Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag Drucksache Nr. 117 will meine Fraktion, der Regierungserklärung folgend, die Regierung ersuchen, ein Gesetz zur Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vorzulegen, ein Gesetz, in dem unter Beachtung der zeitgemäßen Entwicklung das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer verankert ist. Nachdem durch das Betriebsrätegesetz vom Jahre 1920 eine erste Entwicklung der Betriebsdemokratie und
Betriebsverfassung angebahnt war, erlebten wir in dieser Entwicklung im Jahre 1933 eine jähe Unterbrechung. Heute sind die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, soweit sie betriebliche Angelegenheiten berühren, durch das Kontrollratsgesetz Nr. 22 geregelt. Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 ist aber nur ein Rahmengesetz, mit dem nur gearbeitet werden kann, wenn es durch Ausführungsgesetze ausgefüllt ist. Seit Anfang 1947 haben wir in den Ländern der amerikanischen Zone und der ehemals französischen Zone sogenannte Betriebsrätegesetze gehabt, die als Ausführungsbestimmungen zu dem Kontrollratsgesetz gelten konnten. Soweit in diesen Betriebsrätegesetzen das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer geregelt war, sind die Paragraphen dieser Bestimmungen von den damaligen Militärregierungen dieser Länder suspendiert worden. Sie sind suspendiert worden, weil die Militärregierungen auf dem Standpunkt standen, daß es Sache des Bundes sei, der jetzt errichtet worden ist, diese Dinge zu regeln. Auch waren die Rechtsbestimmungen für das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in diesen Gesetzen verschieden festgelegt. Es ist daher
jetzt an der Zeit, durch einheitliche Gesetzesbestimmungen die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einer Weise zu regeln, wie es die augenblicklichen und kommenden Zeitverhältnisse bedingen, und auch das Mitbestimmungsrecht in irgendeiner Weise in einem Gesetz für den gesamtdeutschen Bund zu regeln.
Meine Damen und Herren! Die Arbeitnehmerschaft ist, wenn man ihre Entwicklung seit Beginn der Industrialisierung verfolgt hat, heute mündig geworden. Die Arbeitnehmerschaft hat durch wirtschaftliche und sonstige Einrichtungen, die sie im Laufe dieser Zeit selbst geschaffen hat, gezeigt, daß sie auch in der Lage ist, Verantwortung in der Wirtschaft zu übernehmen. Ich brauche nicht nur an die Gewerkschaften zu erinnern, sondern ich kann an die Genossenschaften auf den verschiedensten Gebieten verweisen, die uns heute klar zeigen, daß die Arbeitnehmerschaft in der Lage ist, auf wirtschaftlichem Gebiet die Verantwortung mitzutragen.
Wenn wir heute feststellen, daß die Arbeitnehmerschaft in der Politik, bei den öffentlichen Behörden und auf sonstigen Gebieten gleichberechtigt mit die Verantwortung trägt und zur Verantwortung mitbestimmend herangezogen wird, dann bin ich der Auffassung, daß jetzt die Zeit gekommen ist, um die Arbeitnehmerschaft gleichberechtigt auch in der Wirtschaft neben den Unternehmer als dessen Mitarbeiter hinzustellen.
Weil ich dieser Auffassung bin, bitte ich das Hohe Haus, dem Antrag Drucksache Nr. 117 die Zustimmung zu erteilen.