Rede von
Dr.
Gebhard
Seelos
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bayern-Partei bedauert aufs tiefste die Zweiteilung des deutschen Volkes, die durch die Bildung von Sowjet-Preußen eine neue Bestätigung bekommt.
— Das Wort Sowjet-Preußen haben Sie erfunden, meine Herren von der SPD. — Wenn sich das durch einen Sowjetbefehl und ohne demokratische Wahlen entstandene Sowjet-Preußen neben die deutsche Bundesrepublik stellen will, so müssen wir ihm eine Gleichberechtigung absprechen. Auch eine Koordinierungsregierung über den beiden Regierungen würden wir angesichts ihrer nicht vergleichbaren Rechtsbasis ablehnen. Wir möchten den Zusammenschluß des gesamten deutschen Volkes in einem Bunde gern verwirklichen. Aber höher als eine Einheit nach sowjetischen Bedingungen steht uns unsere Freiheit.
Der Schnitt durch Deutschland teilt nicht nur Deutschland, sondern auch Europa. Als Heimatpartei mit ihren Idealen von Christentum, Vaterland und Familie bekennen wir uns zum christlichen Abendland und erklären uns kompromißlos gegen den Kommunismus des Ostens, der die tödliche Bedrohung unserer Ideale bedeutet. Unter dem Druck der von Moskau geschaffenen Tatsachen im europäischen Osten gehören wir dem Westen an. Insofern die Mächte des Westens für dieses christliche Abendland kämpfen und für die Gleichberechtigung aller an dieser Auseinandersetzung beteiligten Staaten eintreten, stehen wir zu ihnen. Wenn wir das Deutschland unter dem Besatzungsstatut, also die relative Unfreiheit des Westens, der totalen Unfreiheit des Ostens — trotz scheinbarer Zugeständnisse äußerer Souveränität an den ostdeutschen Staat — vorziehen, so muß doch bald bei den westlichen Mächten Verständnis dafür aufkommen, daß man gegenüber seinen Gesinnungsfreunden nicht gleichzeitig Eingriffe und Maßnahmen unbegreiflicher Art Tag für Tag durchführen darf. Die Westmächte werden sich der Konsequenz der neuen Entwicklung in Ostdeutschland nicht verschließen können, wenn sie den Kampf um Europa, der jetzt in sein entscheidendes Stadium getreten ist, gewinnen wollen. Der Weg von Morgenthau bis McCloy war weit. Aber das realistisch denkende amerikanische Volk ist ihn unter der zwangsläufigen weltpolitischen Entwicklung gegangen. Wir zweifeln nicht, daß das viel unmittelbarer betroffene Frankreich und schließlich auch England folgen werden, wenn es ihnen um die Erhaltung Europas ernst ist.
Angesichts der beklagenswerten Situation im deutschen Raum gibt die Bundestagsfraktion der Bayernpartei der dringenden und mahnenden Erwartung Ausdruck, daß nichts unternommen wird, um die Entfremdung zwischen dem staatspolitisch und wirtschaftlich getrennten deutschen Volk des Westens und des Ostens zu verschärfen und zu vertiefen.