorläufigen Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 184) 677A Dr. Seelos (BP), Antragsteller 677A, 687C Dr. Etzel (BP) 678B Dr. Arndt (SPD) . . . . . 679D, 686A Frau Dr. Weber (CDU) 681D Loritz (WAV) 682B, 686D Renner (KPD) 683A Dr. von Brentano (CDU) . . . . 685A Dr. Oellers (FDP) (zur Geschäftsordnung) 687B Antrag der Fraktion der SPD betr. Einsetzung eines Ausschusses für den Erwerb von Ausstattungs- und Kunstgegenständen im Raume der vorläufigen Bundeshauptstadt (Drucksache Nr. 199) 687D Erler (SPD) Antragsteller . . 633A, 691C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 690B Dr. Decker (BP) . . . . . . 690C Dr. Wellhausen (FDP) 690D Dr. Bertram (Z) 691A Kiesinger (CDU) . . . . . . 691B Antrag der Abg. Renner und Gen. betr: Stellungnahme des Vizekanzlers zu dem behaupteten Wegfall von Subventionen (Drucksache Nr. 207) . . . . . . . . 6928 Rische (KPD), Antragsteller . . . . 692C Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 695A Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Maßnahmen gegen Preiserhöhung (Drucksachen Nr. 225 und 228) 696A Etzel (CDU), Berichterstatter . 696A Rische (KPD) 697A Schoettle (SPD) 698C Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betr. Wahrung der Pressefreiheit gegenüber Zeitungsverboten der britischen Dienststellen (Drucksache Nr. 208) . . . 699A Agatz (KPD), Antragsteller 699A Cramer (SPD) . . . . . . . . . 699D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der BP betr. Biersteuergesetzgebung (Drucksachen Nr. 212 und 91); in Verbindung mit dem Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. Horlacher, Dr. Laforet und Genossen betr. Biersteuer (Drucksachen Nr. 213 und 162) 701B Seuffert (SPD), Berichterstatter 701B, 709A Dr. Besold (BP) 702A, 710B Dr. Baumgartner (BP) 704A Dr. Solleder (CSU) 706B Dr. Wellhausen (FDP) . . . 707D, 713A Dr. Bertram (Z) 708D Wilhelm Schmidt (WAV) . . . . 709D Strauss (CDU) (zur Geschäftsordnung) 712C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen betr. einheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung (Drucksache Nr. 224) . . . 711B Arndgen (CDU), Berichterstatter . 711B Krause (Z) 711D Persönliche Bemerkung: Dr. Arndt (SPD) 712A Nächste Sitzungen 713C Die Sitzung wird um 9 Uhr 43 Minuten durch Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Demokratie wirklich Volksherrschaft heißt, dann muß das Volk die Möglichkeit haben zu sehen, wie seine, des Volkes Herrschaft durch seine Vertreter ausgeübt wird, und das bedeutet mit absoluter Folgerichtigkeit,

    (Zuruf rechts)

    daß das Volk weiß, wie die Abgeordneten im einzelnen Fall stimmen. — Herr Zwischenrufer, Sie rufen mir gerade zu: Persönlichkeitswahlrecht! Ich frage Sie jetzt — bitte denken Sie einmal logisch nach! —, was hat die Frage, ob Persönlichkeitswahlrecht oder gemischtes Wahlrecht oder Listenwahlrecht damit zu tun?

    (Sehr richtig! bei der WAV. — Zurufe rechts.) Denn wenn Sie geheime Abstimmung haben, dann können Sie ruhig die Kandidaten mit Persönlichkeitswahlrecht, mit reinem Mehrheitswahlrechtssystem wählen lassen, dann hat das Volk genau so wenig Kontrolle und genau so wenig Überwachungsmöglichkeit, wenn der vom Volk auf Grund des Mehrheitswahlsystems in einem Wahlkreis gewählte Kandidat sich hinter dem Schutz der Anonymität und der geheimen Abstimmung verbergen kann.


    (Unruhe und Zurufe rechts.)

    — Da winken Sie ab. Bitte, seien Sie dann so gütig und sagen Sie mir, wo da noch die Kontrollmöglichkeit ist!

