Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Zu dem uns vorliegenden Gesetz habe ich zunächst einmal namens meiner Freunde zu sagen, daß auch wir wünschen, daß es schnellstens durchgezogen wird. Allerdings sind einige Bedenken unbedingt vorzubringen. Herr Kollege Ewers hat es schon getan. Er hat auf den § 6 aa hingewiesen. Es ist da von dem Erlaß von Strafen auf Grund von Straftaten die Rede, die nach dem 8. Mai 1945 begangen worden und auf die besonderen politischen Verhältnisse der letzten Jahre zurückzuführen sind. Wir sind der Oberzeugung, daß man hier überhaupt keinen Termin stellen sollte, sondern einen noch dickeren Strich ziehen müßte, als ihn schon Herr Kollege Ewers vorgeschlagen hat.
In Absatz 3 hat man dann zwar davon gesprochen, daß diese Straftaten nicht erlassen werden sollen für Verbrechen, die unter anderem auch aus ehrloser Gesinnung, Grausamkeit und Gewinnsucht verübt worden sind. Man kann dem nur zustimmen. Allerdings, glaube ich, müßte erst einmal klargestellt werden, was die Gerichte eigentlich unter „ehrlos" und unter „ehrenhaft" zu verstehen haben, nachdem in dieser Richtung doch in den letzten Jahren eine recht bemerkenswerte Unklarheit geherrscht hat.
Was den § 6 a anlangt, so stehen wir auf dem Standpunkt, daß auch der erwähnte Termin vom 31. März 1950 wegfallen muß und entweder ein späterer Termin gesetzt werden oder „bis auf weiteres" eingefügt werden muß. Der Herr Kollege Dr. Kopf hat bereits darauf hingewiesen, welchen Schwierigkeiten sich oftmals Deutsche gegenübergesehen haben. Gerade deswegen möchten wir diesen Termin nicht gestellt wissen, weil immer noch Deutsche der Gefahr unterliegen, vor Kriegsgerichte der Alliierten gestellt zu werden. Was von diesen Kriegsgerichten zu halten ist, braucht, glaube ich, nach dem, was man uns da als Anschauungsunterricht geboten hat, nicht näher ausgeführt zu werden.
Noch heute ist damit zu rechnen, daß Deutsche ausgeliefert werden, während auf der anderen Seite in Deutschland befindliche Verbrecher, die, sagen wir mal, Angehörige früherer Verbündeter der Westalliierten sind, obwohl neues, unerhört großes Belastungsmaterial vorliegt, nicht vor Gericht gestellt werden. Wir verfügen über eidesstattliche Aussagen einer großen Anzahl von Leuten, die selbst erlebt und gesehen haben, welche Verbrechen sich beispielsweise der tschechische Mörder von St. Joachimsthal, Kroupa, hat zuschulden kommen lassen. Wir haben an die Militärregierung
geschrieben und den Herrn Bundeskanzler gebeten, in dieser Richtung Vorstöße zu machen.
In der Ausgabe vom 2. 12. der „Bonner Rundschau" finde ich eine Notiz, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlesen darf und in der es heißt:
Gegen den tschechischen Emigranten Franz Kroupa darf von deutscher Seite kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Kroupa soll nach der Kapitulation Sudetendeutsche mißhandelt und getötet haben.
Ich muß die Zeitung hier richtigstellen: er hat tatsächlich Sudetendeutsche mißhandelt und getötet! Es heißt dann weiter:
Die amerikanische Landeskommission für Bayern lehnte einen entsprechenden Antrag des bayerischen Justizministeriums ab.
Sie ist der Ansicht, daß die deutsche Gerichtsbarkeit für Kroupa nicht zuständig sei. Auch
alliierte Gerichte könnten in diesem Falle
nichts unternehmen,
weil nach angloamerikanischem Recht ein Verfahren nur am Tatort möglich sei, um der Verteidigung und der Anklage entsprechende Möglichkeiten zur Zeugenvernehmung zu geben.
Beide haben aber die Möglichkeit, genügend Zeugen in Deutschland zu vernehmen. Im übrigen sei der Fall Kroupa bereits früher Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens gewesen, von dem — nebenbei bemerkt — kein Mensch etwas weiß. Die festgestellten Tatbestände hätten nicht dazu ausgereicht, um gegen ihn Anklage zu erheben.
