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    Deutscher Bundestag — 20. und 21. Sitzung. Bonn, Freitag,-den 2. Dezember 1949 623 20. und 21. Sitzung Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1949. 20. Sitzung Fortsetzung der Aussprache über die Anträge der Fraktion der SPD betr. Gleichberechtigung der Frauen (Drucksache Nr. 176), der Abg. Renner und Gen. betr. rechtliche Gleichstellung der Frauen (Drucksache Nr. 206) und der Fraktion der SPD betr. Frauen im öffentlichen Dienst bei, der Bundesverwaltung (Drucksache Nr. 177) 624A Frau Dr. Weber (CDU) 624A Dr. Dr. Lehr (CDU) 625B Frau Dr. Ilk (FDP) 626C Frau Kalinke (DP) . . . . . 627B Frau Arnold (Z) 628C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 629B Nuding (KPD) . . . 629C Dr. Wellhausen (FDP) 630D Frau Nadig (SPD) (zur Geschäftsordnung) . . . . ..... . 631C Antrag der Fraktion der BP betr. Streichung der Absätze 2 und. 3 des § 103 der vorläufigen Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 184) ....... 631D Geschäftsordnungsaussprache über die Feststellung der Beschlußunfähigkeit in der 19. Sitzung bzw. über die Frage der Fortsetzung der Beratung betr. Wartegeld und Pensionen der ostvertriebenen Beamten . 631D Dr. Bertram (Z) . . . . 631D, 633B Dr. Reismann (Z) 632A, 633D Löbe (SPD) 632B Euler (FDP) 633D Krause (Z) . . . . 634A Dr. Kather (CDU) . . . . . .. 634B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion des Zentrums und über den An- . trag der Fraktion der CDU/CSU betr. Wartegeld rund Pensionen der ostvertriebenen Beamten (Drucksachen Nr. 210, 20 und 29 Ziffern 3 und 5) 635A Dr. Kather (CDU), Berichterstatter 635A, 642A Dr. von Merkatz (DP) . . '636B, 641D Renner (KPD) 636C, 642B Matzner (SPD) . . 637C Dr. Besold (BP) . . 638B Loritz (WAV) . . . . . . 639A Frommhold (NR) . . . . . . . 640A Ehren (CDU) ..... . . . 640C Dr. Bertram (Z) . . . . . 641A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 641B Krause (Z) 642A Kahn (CSU) (zur Geschäfts- ordnung) 643C Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 644A 2 1 . Sitzung Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion des Zentrums und über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr.. Wartegeld und Pensionen der ostvertriebenen Beamten (Drucksachen Nr.. 210, 20 und 29 Ziffern 3 und 5) . . . 644B Strauss (CSU) (zur Geschäfts- ordnung 644B Dr. Falkner (BP) (zur Geschäfts- ordnung) 644B Antrag der Fraktion der BP betr: Streichung der Absätze 2 und 3 der vorläufigen Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 184) - 644C Antrag der Fraktion der SPD betr. Einsetzung eines Ausschusses für den Erwerb von Ausstattungs- und Kunstgegenständen im Raume der vorläufigen Bundeshauptstadt (Drucksache Nr. 199) . . . . . . 644D Erler (SPD), Antragsteller . . . . 644D Dr. Baurngartner (BP) (zur Geschäftsordnung) ..... . . 645D, 646D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz .. . . . . . . . 646A Schäffer, Bundesminister der Finanzen ..... . . . . . 646A Dr. Reismann (Z) (zur Geschäfts- ordnung) 646B Dr. Arndt (SPD) (zur Geschäfts- ordnung) . . . ...... . 646B Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung . . 647C 2 0. Sitzung Die Sitzung wird um 17 Uhr 36 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet..
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    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Es ist nicht angenehm, vor einem schon fast müden und leeren Hause über die Gleichberechtigung der Frau zu sprechen.

    (Unruhe und Widerspruch.)

