Rede von
Dr.
Otto
Suhr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler und der He: c Bundesfinanzminister haben in ihren Erklärungen eben über die Verhandlungen mit der Gebietskörperschaft Berlin berichtet und dabei über die Maßnahmen gesprochen, die von der Bundesregierung für Berlin beabsichtigt sind. Diese Maßnahmen decken sich zum Teil mit den Forderungen, die in dem Antrag des Berlin-Ausschusses, der Ihnen unter Drucksache Nr. 100 vorgelegt worden ist, enthalten sind und über die zu berichten ich hier die Ehre habe. Es mag auf den ersten Blick scheinen, als ob dieser Bericht des Berlin-Ausschusses damit post festum käme. Abgesehen davon, daß zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung der Anträge, die dem Hohen Hause vorgelegen haben, eine Verabschiedung notwendig ist, dürfte Ihnen dieser Bericht gleichzeitig Maßstäbe an die Hand geben, wie die Maßnahmen der Bundesregierung, von denen wir gehört haben, zu werten sind, wieweit sie bereits eine Erfüllung des Antrags des Berlin-Ausschusses darstellen.
Um den Antrag des Berlin-Ausschusses verständlich zu machen, darf ich daran erinnern, daß wir in der 11. Sitzung des Deutschen Bundestags am 30. September hier einen Bericht der Abgeordneten Louise Schroeder über die Notlage und die Existenzkämpfe der Berliner gehört haben. Frau Schroeder hat damals zwei sozialdemokratische Anträge begründet. Der eine davon, eine Erklärung der Verbundenheit der Bundesrepublik zu Berlin und eine Dokumentation des Willens des Bundestags, Berlin als zwölftes Land in die Bundesrepublik aufzunehmen, wurde von Ihnen, meine Damen und Herren, in der gleichen Sitzung angenommen. Der andere Antrag, Drucksache Nr. 16, in dem von der Bundesregierung die so dringlich notwendig gewordenen Hilfsmaßnahmen für Berlin gefordert werden, wurde damals dem Berlin-Ausschuß überwiesen. Der Berlin-Ausschuß hat sich bereits in seiner ersten, konstituierenden Sitzung am 14. Oktober sehr schnell, fast ohne Aussprache und ohne Unterschied der im Ausschuß vertretenen Fraktionen zu den Ansichten und Prinzipien bekannt, die in dem Antrag der sozialdemokratischen Frak-
tion vorgelegt worden waren. Dabei handelt es sich um drei Grundsätze:
Der Bundestag beauftragt die Bundesregierung
1. in den Haushaltsplan der Bundesrepublik für die Zeit bis zum 31. März 1950 einen Betrag zur Deckung des Defizits des Haushaltes von Groß-Berlin einzusetzen;
2. zu überprüfen, in welchem Umfange, ohne den Ablauf des Geschäftsverkehrs zu erschweren, Dienststellen der Bundesrepublik nach Berlin verlegt und Aufträge von Bundesbehörden nach Berlin gegeben werden können;
3. alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu ergreifen, um die Existenz Berlins zu sichern.
Der sozialdemokratische Antrag hat jedoch — wie ich meinen möchte, in glücklicher Weise — in den Ausschußberatungen eine Ergänzung durch einen Antrag der CDU/CSU gefunden, der seinerzeit in der Drucksache Nr. 12 unterbreitet wurde. Dieser Antrag, in dem die Einsetzung des Berlin-Ausschusses erst gefordert worden war, ist damals im Plenum nicht zur Verabschiedung gekommen, weil die Einsetzung von Ihnen, meine Damen und Herren, schon vorher beschlossen worden war. Aber die Antragsteller, darunter die Herren Adenauer, Erhard, Schäffer, Kaiser, haben ja nicht auf den materiellen Inhalt des Antrags verzichtet, und es bestand innerhalb der beiden Fraktionen — also sowohl der CDU/CSU wie der sozialdemokratischen Fraktion — bei den Beratungen im Ausschuß Übereinstimmung darin, daß die einzelnen Punkte, die in dem Antrag der CDU/CSU zur wirtschaftlichen Sicherung Berlins aufgestellt worden waren, eine wesentliche und wichtige Ergänzung zu der grundsätzlichen sozialdemokratischen Forderung auf Existenzsicherung Berlins darstellen.
Deshalb liegt Ihnen nunmehr in der Drucksache Nr. 100 ein kombinierter Antrag vor, der aus dem ursprünglichen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion hervorgegangen ist, ergänzt durch die unter Ziffer III, 1 bis 7 genannten einzelnen Punkte, in denen als notwendige wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Sicherung der Existenz Berlins gefordert wird: einmal die Überwindung der Berliner Arbeitslosigkeit durch Rohstoffversorgung, dann Maßnahmen zur Absatzsteigerung durch steuer- und tarifpolitische Maßnahmen, die Beschaffung von Investitions- und Betriebsmittelkrediten, die Beseitigung der aus der gegenwärtigen Währungssituation sich ergebenden Unzuträglichkeiten, die Regelung der sogenannten Uraltkonten, die Realisierung der Blockadehilfe und die Einschaltung Berlins in die Abwicklung des OstWesthandels.
Meine Damen und Herren, der Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 100 — eine Glückszahl, wie ich hoffen möchte —, ist einstimmig von allen Mitgliedern des Berlin-Ausschusses angenommen worden, und ich habe das Hohe Haus im Namen des Ausschusses um Zustimmung zu dem Antrag in der Ihnen vorgelegten Form zu bitten.
Meine Damen und Herren! Vielleicht gestatten Sie mir aber, die eigentliche Aufgabe eines Berichterstatters überschreitend, noch zwei Bemerkungen; sie finden ihre Begründung in Ausführungen, die im Berlin-Ausschuß selbst gemacht worden sind. Sollte es nicht, so möchte ich fragen, künftig möglich sein, solche Anträge, die ein Ersuchen an die Regierung um eine Vorlage enthalten, die also noch keine materielle Entscheidung
erfordern und deren Materie daher bei der Vorlage nochmals einen Ausschuß passieren muß, — sollte es nicht, so frage ich, künftig möglich sein, solche Anträge sofort im Plenum zu entscheiden? Dem Plenum würde damit Arbeit erspart, und die Verhandlungen würden beschleunigt werden. Ich könnte mir vorstellen: wenn wir bereits seinerzeit die Entscheidung getroffen hätten, wäre dieser Bericht vielleicht schon eine Stütze bei den Verhandlungen der Regierung gewesen.
Und die zweite Bemerkung. Es ist selbstverständlich, daß ich als Berliner es als eine besondere Ehre empfinde, Berichterstatter des Berlin-Ausschusses zu sein. Nun hat der Berichterstatter nur zu berichten; der Berliner aber möchte sehr gern seinen Gefühlen Ausdruck geben. Ich möchte daher der Versuchung nachgeben, meine Aufgaben als Berliner und als Berichterstatter miteinander zu verknüpfen, und möchte Sie bitten, meine Damen und Herren, sich in Ihren Entscheidungen von demselben Geiste leiten zu lassen, in dem die Beratungen des Ausschusses durch den damaligen Vorsitzenden Herrn Dr. von Brentano geleitet wurden, der am Anfang und am Ende der Beratungen dieses Ausschusses zum Ausdruck gebracht hat, wie dringend notwendig die Hilfe für Berlin ist, und hinzufügte: Wer schnell gibt, gibt doppelt; eine Hilfe, die nach seinen Ausführungen nicht nur um Berlins willen geleistet werden sollte, sondern die von uns allen empfunden werden sollte als eine nationale Verpflichtung der Deutschen.