    (Sehr richtig! bei der WAV und links.)

    Egal ob der Kandidat auf einer Landeswahlliste oder direkt gewählt ist, in dem Moment, wo Sie ihm die Möglichkeit geben, bei wichtigen Abstimmungen geheim abzustimmen, verliert das Volk die Kontrolle über diesen Kandidaten. Dann ist es ganz Wurst, auf welche Weise Sie diesen Kandidaten wählen. Dann haben Sie keine Demokratie mehr, dann haben Sie die Autokratie einiger weniger Abgeordneter, die ihren Wählern vor der Wahl Versprechungen machen können, wie sie es wollen,

    (Zurufe rechts)

    und nach der Wahl sie nicht halten, sondern unter irgendeinem Vorwand hergehen und ihr Gewissen zu salvieren versuchen, wenn sie es überhaupt tun, und genau im Gegensatz zu dem abstimmen, was sie den Wählern versprochen haben. Manche gehen dann noch in ihre Wahlkreise hinaus und sagen: „Ja, ich habe schon so gestimmt, wie ihr mich beauftragt habt". In Wirklichkeit hat er aber ganz anders abgestimmt. Ich weiß es von einigen Abgeordneten, die ich sehr im Verdacht habe, daß sie in der Frage Frankfurt-Bonn ganz anders abgestimmt haben, als sie ihren Wählern versprochen

    (Zustimmung bei der WAV und links)

    und in öffentlichen Versammlungen gesagt haben, und die heute trotzdem, sagen wir einmal, im Land Hessen und auch in Bayern und anderswo hergehen und sagen: „Ich habe schon so gestimmt, wie ich es euch zugesichert habe". In Wirklichkeit haben sie bei der geheimen Abstimmung ganz anders gestimmt.

    (Unruhe und Zuruf rechts: Woher wissen Sie das?)

    Diese Dinge müssen verhindert werden. So sind wir von der WAV der festen Überzeugung, daß das System, daß die Abgeordneten bei solch wichtigen Entscheidungen sich durch geheime Stimmabgabe von der Verantwortung gegenüber ihren Wählern drücken können, ein Nonsens ist und zugleich ein Widerspruch zum Geist unserer Verfassung und unserer gesamten Demokratie.
    Deshalb unterstützen wir den Antrag auf Beseitigung dieser Geheimabstimmungsmöglichkeit aufs wärmste. Ich glaube allerdings mit meinem sehr verehrten Vorredner, Herrn Dr. Arndt, daß hierüber im Ausschuß noch einige Dinge zu sagen sein werden und daß man sich vor abrupten Lö-


    (Loritz)

    sungen namentlich deshalb zu hüten hat, weil die ursprüngliche Abänderung der Geschäftsordnung schon viel zu abrupt gewesen war, bevor das Für und Wider entsprechend ausdebattiert werden konnte. Wir sind deshalb auch dafür, daß die Sache an einen Ausschuß verwiesen wird, aber nicht, um dort diesen Antrag zu begraben, sondern um raschestens zu einem Entwurf zu gelangen, der dann im Plenum zu verabschieden ist. Wir von der WAV — seien Sie dessen überzeugt, meine sehr verehrten Zwischenrufer — werden unter allen Umständen dafür stimmen, daß der Abgeordnete frei und offen seine Meinung zu sagen hat. Denn nur so kann der Wähler draußen, der ein Recht auf diese Kontrolle hat, den Abgeordneten kontrollieren und überwachen und sehen, ob der Abgeordnete wirklich der Vertreter seines Wahlkreises ist oder sein eigener Vertreter.

    (Wiederholte Zurufe.)

    Zu diesem Zweck stimmen wir für die Beseitigung der geheimen Abstimmungsmöglichkeit.

    (Beifall bei der WAV und links.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Ich muß auch mit einer Richtigstellung anfangen. Im Parlamentarischen Rat ist über die Frage Frankfurt-Bonn geheim abgestimmt worden. Im Parlamentarischen Rat hat die KPD-Fraktion einen Antrag eingebracht, der hieß: Die Hauptstadt Deutschlands ist Berlin. Für diesen Antrag haben die Mitglieder der KPD-Fraktion gestimmt.

