Rede von
Dr.
Linus
Kather
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir mit Rücksicht auf die Zeit, die wir ohnehin schon mit dieser Sache verloren haben, daß ich mich ganz kurz fasse. Es handelt sich um zwei Anträge, um einen des Zentrums, Drucksache Nr. 20, und um einen der CDU/ CSU, Drucksache Nr. 29. Beide Anträge haben denselben Inhalt. Sie verlangen die Gleichstellung der ostverdrängten Pensionäre und die Auszahlung des Wartegeldes an die Beamten, die nicht ruhegehaltsberechtigt sind und die noch keine Beschäftigung gefunden haben.
Die Anträge sind in der Sitzung des Plenums vom 30. September an den Beamtenrechtsausschuß, an den Finanzausschuß und an den federführenden Ausschuß für Heimatvertriebene überwiesen worden. Der Beamtenausschuß hat grundsätzlich zugestimmt. Der Finanzausschuß hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß diese Sache nicht im Verordnungswege, sondern durch Gesetz zu regeln sei. Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt und mit großer Mehrheit den Beschluß gefaßt, der Ihnen in der Drucksache Nr. 210 vorliegt. Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, entsprechend den Anträgen Nr. 20 und 29 Ziffer 3 und 5 durch eine Rechtsverordnung gemäß Artikel 119 des Grundgesetzes, vorbehaltlich einer endgültigen gesetzlichen Regelung gemäß Artikel 131 des Grundgesetzes, die Gleichstellung der ruhegehaltsberechtigten heimatvertriebenen Beamten, Angestellten und Lohnempfänger mit den einheimischen Versorgungsberechtigten mit sofortiger Wirkung herbeizuführen und die Auszahlung der gesetzlichen Wartegelder an die nichtbeschäftigten und nichtruhegehaltsberechtigten Heimatvertriebenen Beamten anzuordnen.
Die Mehrkosten sind vom Bund zu über- nehmen.
Der Ausschuß hat sich also nicht der Ansicht des Finanzausschusses angeschlossen.
Meine Damen und Herren! Im Artikel 131 des Grundgesetzes ist bestimmt, daß die Angelegenheiten derjenigen Beamten, die nach dem 8. Mai 1945 nicht zum Zuge gekommen sind, einschließlich der Flüchtlinge, durch Bundesgesetz geregelt werden. Im Artikel 119 heißt es, daß in Angelegenheiten der Flüchtlinge die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats eine Verordnung bis zur bundesgesetzlichen Regelung erlassen kann. Der Artikel 119 sieht also gerade vor, daß die betreffende Materie einmal bundesgesetzlich geregelt
wird. Deshalb kann man doch nicht sagen, daß X da irgendein Widerspruch mit dem Artikel 119 besteht, wenn im Artikel 131 eine bundesgesetzliche Regelung vorgeschrieben ist. Das ist allgemein in unserem Ausschuß anerkannt worden, und keine andere Auffassung kann mit den Gesetzen der Logik in Einklang gebracht werden. Die Fassung des Beschlusses trägt diesen Bedenken auch noch besonders Rechnung, indem es „bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung" heißt.
Der Ausschuß war der Ansicht, daß eine Verordnung angebracht und notwendig ist. Es handelt sich um ein Problem, das die deutsche Öffentlichkeit seit Jahren beschäftigt. Immer dringender werden die Hilferufe, die uns täglich dieserhalb erreichen. Bei der Regierungsdebatte habe ich schon darauf hingewiesen, daß der Zonenbeirat bereits im Januar 1948 mit Zustimmung aller Parteien die Beseitigung dieses Unrechts gefordert hat. Auch auf der bizonalen Ebene ist diese Frage immer wieder behandelt worden. Herr Oberdirektor Pünder hat am 12. November 1948 erklärt, daß sie demnächst entschieden werden würde. Es lag damals bereits der dritte Referentenentwurf vor. Deshalb war der Ausschuß der Meinung, daß die Sache nicht weiter hinausgeschoben werden könnte.