    Aber eigentlich sollte es Ihnen ganz angenehm sein, zwischen all den wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen einmal etwas über eine Frage zu hören, die ihre menschliche und auch ihre geistige Seite hat.
    Die Gleichberechtigung der Frau ist ein altes Problem. Schon in der Weimarer Verfassung ist die grundsätzliche staatsbürgerliche Gleichheit, die Gleichberechtigung als Grundlage der Ehe ausgesprochen worden. Zu gleicher Zeit ist schon in der Weimarer Verfassung verlangt worden, daß alle Ungerechtigkeiten in der Berufsstellung der Frau beseitigt werden. Aber die Weimarer Verfassung, ist rein deklamatorisch gewesen; was dort gesagt worden ist, ist nur in ganz geringem Umfange durchgeführt worden.
    Der Parlamentarische Rat, das Grundgesetz, hat die Gleichberechtigung der Frau zum Grundrecht erhoben. Die Gleichberechtigung der Frau ist jetzt so ausgesprochen worden, daß Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung verpflichtet sind, diesen Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu erfüllen.
    Es ist für uns Frauen sehr angenehm, daß der Herr Bundeskanzler erscheint und nun auch hört, was für Wünsche wir Frauen haben.

    (Heiterkeit und Zustimmung.)

    Die Gleichberechtigung der Frau ist jetzt schon also grundsätzlich gewährleistet, aber — und ich sage das in Gegenwart des Herrn Bundeskanzlers sehr gern — es kommt jetzt darauf an, daß sie auch wirklich durchgeführt wird.

    (Abg. Dr. Schröder: Sehr richtig!)

    Wir stehen nicht mehr in der ersten Periode des Kampfes um ein Recht, wir stehen nicht mehr am Anfang der Formulierungen. Wir stehen vielmehr jetzt in einer zweiten Periode, und das ist die,
    die die Erfüllung verlangt. Wir leben in einer Zeit, In der die Frauen zu. denjenigen Gruppen gehören, deren Leben am allermeisten, verändert worden ist. Die Frauen haben nicht nur in der Ehe
    und in der Familie Lasten zu tragen, wie sie sie niemals gehabt 'haben, sie haben auch im Berufs-und Arbeitsleben eine so -große Aufgabe zu tun und in steigendem Maße zu erfüllen, daß Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung dem auch Rechnung tragen müssen. Ich will nicht lange Ausführungen darüber machen, wie das Bild der Zeit heute aussieht. Jeder, der die Augen öffnet, könnte es wissen, und jeder, der die Quartiere der Not kennt, in denen die Familien heute leben, und die Arbeitsbedingungen für viele Frauen kennt, der weiß, daß Änderungen kommen müssen.
    Mein Kollege Dr. Lehr wird über die Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches sprechen. Ich werde über andere Probleme sprechen. Aber ein Wort über den Sinn der Gleichberechtigung muß ich vorausschicken. Gleichberechtigung ist nicht Gleichschaltung und Gleichsetzung. Gleichberechtigung berücksichtigt die Verschiedenartigkeit von Männern und Frauen, berücksichtigt den Eigenwert und die Persönlichkeitswürde und den Wert beider Geschlechter. Wenn wir das Arbeitsleben heute 'beobachten und bedenken, wie niedrig die Löhne der Frauen in einer Reihe von Industrien sind, welcher Unterschied zwischen Frauen- und Männerlöhnen besteht, dann müssen wir bei aller Würdigungeer Berufstüchtigkeit und Berufsbewährung, bei aller Anerkennung eines Familienlohnes für den Mann und auch für die Frau erklären, daß es eine Ungerechtigkeit ist, Mann und Frau bei gleicher Leistung verschieden zu entlohnen. Wir verlangen und erwarten gleichen Lohn für gleiche Leistung.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wohl aber fügen wir hinzu: eine solche Gleichberechtigung verlangt trotzdem einen besonderen Schutz der Frau. Wir erwarten den Kündigungsschutz der älteren Angestellten, wir erwarten auch den Schutz der Mutter. Wir werden im Sozialpolitischen Ausschuß und auch im Plenum unsere Stellungnahme zum Mutterschutzgesetz aussprechen. Wir verlangen für alle Angestellten und auch für die im Beamtenverhältnis stehenden Frauen, daß sie so gewürdigt werden, wie es ihrer Arbeit und ihrer Leistung entspricht. Gestern nannte man schon die Postverwaltung. Das ist diejenige Verwaltung, die die meisten Beamtinnen hat. Aber ich habe den Eindruck, daß man bei der Ernennung von Beamten den Beamtinnen in dieser Verwaltung nicht gerecht wird. Und wer weiß, in welcher Arbeit sie stehen und daß eine Postverwaltung ohne diese wertvolle Arbeit nicht möglich wäre, der wird sich dafür einsetzen, daß die Frau beamtenrechtlich genau so gut berücksichtigt wird wie der Mann.
    Ich nenne eine andere Gruppe, die auch heute in unserem Vaterland, weiß Gott, sehr vieles leistet; das ist die Gruppe der Fürsorgerinnen. Wie wäre der Aufbau Deutschlands in den Familien und in allen anderen Arbeiten zu leisten, wenn nicht die Fürsorgerin geachtet würde und eine angemessene Stellung innerhalb der Verwaltung der öffentlichen Fürsorge hätte und wenn man ihr nicht auch in angemessener Weise zum Beamtenrecht verhelfen würde? Ich möchte mich gerade für die schwerarbeitende und mit vielen Sorgen belastete Fürsorgerin einsetzen.
    Die Frau muß im ganzen öffentlichen Leben, in allen Verwaltungskörpern angemessen mitarbeiten. Wir haben im Dritten Reich erlebt, was der Männerstaat ist.

