Rede von
Dr.
Conrad
Fink
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion der Bayernpartei bejaht, wie ich dies schon in der vorigen Woche anläßlich der ersten Lesung ausgeführt habe, grundsätzlich und weitestgehend die Notwendigkeit einer materiellen und finanziellen Hilfeleistung für Berlin. Es gibt auch darüber wohl keinen Zweifel, daß eine Hilfe nur dann wirksam und fühlbar sein wird, wenn sie sich auf einer Höhe hält, die eine durchgreifende und dauernde Linderung der Not gewährleistet. Es ist erfreulich, daß die Erfolge der Hilfsaktion sich auch laufend zeigen, und es ist sicher beachtlich, wenn zum Beispiel aus zuverlässigen Quellen hervorgeht, daß der Handelsumsatz Berlins mit dem Westen von 40 Millionen auf 70 Millionen im November gestiegen ist. Es wird auch sicherlich nicht nur von Berlin, sondern auch von uns begrüßt werden, wenn die westdeutsche Bundesrepublik, so wie es vom Herrn Bundesfinanzminister in Aussicht gestellt worden ist, eine Erhöhung der finanziellen Hilfeleistung aus Bundesmitteln im Rahmen des Möglichen vorsehen und vornehmen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Hinweis auf den Haushalt von West-Berlin, der soeben vom Herrn Kollegen Rische gegeben worden ist, veranlaßt mich, Ihnen klar und deutlich zu sagen, daß uns dieser Haushaltsplan anläßlich unserer Berliner Reise vorgelegt worden ist, daß jeder Posten darin von uns ausdrücklich geprüft worden ist und daß wir uns auch auf Grund dieses Haushaltsplans der Tatsache nicht verschließen können, daß die Berlin-Hilfe weiter geleistet werden muß,
damit eine Linderung der Not eintreten kann. — Meine Herren von der linken Seite, Sie berufen sich immer auf die „Volksdemokratie". Man sagt, daß eine doppelte Verneinung eine Bejahung ist. In diesem Fall könnte man auch einmal sagen: eine doppelte Bejahung ist eine Verneinung. Was soll denn „Volksdemokratie" in Ihrem Sinne bedeuten? Wenn wir auf diesem Boden die Einheit anstreben und erreichen würden, dann wäre es wohl sehr bald notwendig, das Notopfer, das jetzt auf Berlin beschränkt ist, auf ganz Deutschland auszudehnen.
Wer würde dann dieses Notopfer für uns leisten?
— Mit solchen Argumenten kommen Sie nicht weiter!
Ich habe schon in der vorigen Woche im Namen meiner Fraktion darauf hingewiesen und muß dies heute noch einmal tun, daß wir eine weitere Einhebung des sogenannten Notopfers bis zum 31. Dezember 1950 — es handelt sich ja nicht um die ganze finanzielle Hilfeleistung, sondern nur um dieses Notopfer — in Form einer Besteuerung der Bevölkerung durch eine Briefmarke und durch zusätzlichen Lohn- und Gehaltsabzug nicht für notwendig und zweckdienlich halten können. Auch unsere Bevölkerung hat noch mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Auch anderswo gibt es Notstandsgebiete. Ich erinnere nur an das große Notstandsgebiet im Bayerischen Wald, das sich fast von Passau durch den ganzen Bayerischen Wald bis hinauf nach Oberfranken zieht. Die Einnahmen unserer Landwirtschaft, die ja nur einmal im ganzen Jahr als große Einnahmen bezeichnet werden können, stehen in keinem angemessenen Verhältnis zu den Ausgaben, die unsere Landwirtschaft monatlich und jährlich zu tragen hat. Wenn von seiten unserer bäuerlichen Bevölkerung Dienstbotenlöhne von monatlich 60 bis 80 Mark gezahlt werden müssen, so bedeutet das bereits eine so große Belastung, daß kaum noch etwas Zusätzliches vertragen werden kann. Die Notwendigkeit von Reparaturen und dergleichen belastet unsere Landwirtschaft zusätzlich aufs stärkste. Auch für unsere kleineren und mittleren Geschäftsleute und Gewerbetreibenden stellt das Notopfer Berlin — nehmen wir nur einmal einen Briefverkehr mit fünf bis zehn Briefschaften täglich an — eine zusätzliche Belastung von etwa 40 bis 50 Mark pro Monat dar. Und auch die Gehälter und Löhne der Beamten und Angestellten genügen kaum noch zur Bezahlung dessen, was für den dringendsten Lebensunterhalt notwendig ist. Deshalb ist eine solche zusätzliche Belastung, wie sie durch das Notopfer Berlin gegeben ist, auf die Dauer nicht tragbar. Es wäre unter Umständen anzustreben, Berlin gesondert in die Marshallplanhilfe einzureihen, und es wäre zu verhindern, daß Westdeutschland so stark beansprucht wird, daß sein eigener Wiederaufbau gehemmt wird.
Auch bei der Verwendung der finanziellen Mittel könnte innerhalb Berlins dadurch vielleicht etwas rationeller verfahren werden, daß entsprechend hohe Beträge aus diesen Mitteln kirchlichen, karitativen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, die bekanntlich mit weitaus geringeren Mitteln oft gleiche oder größere Hilfe leisten können, als es staatlichen und städtischen Einrichtungen möglich ist.
Wenn beispielsweise von einem Betrag von 50 Millionen etwa 5 Millionen abgezweigt werden, dann können kirchliche Institutionen mit diesem Betrag das gleiche oder vielleicht mehr leisten als der Staat oder eine Stadt mit 10 oder 12 Millionen. Die Summe, die der Stadt Berlin verbleibt, hält sich dann auf der gleichen Höhe oder vergrößert sich sogar zugunsten der eigenen notwendigen Ausgaben von Berlin.
Es kann und darf also nicht die Hilfeleistung als solche bestritten werden. Auch die Höhe der Hilfe soll nicht herabgesetzt, sondern es soll nur in der Form die Möglichkeit eines Wandels gefunden werden. Wir müssen uns deshalb gegen eine Verlängerung bis zum 31. Dezember 1950 aussprechen und bitten zu überlegen, ob nicht mit einer Terminsetzung bis zum 31. März 1950, also bis zum Schluß des gegenwärtigen Etatjahres, der Sache ebenfalls Genüge geleistet werden könnte. Wir befinden uns damit auch in Übereinstimmung mit der Auffassung unserer bayerischen Staatsregierung.