Ich kann besonders gegenüber den Herren, die Bedenken haben, darauf hinweisen, daß auch der Sprecher des Bundesflüchtlingsministeriums und damit der Bundesregierung keinerlei Bedenken gegen unseren Beschluß hatte, sondern sich mit Nachdruck auf den Boden unseres Beschlusses gestellt hat. Er hat insbesondere hervorgehoben, daß bei allen unmittelbaren und mittelbaren Reichsbeamten ein Rechtsanspruch besteht, der sich gegen den Bund als Rechtsnachfolger des Deut- p schen Reichs richtet.
Meine Damen und Herren! Eine beschleunigte Behandlung dieser Angelegenheit war auch deshalb unbedingt erforderlich, weil wir einen unerträglichen Wirrwarr auf diesem Gebiet haben. Die Beamten des Bundesgebiets, der Post und der Reichsbahn und sämtliche Pensionäre in Nordrhein-Westfalen bekommen die volle Pension. Es ist untragbar, daß es rein von Zufälligkeiten abhängig ist, ob ein ostverdrängter Beamter die Pension oder das Wartegeld bekommt oder nicht. Dem muß ein schleuniges Ende bereitet werden.
Wenn hier vielleicht eingewendet wird, daß eine bevorzugte Behandlung der Heimatvertriebenen Platz greifen soll, soll man sich auch mal überlegen: Zu wessen Gunsten wird diese Maßnahme getroffen? Zugunsten von Leuten, die außer ihrem letzten Stuhl auch ihren letzten Sparpfennig und die Heimat verloren haben.
Da scheint es doch wohl einmal angebracht, jetzt nach 41/2 Jahren zu irgendeinem Ergebnis zu kommen.
Hinsichtlich des Personenkreises haben wir uns darauf beschränkt, diese Rechte zu fordern für die heimatverdrängten Beamten und Ruhestandsbeamten, wobei wir selbstverständlich einen Unterschied zwischen Ost- und Westflüchtlingen nicht gemacht haben. Der Ausschuß war aber einmütig der Auffassung, daß auch die Beamten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, soweit es sich nicht um Gebietskörperschaften handelt, mit einbezogen werden müßten. Der Ausschuß war auch der Meinung, daß die Beamten, die aus den Gebieten kommen, welche vor 1938 nicht zum Deut-
sehen Reich gehört haben und bei denen es zweifelhaft ist, ob ein Rechtsanspruch auf die eine oder andere Weise begründet werden kann, nicht ausgenommen werden sollen aus Gründen sozialer Gerechtigkeit sowohl als auch unter dem Gesichtswinkel der Eingliederung in das Volksganze.
Eine Lösung der finanziellen Frage vorzunehmen, war nicht Aufgabe des Ausschusses. Wir beschließen ja, wie ich schon einmal sagte, kein Gesetz und auch keine Verordnung; wir beschließen also auch keine Ausgabe. Wer also von uns fordert, daß wir bis auf den letzten Pfennig aufzeigen, woher das Geld kommt, der verkennt den Inhalt unseres Antrags und verkennt auch die Aufgabe des Ausschusses.
Im übrigen sind wir der Meinung, daß diese Regelung bei den anderen Beamten genau so und auf demselben Wege möglich sein sollte und müßte, wie sie es bei den Beamten der Bahn und der Post und in Nordrhein-Westfalen gewesen ist.
Von der Regierung erwarten wir, daß sie getreu ihrem Versprechen in der Regierungserklärung nunmehr beschleunigt die erforderlichen Maßnahmen ergreift, und der Ausschuß würde es dankbar begrüßen, wenn, wie es in anderen Fällen auch geschehen ist, die Regierung ihm ihre Vorlage zur gutachtlichen Äußerung zuleiten würde. Das Hohe Haus bitte ich, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.