    (Heiterkeit.)


    Deutscher Bundestag — 20. und 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1949 625

    (Frau Dr. Weber)

    Der reine Männerstaat ist das Verderben der Völker!

    (Große Heiterkeit.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es würde auch heute manches besser sein, wenn die Frau in den Verwaltungen mitarbeiten würde. Ich bin sogar der Meinung, daß sie in der Lage ist, Krisen zu verhindern und zu mildern, die sich immer wieder im öffentlichen Leben ereignen.

    (Zuruf links: Haben wir schon erlebt!)

    Wir sollten nur wissen, daß diese Polarität von
    Mann und Frau, diese fruchtbare Ergänzung, dieses
    gute Zusammenarbeiten wertvoll für alle Verwaltungen ist. Deshalb ist ja auch der Antrag gestellt
    worden, dem wir beipflichten, daß die Frau in
    allen Verwaltungen mitarbeiten soll. Und ich sage
    den Männern, die so eifrig über solche Ausführungen lachen, daß diese Dinge nicht zum Lachen
    sind, sondern uns ernsthaft beschäftigen sollten.
    Wir möchten den Herrn Bundeskanzler um Zustimmung bitten. Ich glaube aber, wir brauchen ihn eigentlich gar nicht besonders zu bitten, denn er ist davon überzeugt, daß Frauen in allen Bundesministerien als Referentinnen und auch in leitenden Stellen ihre Arbeit tun müssen, um die Männerarbeit reicher und fruchtbarer zu gestalten.
    Das gilt nicht nur von der Fürsorge, das gilt auch für das Bundesjustizministerium, für die Wirtschaft, die Ernährung, für das Flüchtlingsministerium und auch für das Ministerium von Herrn Minister Kaiser. Das gilt eigentlich für alle Ministerien, und darüber hinaus bin ich der Meinung, daß, wenn wir jetzt Konsulate errichten, Frauen auch in Konsulaten mitarbeiten könnten und daß sie vielleicht gerade durch diese Arbeit in der Lage sind, Verbindungen zu schaffen. Ich denke zum Beispiel an das Auswanderungswesen und an völkerversöhnendes Wirken.
    Es ist ferner sehr wichtig für uns, festzustellen — der Herr Bundeskanzler hatte uns ein besonderes Frauen-Referat im Ministerium des Innern versprochen —, daß die tüchtigen Frauen, die fachlich geeignet sind und hervorragende menschliche Eigenschaften besitzen, die im Wetteifer mit dem Mann Gutes leisten, in den Ministerien an den verschiedensten Stellen mitarbeiten sollen. Dies ist uns wertvoller als ein einzelnes Frauenreferat im Bundesministerium des Innern.
    Ich will die Debatte nicht mehr belasten. Ich habe ausgesprochen, was die Gleichberechtigung für die Arbeit und das Sozialleben bedeutet und was wir im öffentlichen Leben für die Frau erwarten. Lassen Sie mich noch einen Satz aussprechen, der für das Wohl des ganzen deutschen Volkes eintreten soll. Wir hoffen, daß die Frau, die im öffentlichen Leben steht, die an ihrem Arbeitsplatz geachtet und gewürdigt und im sozialen Leben berücksichtigt wird, dazu beiträgt, daß das Wohl und der Friede unserer neuen Bundesrepublik besser gesichert sind, als wenn sie nicht an dieser Stelle stände.

    (Allseitiger Beifall.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lehr.

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    Rede von Dr. Robert Lehr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Es ist mir ein besonderer Vorzug, der verehrten Kollegin Dr. Weber selbst da in allen Teilen zustimmen zu können, wo sie ihre Zweifel an der Bonität des Männerstaates geäußert hat. Ich kann
    ihr aber umgekehrt bescheinigen, daß nicht nur die Männer kriegerische Eigenschaften haben, sondern daß es auch beim weiblichen Geschlecht temperamentvolle und angriffsfreudige Vertreterinnen gibt.

