Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, heute auf die großen historischen Irrtümer in den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers bezüglich der Entstehung des westdeutschen Separatstaates einzugehen.
Das werden wir tun, wenn der Herr Bundeskanzler die Zustimmung vom Petersberg erhalten hat, über „seine" angekündigten innen- und außenpolitischen Maßnahmen hier im Bundestag Bericht zu erstatten.
Wir haben heute die Erklärung einer Regierung gehört, die sich hinter die sogenannte strategische Rheinlinie der Atlantikpakt-Strategen abgesetzt hat. In dieser Erklärung wurde außer der Frage Berlin kein einziges der schwebenden deutschen Probleme auch nur angesprochen. Aus diesem Port heraus, hier vom linken Rhein her, spricht Herr Dr. Adenauer vom „Bollwerk Berlin" und erklärt, er wolle Berlin nicht im Stich lassen, Berlin müsse geholfen werden. — Jawohl, wir sind einverstanden.
Aber
Berlin kann nur geholfen werden von Berlin aus.
Berlin ist und bleibt die Hauptstadt Deutschlands.
In Berlin hat die provisorische Regierung der Deutschen Demokratischen Republik ihren Sitz. Aber Sie, meine Damen und Herren, streiten über Frankfurt oder Bonn als Bundeshauptstadt. Nach unserer Meinung wäre es, um die Spaltung Berlins, um die Spaltung Deutschlands zu überwinden,
von großem Nutzen, wenn die westlichen Verwaltungsorgane ihren Sitz nach Berlin verlegten.
Dadurch wäre die Möglichkeit gegeben, zu engeren Beziehungen zu den Organen der provisorischen demokratischen Regierung zu kommen.
Dadurch wäre die Möglichkeit gegeben, die wirtschaftlichen Verhandlungen auf gesamtdeutscher Grundlage, ohne die Berlin nicht leben kann, leichter und reibungsloser durchzuführen.
— Das war auch eine Pleite!
Wenn dann die Regierung Adenauer und die Politiker Westdeutschlands dafür kämpfen würden, daß die westlichen Besatzungsmächte den deutschen Organen die Hoheitsrechte zurückgeben würden, wie das die Regierung der UdSSR
der provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik gegenüber bereits getan hat, dann wäre ein entscheidender Schritt zur Verständigung getan. Wenn Sie, meine Damen und Herren, dafür kämpfen würden, daß alle Besatzungstruppen Berlin und darüber hinaus ganz Deutschland verlassen, dann wäre der entscheidende Schritt zur Wiederherstellung der deutschen Souveränität und der Einheit Deutschlands getan.
Herr Dr. Konrad Adenauer wünscht aber nicht Berlin als souveräne Hauptstadt Deutschlands. Deshalb bleibt er hinter dem Rhein
und will Berlin in der Rolle eines Vorpostens und Bollwerks gegen den Osten.
— Sie machen hier aber Politik im Geiste von Wallstreet. Herr Dr. Konrad Adenauer will dadurch Berlin als Instrument des Kalten Krieges erhalten.
Meine Damen und Herren von der SPD, hinter dieser Losung: „Berlin das Bollwerk gegen den Osten"
— „Bollwerk gegen den Osten", so hat Dr. Konrad Adenauer vorgestern gesagt —,
versteckt sich eine andere Absicht, nämlich die
Absicht der reaktionären Rechtsregierung, in Berlin
sogar den sozialdemokratischen Einfluß zu brechen.
Das ganze Gerede über die Hilfe, die Berlin zuteil werden soll, kann aber über die Tatsache nicht hinwegtäuschen, daß Arbeitslosigkeit, finanzielle Schwierigkeiten und die Wirtschaftskrise in Berlin diesem politischen Ziel der Rechtsregierung Konrad Adenauers förderlich sind und von ihm in diesem Sinne ausgenutzt werden.
Um so unbegreiflicher ist es — selbst für viele Sozialdemokraten —, daß die Führung der SPD diese selbstmörderische Politik des Herrn Dr. Konrad Adenauer
— für Sie selbst mörderisch — unterstützt.