Ich sagte schon einmal, daß wir unerhörtes Belastungsmaterial gegen Kroupa haben. Wir haben bereits zwei Versuche bei der Militärregierung über den Herrn Bundeskanzler unternommen, um diesen Mann der gerechten Strafe zuzuführen. Aber es ist bezeichnend, daß er hier ganz offensichtlich den Schutz der Alliierten genießt.
Das auf der einen Seite! Und auf der anderen Seite die Behandlung von Deutschen durch alliierte Militärgerichte. Wir können uns deshalb dem Wunsche des Herrn Abgeordneten Dr. Kopf an den Herrn Kanzler nur anschließen, daß alles getan werden soll, um einmal eine Amnestierung auch der von den Kriegsgerichten gefällten Urteile herbeizuführen und zum anderen dafür zu sorgen, diejenigen nach Deutschland zurückzubringen und ihnen endlich die Freiheit zu geben, die — ich wies neulich schon darauf hin — heute noch in einem Schwebezustand gelassen werden und die immer damit rechnen müssen, weil sie noch als Kriegsgefangene zurückgehalten werden, wegen angeblicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit — wohingegen die andere Seite natürlich keine begangen hat! — vor Gericht zitiert zu werden.
Wir vermissen, daß unser Antrag Drucksache 192 in dem Gesetzentwurf entsprechend berücksichtigt worden ist. Wir haben ganz bewußt auf die Spruchkammerentscheide hingezielt und stellen mit Bedauern fest, daß nach § 7 Abs. 3 „Straffreiheit nicht gewährt wird für Vergehen und Verbrechen" — wobei man das Wort Verbrechen wohl besser in Anführungsstriche setzen sollte —, „zu deren Aburteilung die Spruchgerichte gemäß der Verordordnung Nr. 69 der Militärregierung der britischen Besatzungszone zuständig sind".
Hierzu ist zu erklären: Nach Artikel 43 der Haager Landkriegsordnung, die ja auch die Engländer unterschrieben haben und der sie auch verpflichtet sind, hat der Okkupant, nachdem tatsächlich die Macht in dem besetzten Lande in seine Hand übergegangen ist, die Aufgabe, für die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Lebens zu sorgen, wobei die Landesgesetze zu beachten sind. Der Okkupant hat kein Recht, in die inneren Angelegenheiten des besetzten Landes einzugreifen. Demzufolge ist diese Anordnung der britischen Militärregierung völkerrechtswidrig, und diejenigen, die an ihrer Durchführung mitgeholfen haben, haben sich eigentlich eines Völkerrechtsbruchs schuldig gemacht, wobei ich zugeben will, daß sich hier und da auch einmal vernünftige Leute in diese Institution hinein verirrt haben. Wir stellen aber hier den Antrag, daß über unsern Antrag auf Drucksache 192 unbedingt abgestimmt wird.
Hier ist weiterhin die Frage der Zuständigkeit des Bundes und der Länder erwähnt worden. Wir
stehen auf dem Standpunkt daß unbedingt der
Bund zuständig sein muß. Denn wenn man diese Frage den Ländern überließe, dann gäbe es in Deutschland wieder ein derart unterschiedliches Bild, wie wir es uns meiner Überzeugung nach nicht leisten können. Es bedeutete wirklich keine Beeinträchtigung der Länderrechte, wenn man den Ländern hier einmal zeigte, nachdem sie es offensichtlich bisher nicht gekonnt haben, wie man es besser machen kann. Wir haben ja daraufhin von der Bayernpartei bereits die Zusicherung bekommen, daß die verpaßten Gelegenheiten der Vergangenheit wieder wettgemacht werden sollen.
Ich möchte deshalb hier eines hervorgehoben haben: Wir vermissen — ich sagte es schon — in diesem ganzen Gesetzentwurf, daß auch die Frage der Entnazifizierung endlich einmal aufgerollt wird. Im großen und ganzen hat sich auf diesem Gebiet zunächst einmal ein Schlag von Menschen ausgetobt, der wirklich nicht — nicht immer wenigstens — politische Ehrenhaftigkeit nachgesagt bekommen kann. Später wurde ihnen der Boden unter den Füßen zu heiß, und aus der ganzen Geschichte ist eine einzige Gschaftlhuberei geworden.