    (Heiterkeit.)

    Ich möchte in dem Artikel 3 unseres Grundgesetzes die Grundlage der heutigen Anträge sehen und möchte auf die damaligen Verhandlungen im Parlamentarischen Rat, an denen sich ja auch' die Kollegin Dr. Weber wesentlich beteiligt hat, Gin paar kurze • Streiflichter setzen. Wir haben damals einstimmig den zweiten Absatz formuliert, nach dem Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Im dritten Absatz haben wir noch einmal ausdrücklich hinzugefügt, daß niemand seines Geschlechtes wegen irgendwie bevorzugt oder benachteiligt werden dürfte. Ursprünglich hieß es in den ersten beiden Lesungen, daß Männer und Frauen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten haben sollten, und in einem Absatz i war erläuternd gesagt: Das Gesetz muß Gleiches gleich behandeln, und es kann Verschiedenes nach seiner Eigenart behandeln. Aber dann haben wir uns nach einer Debatte, die sich ausschließlich auf die juristische Seite der Materie bezog, dahin geeinigt, daß wir der Frau Gleichberechtigung in jeder Beziehung und nicht nur bei den staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten durch die Verfassung sichern wollten. Insbesondere war es die Kollegin Frau Weber, die bei dieser Formulierung in der Diskussion der ersten und, ich glaube, auch der zweiten Lesung zum Ausdruck brachte, daß in dieser Formulierung, wie ich sie eben vorgetragen habe, in der gegenwärtigen Fassung des Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes alle Rechtsgebiete einbegriffen sind, insbesondere auch das Arbeitsrecht und das Sozialversicherungsrecht. Sie, Frau Kollegin Weber, haben damals betont — und ich möchte Ihre Worte hier zitieren, weil sie auch meiner Auffassung durchaus entsprechen —, es sei bei dieser Formulierung in keiner Weise an eine Gleichstellung und eine Gleichberechtigung schematischer Art gedacht, sondern die Eigenart und die Würde der Frau sollten auf alle Fälle gesichert sein. Die Vertreterin der SPD, Frau Selbert, hat damals im gleichen Sinne ausgeführt, daß die Gleichberechtigung auf der Gleichwertigkeit der Geschlechter aufbauen soll, aber ebenso die Eigenartigkeit und die Besonderheit der Geschlechter berücksichtigt werden soll.
    Wir waren uns durchaus klar, daß diese Formulierung weitgehende Eingriffe in das öffentliche und in das zivile Recht zur Folge haben sollte, und deshalb haben wir namentlich in dem bekannten Fünfer-Ausschuß, in dem wir noch einmal alles überfeilten, was vorher in der Diskussion gewesen war, formuliert, daß das entgegenstehende Recht bis zu seiner Anpassung an diese neuen Formulierungen unseres Grundgesetzes in Kraft bleiben sollte, und zwar mit einer Befristung bis spätestens zum 31. März 1953.
    Damit ist der Bundesregierung, aber auch diesem Hohen Hause eine Aufgabe rechtsschöpferischer Art allergrößten Ausmaßes gestellt. Es wird sich darum handeln, sowohl den Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs wie auch das Recht der Schuldverhältnisse auf die neuen Bestimmungen hin zu überprüfen, im besonderen aber den Abschnitt über das Familienrecht und hier vor allem den ersten Abschnitt über die bürgerliche Ehe. Dieser Abschnitt verwirklicht ja den fundamen-


    (Dr. Dr. Lehr)