— Es lohnt sich für uns — das sage ich in diesem Zusammenhang an Ihre Adresse, meine Herren von der SPD —, die wir die politische Vergangenheit des Herrn Wehner, heute Sozialdemokrat, kennen, nicht, auf seinen Haßgesang einzugehen. Ich stelle hier fest, daß er noch vor wenigen Jahren zu den wütendsten Bekämpfern der SPD gezählt hat. Ein solch sprunghafter Gesinnungswechsel trübt oft die politische Klarheit und Urteilsfähigkeit.
— Heute gehört er dazu; wer weiß, was morgen sein wird.
Zu der Erklärung des Herrn Dr. Adenauer und der Bundesregierung gebe ich namens meiner Fraktion die folgende Erklärung ab:
Die Ereignisse der letzten Wochen haben das deutsche Volk vor große Fragen und Entscheidungen gestellt. Unser Volk ist durch die Spaltung Deutschlands in eine nationale Notlage geraten, die große Gefahren heraufbeschwört. Wir Kommunisten haben alles getan, um diese Spaltung zu verhindern.
— Wir waren bekanntlich sogar gegen die Bildung dieser separatistischen westdeutschen Bundesrepublik.
— Da kann ja nur Dummheit lachen!
— Wir sehen unsere entscheidende Aufgabe heute darin, alles zu tun, um die Spaltung unseres Vaterlandes zu überwinden.
Die jüngste innerdeutsche und internationale Entwicklung, deren hauptsächliche Merkmale in der Bildung der provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und in dem welthistorischen Telegramm Stalins, des Hauptes der Sowjetregierung, an den Präsidenten und den Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik bestehen, fordert schärfer als jemals zuvor die Entscheidung vom ganzen deutschen Volk darüber, welchen Weg es gehen soll, um zu seiner staatlichen Einheit, zum Frieden, zur vollen Souveränität als gleichberechtigte Nation zu gelangen.
Die Erfahrungen der letzten Wochen haben unsere Voraussagen bestätigt, daß die Regierung Adenauer keine souveräne Regierung ist; denn eine Regierung, die auf der Grundlage des Besatzungsstatuts beruht, kann keine souveräne Regierung sein.
Tatsache um Tatsache beweisen dies. In einer für die Wirtschaft und das Wohl des Volkes so entscheidenden staatlichen Maßnahme, wie sie die Abwertung der D-Mark darstellt, diktierten die Hohen Kommissare ohne Befragung des Bundestags.
Ohne Finanzhoheit aber kann von Souveränität eines Staates keine Rede sein. Eine Regierung, der durch das Ruhrstatut die Verfügung über Kohle und Stahl entzogen ist, ist zu dauernder Ohnmacht verurteilt. Die Tatsache, daß man ihr sogar das Recht verweigerte, ein innerdeutsches
Handelsabkommen selbständig abzuschließen, und daß man den einstimmigen Beschluß von Regierung und Bundestag gegen die rechtswidrigen Demontagen mißachtete, beweist die volle Abhängigkeit von den Besatzungsmächten. Eine Regierung, der auf Grund des Besatzungsstatuts das Recht auf eine selbständige deutsche Außenpolitik verweigert wird, ist außerstande, den Frieden für unser Volk und die Einheit Deutschlands auf demokratischer Grundlage herzustellen. Sie wird niemals Deutschland zu einem anerkannten Faktor in der internationalen Politik machen können.
Das deutsche Volk braucht einen Friedensvertrag, der ihm seine nationale Einheit und Unabhängigkeit, der ihm eine demokratische und friedliche Entwicklung sichert. Durch das Besatzungsstatut aber wird der Friedensvertrag verhindert, wird die Einheit Deutschlands unmöglich gemacht, werden dieselben verhängnisvollen Kräfte gestärkt, die Deutschland bereits in zwei Weltkriege gestürzt haben. Das Besatzungsstatut bedeutet Reaktion, koloniale Unterjochung und Krieg. Die Aufrechterhaltung der militärischen Besetzung Deutschlands ist zu einer Gefahr für den Frieden geworden. Deshalb stellen wir Kommunisten die Forderung: Weg mit dem Besatzungsstatut!
