Rede von
Franz
Neumann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident, ich wollte keineswegs eine parteipolitische Auseinandersetzung im Vorstand herbeiführen, sondern ich schätze die Objektivität des Vorstandes so hoch ein, daß ich eben dem Herrn Präsidenten diese beiden Scheine überreichen wollte. Ich lege sie also auf den Tisch des Hauses nieder; jeder kann sich diese Scheine ansehen, jeder kann feststellen, welcher von beiden Scheinen radiert worden ist; denn die Herren Kommunisten sagen in der „Täglichen Rundschau", einer sei radiert und in meisterhafter Weise gefälscht worden. Im übrigen: wir haben auch 100-Mark-Scheine oder beliebige andere Scheine.
Ich wollte Ihnen nur sagen, auf welche Art und Weise Berlin in Schwierigkeiten gekommen ist. Meine Damen und Herren, um es mit drei Zahlen
zu sagen: wir haben während des Jahres der Blockade 1,2 Milliarden Mark bekommen. Ich nenne Ihnen drei Posten, um Ihnen zu zeigen, was wir mit diesen 1,2 Milliarden Mark machen mußten. Die Besatzungskosten betragen im Jahre 240 Millionen Mark, die Kosten für Flugplatzbauten 136 Millionen Mark. Weiter haben wir vom 21. Juni 1948 bis zum 30. März 1949, also 9 Monate lang, je Monat 45 Millionen Mark hier im Westen ausgeben müssen, also Westmark, um Lebensmittel einzukaufen; das macht 405 Millionen Mark. Diese 405 Millionen Mark haben wir in West-Berlin nur in Ostmark zurückerhalten, da wir ja bis zum 31. März dieses Jahres die bewirtschafteten Lebensmittel für Ostmark verkaufen mußten.
Das ist also unsere „Verschwendung" in Berlin gewesen! Wenn Sie diese drei Zahlen hören, deren Summe zwei Drittel der 1,2 Milliarden ausmacht, dann wissen Sie, wo das Geld geblieben ist.
Nun erlauben Sie mir letztlich, daß ich dem Herrn Kollegen Dr. Fink etwas sage. Wir haben uns im Hauptausschuß in Berlin bei allen drei Parteien einheitlich auf die Verteilung der Gelder an kirchliche und karitative Organisationen festgelegt. Wir waren uns absolut einig, und bis zum heutigen Tage hat keine der Parteien einen anderen Standpunkt eingenommen. Wir haben in Kürze die Etatverhandlungen. Meine Herren Kommunisten, wir haben einen gedruckten Etat. Ich weiß nicht, ob der andere Magistrat das in dieser Öffentlichkeit macht. Ich stelle Ihnen diesen Etat gern einmal zur Einsicht zur Verfügung; er liegt in unserem Fraktionsbüro.
Und nun, Herr Kollege Renner, eine Antwort auf Ihre Frage: „Welche Verpflichtungen ist die Berliner SPD eingegangen, um hier von Herrn Dr. Adenauer dieses Geld zu bekommen?" — Ich glaube, daß es in einer Nation Verpflichtungen gibt, die über eine Partei hinausgehen!
— Ich glaube, daß das in diesem Hause durchaus verstanden wird.
Herr Kollege Renner! 1945, als die Patentdemokratie in Berlin eingeführt werden sollte, haben wir Berliner, immer mit einem Bein im KZ stehend, unsern Standpunkt durchgesetzt, der letztlich jetzt der Standpunkt ganz Berlins geworden ist. Wir haben verhütet, daß ganz Berlin ein einziges KZ geworden ist, und wir Berliner gehen durch diese Zahlung die Verpflichtung ein, in unserer demokratischen Entwicklung fortzufahren und durch unsere Tätigkeit zu verhüten, daß ganz Deutschland ein einziges kommunistisches KZ wird!