Rede von
Hermann
Nuding
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die Gleichberechtigung der Frau ist für meine Partei eine Selbstverständlichkeit. Wir haben nun heute die verschiedensten Reden gehört. Ich möchte an das anknüpfen, was die Frau Kollegin Dr. Weber gesagt hat. Die Weimarer Verfassung hatte die Gleichberechtigung der Frau festgelegt. Aber das war nur deklamatorisch. Ist es vielleicht jetzt nicht auch so?
Ich werde versuchen, diese Frage auf Grund Ihrer und der hier vor mir gemachten Ausführungen zu untersuchen. In allen Fragen, die nicht verpflichtend, sondern nur Wünsche sind, gibt es keinen Streit, ich glaube, vom Herrn Bundeskanzler bis herunter zum letzten Mitglied dieses Hauses. Aber daß die Frauen, soweit es nicht gesetzlich festgelegt ist, in alle Positionen aufsteigen sollen, ist bis jetzt nur deklamiert. Schon einer der nachfolgenden Redner, der Herr Kollege Dr. Lehr, hat von bestimmten Schwierigkeiten gesprochen. Schauen Sie, wenn Sie etwas Neues machen wollen, dann müssen Sie den Status der Vergangenheit bis zum heutigen Tag nehmen und sagen: da und da muß geändert werden. Aber Sie deklamieren allgemein.
Es sollte so sein, daß wir uns einig sind. Nun gibt es Schwierigkeiten. Eine dieser entscheidenden Schwierigkeiten — das kostet zweifellos etwas Arbeit, das will ich gar nicht verhehlen — ist die Frage, der Frau im Gesetz die Gleichberechtigung zu geben. Aber diese Schwierigkeiten kann man auch nur überwinden, wenn man nicht von den Buchstaben des alten Gesetzes ausgeht, sondern von der Wirklichkeit, wie sie gegeben ist.
Schauen Sie heute das Problem der vielen Tausende Mütter, die uneheliche Kinder zur Welt bringen. Wie werden sie von dem Gesetz gleichbehandelt? Wie dürfen sie ihre Kinder betreuen? Wer hat das Recht über sie? Das ist ein Notstand, der beseitigt werden muß. Das ist eine ganz konkrete Sache, die man ändern muß, nicht nach dem Maßstab der alten Gesetze, sondern nach den Tatsachen, die heute so hart reden und die heute gegegeben sind. Dann kommt man über das Deklamieren hinaus.
Zweite Tatsache: Sie haben sich in der Mehrzahl gegen unseren Antrag ausgesprochen. Dieser Antrag befaßt sich mit dem Problem, das sehr real
630 Deutscher Bundestag — 20. und 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1949
ist und sehr dringend gelöst werden• muß. Die verehrten Rednerinnen von den Rechtsparteien haben sich die Sache sehr einfach gemacht; sie haben erklärt: das ist Sache der Gewerkschaften. Der Herr Bundesjustizminister hat sich das ebenfalls so einfach gemacht. Ja, warum haben Sie denn nicht an die Herren Unternehmer appelliert, an den andern Sozialpartner, den Sie in diesem Hause vertreten, und gesagt: Bitte schön, ihr Herren Unternehmer, befolgt endlich das Grundgesetz! Denn sie sind es ja, die diese Millionen Frauen, die im Produktionsprozeß stehen und Männeraufgaben erfüllen müssen, beschäftigen, die nämlich zu Hunderttausenden eine Familie von 3, 4 und 5 Kindern ernähren müssen.
Im Grundgesetz steht ihre Gleichberechtigung. Frau Dr. Weber, diesen Frauen können Sie nichts vormachen von Gleichberechtigung. Sie sagen: Wir wollen im Innenministerium Frauen haben. Diese Frauen fragen: Warum werde ich, wenn ich die gleiche Arbeit leiste, von den Herren Unternehmern nach dem Gesetz nicht gleichmäßig behandelt?