    (Abg. Neumann: Und hier haben Sie dagegen gestimmt, als einzige Fraktion!)

    — Wogegen haben wir gestimmt?

    (Abg. Neumann: Gegen Ihren eigenen Antrag: Berlin als Hauptstadt!)

    — Verzeihung, Herr Neumann, Ihnen ist heute schon eine derartige Reihe von historischen Irrtümern unterlaufen, daß ich wirklich bitten muß, mir Gelegenheit zu geben, nachher im Stenogramm festzustellen, was Sie eigentlich gemeint haben. Wir haben auch bei der Abstimmung Frankfurt-Bonn hier im Hause einen eigenen Antrag eingereicht:

    (Abg. Neumann: Und dagegen gestimmt) Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands. — Waren Sie da gerade beurlaubt oder waren Sie gerade auf der Luftbrücke von Berlin nach Bonn unterwegs? Ich weiß es nicht.


    (Heiterkeit.)

    Aber bitte, lesen Sie das Stenogramm der Sitzung nach. Wir haben auch in der entscheidenden Minute Berlin als Hauptstadt für Deutschland gefordert. Herr Neumann, es tut mir leid. Na ja, Sie haben heute soviel — ich hätte beinahe ein unparlamentarisches Wort gebraucht — schon erzählt; ich verzeihe Ihnen auch diesen kleinen Ausflug in die Unwahrhaftigkeit.
    Nun der Überraschungsantrag! Das war es ja gar nicht. Die Frage, wie man über das Problem BonnFrankfurt abstimmen sollte, ist im Ältestenrat lang und breit gewälzt worden.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr wahr!)

    Man ist sich im Ältestenrat darüber einig geworden, die Frage der Möglichkeit der geheimen Abstimmung ohne Diskussion über die Bühne gehen
    zu lassen. Ohne Diskussion! Daraus habe ich im
    Ältestenrat geschlußfolgert, daß quer durch alle
    Fraktionen das Bestreben geht, von dem freizukommen, was man zu der Frage in der Öffentlichkeit gesagt hat, um hier geheim für Bonn stimmen zu können. Das ist der Hintergrund, so wie er im Ältestenrat abgelaufen' ist. Machen wir uns doch bitte in der Frage gegenseitig nichts vor! Der Antrag, die Geschäftsordnung in diesem Punkt zu ändern, war ein sehr zweckbedingter Antrag. Er sollte gewissen Mitgliedern gewisser Fraktionen Gelegenheit geben zu echappieren.

    (Heiterkeit.)

    Das war der Sinn.
    Nun aber zu dem Problem selber. Der Antrag der Bayernpartei ist gut. Wir stimmen vorbehaltlos für ihn. Nur empfinden wir es so ein bißchen komisch, daß es ausgerechnet die Bayernpartei ist,

    (Heiterkeit)

    die sich als Gralshüter der Demokratie aufgespielt hat. Es gibt so etwas wie ein Grundgesetz. Das ist bei uns flexibel; das hat sich schon langsam herumgesprochen. In Artikel 42 des Grundgesetzes steht — das hat Herr Kollege Dr. Arndt schon erwähnt —, daß der Bundestag öffentlich verhandelt. Frage: Was wolten die Gesetzgeber?
    Wollten sie nur, daß das wertgeschätzte Publikum da oben auf dem Balkon Gelegenheit haben soll, die goldenen Worte der Herren Parlamentarier hier anzuhören? Oder wollten die Gesetzgeber auch, daß das sehr geehrte Publikum Gelegenheit hat, zu sehen, wie die Herren Abgeordneten stimmen, wie sich also ihre politische Entscheidung zu ihren goldenen Worten verhält? Da soll es ja bekanntlich sehr oft einen Widerspruch geben.

    (Sehr gut! bei der KPD. — Zuruf rechts: Denken Sie an sich selber!)

