Rede von
Fritz
Erler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat Ihnen den Antrag vorgelegt, einen Ausschuß mit den in der Drucksache bezeichneten Aufgaben zu beauftragen. Es ist kein Zufall, daß dieser Antrag in diesem Zeitpunkt eingebracht worden ist, in dem auch aus anderen Parteien ähnliche Gesichtspunkte bei der Vergebung öffentlicher Aufträge geltend gemacht wurden. "Sie haben sowohl bei der Bayernpartei als auch auf anderen Seiten des Hauses in verschiedenen Ausschüssen bemerken können, daß man sich verschiedentlich Gedanken darüber gemacht hat, ob wirklich heute all die Bestimmungen, die über das Vergebungswesen für öffentliche Aufträge bestehen, noch in dem gebotenen Umfang angewendet werden. Wir haben ganz besonderen Anlaß, darauf hinzuweisen, daß es nicht nur notwendig ist, etwa nach regionalen Gesichtspunkten auf eine ordnungsmäßige Verteilung öffentlicher Auf-
träge zu achten, wie das besonders von der Bayernpartei in den Ausschußberatungen vertreten wurde, sondern wir wünschen auch, daß man darüber hinaus wieder zu jenen Grundsätzen öffentlicher Ausschreibungen, zu den gesunden Grundsätzen eines wirklich unparteiischen und der öffentlichen Kontrolle unterliegenden Auftragwesens zurückkehrt, das einst der Stolz der deutschen Verwaltung gewesen ist. Ich weiß, daß zu einem großen Teil in den vergangenen Jahren sehr stark improvisiert worden ist.
Um nun mit einem kühnen Sprung, unter Weglassung vieler anderer Bemerkungen, die hier eigentlich am Platze wären, zum Gegenstand unseres Antrags zu kommen, kann ich feststellen, daß- wir ganz besonders den Eindruck haben, daß gerade bei dem größten zusammenhängenden Bauprojekt, das in der letzten Zeit der Bund begonnen hat, nämlich bei dem Ausbau Bonns zur Bundeshauptstadt, in vielen Dingen möglicherweise gesündigt worden ist. Wir haben bisher keine öffentlichen Ausschreibungen gesehen, und wir haben uns auch aus dem schönen Bild im Vorraum unseres Hauses keinen klaren Eindruck davon verschaffen können, wie und nach welchen Richtlinien nun eigentlich die Aufträge gesteuert worden sind.
Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion beschäftigt sich nicht ausschließlich etwa mit Kunstgegenständen; obwohl auch diese dazu gehören, weil ja im Mittelpunkt des ganzen Bauvorhabens Bonn schließlich der Bundestag steht. Die Augen der Öffentlichkeit sind sehr stark auf das gerichtet, was wir tun. Man mag nun sagen, daß dieser Antrag vielleicht die Entschlußfähigkeit der Exekutive unnötig beeinträchtigt. Ich glaube, das ist nicht der Fall. Was wir mit diesem Ausschuß wollen, ist ja nicht, Aufträge zu vergeben, sondern die Regierung dazu anzuleiten und ihr dabei behilflich zu sein, das Auftragsvergebungsverfahren wieder auf ordentliche Grundlagen zu stellen. Das ist der eigentliche Sinn des Antrages.
Es wird notwendig sein, sich einmal darüber Gedanken zu machen, wie bei diesem Großbauvorhaben in geeigneter Weise auch die Handwerker herangezogen werden, ohne daß einige Großbauunternehmer im wesentlichen den Rahm abschöpfen. Von seiten des Handwerks sind darüber ziemliche Klagen laut geworden. Es gibt eine Reihe von Beispielen in unserem eigenen Hause, die uns beweisen, daß es doch wohl auch für den Bundestag an der Zeit wäre, sich im Interesse seines eigenen Ansehens einmal darum zu kümmern, was hier um dieses Haus herum geschieht.
Sie haben in einer erfreulicherweise wesentlich stärker besuchten Sitzung als der heutigen seinerzeit einmal einen tiefgreifenden Beschluß gefaßt, den Bundessitz in Bonn bestehen zu lassen und nicht woandershin zu verlegen. Mit diesem Beschluß, meine Herren, hat der Bundestag eine große Verantwortung auf sich genommen.
Er hat nämlich die Verantwortung für die Verausgabung von weit über 100 Millionen Mark an öffentlichen Mitteln an einem bestimmten Punkt, nämlich im Raum Bonn, übernommen. Sie wissen ja alle, was allein für Bauvorhaben aufgewendet werden mußte, nur um diese Stadt von Besatzungstruppen frei zu machen. Sie wissen alle, was wir für die Hohen Kommissare in relativ wenigen Wochen haben aufwenden müssen; das waren leider Beträge von zusammen über 75 Millionen Mark. Dazu kommt nun all das, was jetzt für die Einrichtung der Ministerien usw. erforderlich ist.
In normalen Zeiten — das will ich zugeben — brauchen wir keinen solchen Ausschuß; da berät nämlich der Haushaltsausschuß des Bundestags diese Dinge auf Heller und Pfennig, bevor die Beträge ausgegeben werden. Da das jetzt nicht möglich ist, da wir hier Gelder ausgegeben haben und weiter ausgeben müssen, ohne daß uns ein zahlenmäßiger Haushaltsplan darüber vorgelegt werden konnte, ist es notwendig, daß wir uns durch einen solchen Ausschuß rechtzeitig über die Grundsätze der Vergebung der Arbeiten Rechenschaft ablegen lassen.
Das ist das Ziel, welches wir mit unserem Antrag
verfolgen. Es kommt darauf an, daß wir, wenn
wir nun schon als Körperschaft durch den seinerzeitigen Beschluß die Verantwortung für diesen
sehr erklecklichen Posten unseres künftigen Haushalts übernommen haben, dann auch uns selber
vor unserem eigenen Gewissen die Gewißheit verschaffen, daß bei den dadurch notwendig gewordenen Ausgaben so sparsam, so zwéckmäßig und so richtig wie möglich verfahren wird.
Ich wiederhole noch einmal: Wir wollen nicht Aufträge vergeben, sondern uns bemühen, in diesem Ausschuß erstens Klarheit zu gewinnen, nach welchen Grundsätzen bisher verfahren wurde, und zweitens behilflich zu sein, daß für die Vergebung all der Millionen, die wir künftig in dies Projekt noch werden hineinstecken müssen, saubere Grundsätze entwickelt werden. Ich glaube, Sie alle, die Sie noch hier sind, nehmen es ernst mit Ihrer parlamentarischen Arbeit; sonst wären Sie nicht mehr hier. Sie nehmen es also auch ernst mit der Verantwortung, die Ihnen auferlegt ist. Wenn Sie es wirklich ernst damit meinen, dann müssen Sie diesem unserm Antrag zustimmen.