    talen Charakter einer Rechtsanschauung, die um die Jahrhundertwende bei uns gegolten hat, wonach dem Mann in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten die Entscheidung zusteht, es sei denn, daß diese Anwendung seines Rechtes sich als ein Mißbrauch herausstellt. Diese Vorschrift wird man sehr wesentlich neu formulieren müssen. Im übrigen nehme ich nur in großen Zügen Bezug auf die Notwendigkeit der Neugestaltung des ehelichen Güterrechts, des Verwandschaftsrechts, des Vormundschaftsrechts, des Pflegschaftsrechts und auch der gesamten Materie des Erbrechts. Ich möchte mich, auf Einzelheiten hier nicht weiter einlassen, sondern nur den Rahmen der Untersuchung en aufzeigen, die durch die Änderung unseres Verfassungsrechts notwendig geworden sind.
    Die Zeit um 1900 unterscheidet sich merklich von der heutigen. Zwei große Weltkriege haben die Frauen in großem Umfange an die Stelle der abwesenden Männer treten lassen und ihnen die Last der ganzen Familienführung und der Erziehung der Kinder auferlegt, ja sie stellenweise aber auch in das Berufsleben mitten hineingeführt, und endlich haben die erheblichen Blutverluste beider Kriege und die ganze Umschichtung unseres wirtschaftlichen und sozialen Lebens der Frau eine ganz andere Stellung gegeben. Es ist ein Ruhmesblatt unserer Frauenwelt, wie sie sich diesen ungeheuren Anforderungen gegenüber verhalten hat, und es ist jetzt Sache der Männer, im Einvernehmen mit den Frauen ihnen in der Neuordnung der Beziehungen bürgerlicher und öffentlich-rechtlicher Art den Dank abzustatten.
    Ich darf darauf verweisen, daß die scharfen Formulierungen unseres Grundgesetzes in der Öffentlichkeit gewisse Besorgnisse hervorgerufen haben und daß vor kurzem in einer rheinischen Zeitung ein Artikel erschien, in dem es hieß, daß der Staat durch diese neuen Formulierungen unseres Grundgesetzes als Ehebrecher auftreten und die Stellung der Geschlechter in der Grundverfassung nachteilig beeinflussen könne, daß der Staat damit zwangsläufig zum Zerstörer der Ehe und der den Staat tragenden Gemeinschaftszelle werden könne. In diesem Artikel bin ich selber zitiert worden, weil ich an der Aussprache beteiligt war, die damals im Christophorus-Stift in Hemer bei Iserlohn im Beisein von Vertretern öffentlicher Berufe, von Politikern, Bundestags- und Landtagsabgeordneten der großen Parteien und von Vertretern der evangelischen Kirchenleitung stattfand. Von uns hat außer mir Herr Staatssekretär Dr. Strauß vom Justizministerium daran teil- genommen. Von kirchlicher Seite ist damals tatsächlich die Frage aufgeworfen worden, ob die jetzt verlangte rechtliche Gleichstellung der Frau in die augenblicklich gültige Rechtsordnung, vor allem in die gottgewollte Schöpfungsordnung nicht zu sehr eingreife und ob nicht ein Kampf zwischen Staat und Kirche entstehen müsse, weil die Kirche nicht in der Gleichstellung, sondern in der Erfüllung der Ehe als Lebensgemeinschaft die Grundlage der staatlichen Ordnung sehen müsse. Ich glaube — ich habe das auch damals ausgeführt —, daß diese Besorgnisse nicht begründet sind. Gerade aus der Auslegung, die ich vorhin dem Artikel 3 gegeben, und aus den Zitaten von unserer Kollegin Frau Weber, die ich aus der Diskussion angeführt habe, geht hervor, daß der Staat hier keineswegs als Zerstörer der tragenden Gemeinschaftszelle gedacht ist und daß eben gerade keine unbeschränkte Ausdehnung des Gleichheitsgesetzes damals von den Gesetzgebern beabsichtigt worden ist, sondern daß die gegebenen Schranken der Natur zu beachten sind. Kirche und Staat werden sich hier sogar die Hände reichen müssen, um bei der neuen Formulierung der Rechte die Grenzen aufzuzeigen. Wir können es vom Standpunkt der gesetzgeberischen Arbeit nur begrüßen, wenn sich die Kirche mit uns an die Arbeit begibt und versucht, einmal von sich aus Grenzen, die etwa zu beachten sind, zu formulieren.
    Im übrigen hatte ja unsere Gesetzgebungsarbeit den Sinn, schöpferisch neues Recht zu schaffen, damit sich nicht Gesetz und Rechte als eine ewige Krankheit forterben und Vernunft Unsinn und Wohltat Plage wird. Aber sie hatte keineswegs die Absicht, naturgegebene Schranken zu verwischen. Ich glaube im übrigen, aus einer nun vierzigjährigen eigenen Eheerfahrung sagen zu können, daß die Ehe nicht so sehr mit Artikeln der Verfassung und mit Paragraphen des bürgerlichen Rechts erfüllt wird, sondern daß das sicherste Fundament für sie die Ethik des Christentums und die sich daraus ergebende Haltung der Ehegatten sein muß.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)