    Ich will ganz vorsichtig sein.
    Aber im Grundgesetz steht noch etwas anderes In Artikel 46 steht drin, daß ein Abgeordneter zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung usw. gerichtlich oder dienstlich oder sonst außerhalb des Bundestags zur Verantwortung gezogen werden kann und darf. Wenn der Gesetzgeber verhüten will, daß jemand wegen seiner Abstimmung zur Verantwortung gezogen werden kann, hat ihm doch dabei die öffentliche Abstimmung vorgeschwebt. Denn für die geheime Abstimmung kann man ja schließlich von niemandem verantwortlich gemacht werden, weder von einer Behörde noch vom Wähler. Und darauf kam es den Bejahern dieser Änderung an. Sie wollten von ihren Wählern nicht für ihre politischen Entscheidungen verantwortlich gemacht werden. Das ist der wahre Inhalt dieses Beschlusses.
    Aber warum soviel Kraftaufwand, soviel Pathos?

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ihre Demokratie ist etwas sehr Flexibles, und es gibt in diesem Hause eine Mehrheit, die bewiesen hat, daß sie die Demokratie so auslegt und praktiziert, wie sie es gerade versteht, wie es ihr gerade opportun erscheint. Das ist doch nichts Neues, das sind doch alte Binsenweisheiten. Wieder einmal mehr: Wie ich die Demokratie praktisch anwende, das ist eine Frage der Macht.

    (Lebhafte Rufe in der Mitte und rechts: Aha!)

    Und die Mehrheit in diesem Hause hat bisher die Tatsache, daß sie zahlenmäßig die Macht in der Hand hat — das hat sogar der Herr Kollege Dr. Arndt , unverblümt ausgesprochen —, bereits mehrfach benutzt, um die Minderheiten ihrer im Grundgesetz garantierten Rechte hart und gnadenlos zu berauben. So habe ich das gemeint, wenn ich


    (Renner)

    'davon sprach, daß das eine Machtfrage ist, wie denn ja auch Verfassungsfragen Machtfragen sind.

    (Abg. Frau Dr. Weer: Allerdings!)

    Aber nun zu einem anderen Problem. Die Frau Kollegin Dr. Weber hat hier einen sehr, sehr diskutablen Vergleich gezogen, als sie von den Abgeordneten gesprochen hat, die in direkter Wahl in ihren Wahlkreisen gewählt worden sind, und denen, die über die Liste in den Bundestag eingezogen sind. Sie hat damit ein Kernproblem angeschnitten, aber dabei unterlassen zu sagen, daß, wenn man über die Liste hier in den Bundestag einziehen wollte, man nachgewiesenermaßen fast das Dreifache an Stimmen gebraucht hat wie die sehr verehrten Sieger dieser letzten Wahl von der CDU/CSU.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Aber sie hat noch ein anderes Wort geprägt, das Wort von der Persönlichkeit. Ich will hier nicht gehässig werden — es ist schon 21/4 Uhr —, ich will hier nicht die Frage aufwerfen, wieviel „Persönlichkeiten" — —; ich will die Frage offenlassen. Aber wie kann man, verehrte Frau Dr. Weber, die geheime Abstimmung bejahen und dabei gleichzeitig das Persönlichkeitswahlsystem als das einzig richtige ansprechen?

    (Sehr richtig! bei der KPD. — Abg. Frau Dr. Weber: Ich habe es ja eingeschränkt!)

    Eine Persönlichkeit — wenigstens das, was ich darunter verstehe — steht für ihre Entscheidungen grade. Das ist das Wesen der Persönlichkeit. Das andere sind Hampelmänner oder Wiesen- und Waldredner; das sind Parteimarionetten.

    (Zurufe.)

    Und die Freiheit wohnt am allerwenigsten im
    Schatten des Geldschrankes, sondern von da gehen
    die Bindungen aus. Aber nun befindet sich die
    Frau Weber — weil Sie Essenerin sind, darf ich Sie
    daran erinnern — in einer sehr vornehmen Gesellschaft, der der deutschen Wählergesellschaft.
    Einer der führenden Männer ist der Herr Botschafter a. D. Dr. Bracht. Wir kennen ihn ja, diesen
    Bracht, der vor 1933 einmal bei uns in Essen
    Oberbürgermeister war und dem ich damls schon
    einmal bei einer ähnlichen Gelegenheit sagte, — —

    (Abg. Frau Dr. Weber: Der ist doch tot!)