Der Zustand der Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands, der Verhinderung eines Friedensvertrags, der unbefristeten militärischen Besetzung Deutschlands ist für das deutsche Volk untragbar geworden. Angesichts dieser Lage kann es für das deutsche Volk nur einen Weg der Rettung geben, den Weg der Sammlung aller patriotischen Kräfte aller Arbeiter, Angestellten, Bauern, Kulturschaffenden und aller durch den Marshallplan in ihrer Existenz bedrohten Volksschichten in einer breiten nationalen Front zum Kampf für die Einheit Deutschlands,
für einen gerechten Friedensvertrag und für den Abzug der Besatzungstruppen.
Wir Kommunisten waren immer der Meinung, daß es aus dieser verhängnisvollen Lage, in die die Politik der Westmächte das deutsche Volk gebracht hat, einen Ausweg gibt: das ist der Weg einer demokratischen und friedlichen Entwicklung in Deutschland
und der friedlichen Verständigung mit den Völkern der Welt, vor allem mit den Völkern der Sowjetunion.
Beschreiten wir entschlossen diesen Weg, dann werden die Lebensfragen unseres Volkes ihre Lösung finden, dann werden wir einen souveränen, einheitlichen deutschen Staat schaffen, dann werden uns alle Völker der Welt als gleichberechtigt anerkennen, und dann wird der Friede gesichert sein! Dieser Weg steht jetzt dem deutschen Volke offen.
Die ganze Welt steht unter dem Eindruck des welthistorischen Telegramms Stalins zur Deutschlandfrage an den Präsidenten und an den Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik.
— Sie sind ja nicht die Welt! Ich meine die politische Welt, die etwas zu sagen hat!
In diesem Dokument heißt es unter anderem:
Die Gründung der Deutschen Demokratischen, friedliebenden Republik ist ein Wendepunkt in der Geschichte Europas.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Existenz eines friedliebenden demokratischen Deutschlands neben dem Bestehen der friedliebenden Sowjetunion die Möglichkeit neuer Kriege in Europa ausschließt, dem Blutvergießen in Europa ein Ende macht und die Knechtung der europäischen Länder durch die Weltimperialisten unmöglich macht.
Die Erfahrung des letzten Krieges hat gezeigt, daß das deutsche und das sowjetische Volk in diesem Kriege die größten Opfer gebracht haben, daß diese beiden Völker die größten Potenzen in Europa zur Vollbringung großer Aktionen von Weltbedeutung besitzen. Wenn diese beiden Völker dieselbe Entschlossenheit an den Tag legen werden, für den Frieden mit der gleichen Anspannung ihrer Kräfte zu kämpfen, mit der sie den Krieg führten, so kann man den Frieden in Europa für gesichert halten.
Diese Worte Stalins müßten in ihrer ganzen Bedeutung von unserem Volk und von allen verantwortungsbewußten Politikern erkannt werden.
Aus diesen Worten spricht die weise historische Erkenntnis, — —
— Sie, der Gründer dieses Staates, sollten vorsichtig sein, Herr Carlo; mit Ihnen rechne ich bei nächster Gelegenheit ab!
Aus diesen Worten spricht die weise historische Erkenntnis, welche Bedeutung ein friedliches und freundschaftliches Verhältnis zwischen der Sowjetunion und Deutschland für den Frieden in Europa und der Welt hat. Gewaltig sind die Perspektiven für das deutsche Volk, wenn Deutschland ein einheitlicher, demokratischer, friedliebender und unabhängiger Staat wird.
Ein solcher deutscher Staat wird ein gleichberechtigter Staat, ein Staat mit einer ruhmvollen Zukunft sein, der nach den Worten Stalins eine große Sympathie und aktive Unterstützung bei allen Völkern der Welt finden wird.
Wir Kommunisten erstreben diesen einheitlichen demokratischen und friedliebenden deutschen Staat. Darum kämpfen wir gegen das Besatzungsstatut, das uns den Friedensvertrag verweigert und durch das Westdeutschland zu einem Tummelplatz für Kriegstreiber gemacht werden soll.
— Mit Ihnen gern!
1 Darum sind wir für den Abzug aller Besatzungstruppen aus ganz Deutschland.
— Herr Präsident, gehen diese Störungen von meiner Redezeit ab?