    — Nein, Verzeihung, ich meine Luther. Ich meine nicht Bracht, den allerletzten; der war ja auch von Ihnen!

    (Heiterkeit.)

    Ich meine Luther, der in der Wählergesellschaft
    diese entscheidende Rolle spielt. Das ist nicht alt.

    (Zuruf in der Mitte.)

    — Bei Bracht kann man ja auch einiges zitieren; so die Geschichte mit dem Zwickel.

    (Zuruf in der Mitte: Der ist ja tot! — Heiterkeit.)

    — Aber wir reden jetzt von der deutschen Wählergesellschaft, von Ihrem Mann und von der Persönlichkeitswahl und von diesem Luther, der heute in diesem Kampf an führender Stelle steht, dem ich vor 1933 in Essen einmal gesagt habe: „Luther, hier stehe ich, ich kann auch anders!"

    (Heiterkeit.)

    Dieser Luther, der alte Reaktionär, ist heute der Vorkämpfer. Herr Lehr, fühlen Sie sich auch angesprochen; Sie gehören in denselben Verein.

    (Heiterkeit.)

    Das ist jetzt einer der typischen Vorkämpfer für die sogenannte Persönlichkeitswahl.

    (Zuruf rechts: Reden Sie jetzt zur Sache!)

    — Ich komme jetzt zur Sache.
    Ich komme nun zu den Gralshütern der Demokratie. Ich habe schon vorhin gesagt, daß ich mich wundere, daß Herr Seelos hier in .die Kampfbahn geritten ist; derselbe Herr Seelos mit denselben Freunden von der SPD, die bei anderer Gelegenheit in puncto Öffentlichkeit der Verhandlungen des Bundestags eine absolut abweichende Auffassung haben.
    Was meine ich damit? Ich meine: wenn man für die Öffentlichkeit gegenüber dem Publikum ist, dann sollte man auch konsequenterweise einen Schritt weitergehen. Man sollte dafür sein, daß für die Abgeordneten des Bundestags die Öffentlichkeit unter allen Umständen gesichert ist. Das soll heißen: man sollte dafür sorgen, daß in allen Ausschüssen des Bundestags die Abgeordneten aller Fraktionen Zutritt haben. Das haben Sie verhindert.

    (Abg. Strauss: Das hätten Sie einfacher sagen können!)

    — Manches muß ich kompliziert machen, damit Sie es verstehen, damit Sie die Zusammenhänge verstehen.

    (Zurufe in der Mitte. — Unruhe.)

    Dieselben Gralshüter der Demokratie, die hier für das hochgeschätzte Publikum kämpfen, haben einem Beschluß zugestimmt, der zur Folge hat, daß gewählte Vertreter des Volkes in verschiedenen besonders interessanten Ausschüssen nicht einmal teilnehmen dürfen.

    (Abg. Strauss: Die werden interessant!)

    Ich hoffe, daß aus diesem wirklichen Bravourritt, den Herr Dr. Seelos in dieser Frage geritten hat, und aus der nicht minder grundsätzlichen Einstellung der Sozialdemokratie und der übrigen Sprecher jetzt ein Resultat entspringt: das Resultat, die Öffentlichkeit auch für die Herren gewählten Vertreter des Volkes, also auch für die Bundestagsabgeordneten in ihrer Gesamtheit herzustellen.

    (Abg. Dr. Seelos: Zugesichert, so bald es keine „Volksdemokratie" mehr gibt!)

    — Armer Herr Dr. Seelos! Hier sind wir doch im Mutterland der Demokratie; hier machen Sie doch „Ihre Demokratie".

    (Abg. Dr. Seelos: Ich danke für das Kompliment!)

    Hier legen Sie doch die Demokratie so aus, wie es Ihnen paßt. Hier verhindern Sie doch, daß gewisse Abgeordnete gewisser Fraktionen hinter gewisse krumme Dinge kommen, die in den Ausschüssen gedreht werden. Nichts anderes steckt dahinter als Ihre Absicht, krumme Dinge, die Sie in den Ausschüssen drehen, vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten.

    (Beifall bei der KPD. — Pfuirufe und Unruhe in der Mitte.)