Meine Damen und Herren! Anläßlich der Regierungserklärung und
auch in der heutigen Debatte zum Flüchtlingsproblem wurden viele Worte über eine sinnvolle, den sozialen Belangen entsprechende Verwendung öffentlicher Mittel gesprochen. Di e Regierung gab in ihrem Programm zu verstehen, daß sie eine verantwortungsbewußte Sozialpolitik durchzuführen gedenke. Sie hat die Flüchtlingshilfe, den Wohnungsbau, die Verbesserung der sozialen Leistungen — vorsichtshalber allerdings — „in Aussicht gestellt". Wir aber stellen die Frage, und sie scheint uns berechtigt: wie will das Kabinett Adenauer — wenn wir einmal unterstellen, daß es wirklich ernst gemeint ist — diese unerhört großen Aufgaben bei der gegenwärtigen Notlage des deutschen Volkes finanziell lösen? Bisher, kann man sagen, gibt es zu dieser Frage nur ein allgemeines betretenes Schweigen. Aus der Länderpraxis wissen wir jedoch, daß selbst die höchsten Steuersätze der Welt, die wir ja hinnehmen müssen, bei weitem nicht ausreichen, um diese Sozialausgaben im verarmten Deutschland zu decken. Im Bund wird es weit schlimmer sein. Es gibt schon in der Öffentlichkeit und in der Presse Diskussionen über die Gestaltung des Bundesetats. Allgemein — ob es stimmt oder nicht, sei dahingestellt — wird von einem Defizit gesprochen. Das müßte uns eigentlich einmal der Herr Finanzminister in aller Deutlichkeit klarlegen. Es gibt eine Auffassung, daß wir schon jetzt ein Defizit von etwa 2 Milliarden D-Mark allein im Bereich des Bundes haben. Die Regierung muß uns ebenfalls möglichst schnell über diese Frage Auskunft erteilen.
Was kann nun unternommen werden, um den Bundesetat, der die wichtigen sozialen Ausgaben in sich einschließt, zu sichern? Man hört hier sehr viel von der notwendigen — politisch sehr gut vertretenen - Steuersenkung zugunsten der deutschen Wirtschaft. Mit der Senkung der Steuersätze fehlen nur noch mehr Mittel, um den Sozialetat zu sichern
Bei den unerhörten Belastungen, die nun einmal das System des Besatzungsstatuts — mit Anhang selbstverständlich — für die deutsche Wirtschaft und für die Etats der Länder und Gemeinden mit sich bringt, wagen wir zu bezweifeln, daß es überhaupt möglich sein wird, die unerhörten Ausgaben zu decken. In erster Linie drücken uns die großen Kosten zum Unterhalt der Besatzungstruppen. Es besteht sicherlich im Hause kein Zweifel darüber, daß eine Senkung der Besatzungskosten dringend notwendig ist. Allerdings hat ein Herr Kollege heute gesagt: Über Besatzungskosten zu sprechen, ist doch zwecklos. Und wenn irgendwann einmal ein konkreter Hinweis in dieser Linie erfolgt, dann spricht man gefälligerweise von sogenannten „Mätzchen". Ich denke aber, daß es sich hier um Milliarden handelt, und wenn es darum geht, müssen wir sehr ernsthaft darüber diskutieren und müssen einen Ausweg suchen, um mit diesem wichtigsten aller deutschen Probleme fertig zu werden. Eine Minderung der Besatzungsausgaben erscheint uns darum dringend notwendig.
Ohne besondere Leistungen, und zwar Bereitstellung von Möbeln, Kleidung, Gebrauchsgegenständen und sonstigen Dingen, geht es nun einmal bei der Aufrechterhaltung der Besatzung in Westdeutschland nicht. Westdeutschland wird nach Äußerungen der Experten allein im Jahre 1949 rund 5 Milliarden D-Mark für den Unterhalt der Besatzungstruppen über Besatzungskosten bereitstellen müssen. Meine Damen und Herren, dafür könnten wir in Westdeutschland 80- bis 90 000 Sechs-Familien-Häuser bauen. In vier Jahren machen diese Kosten soviel aus, wie beispielsweise auf einer Konferenz der Außenminister an Reparationsleistungen zugunsten der Sowjet-Union und Polens vom deutschen Volk gefordert wurde, nämlich 10 Milliarden Dollar. Daran mögen Sie den gesamten Umfang der unerhörten Belastung des deutschen Volkes durch den Besatzungsetat ermessen.
Interessant und aufschlußreich ist ein Vergleich der Besatzungskosten zu den übrigen Ausgaben der Länder. In allen Ländern stehen heute die Ausgaben für Besatzungskosten und Besatzungsfolgekosten weitaus voran und rangieren an erster Stelle, und erst in weitem Abstand kommen die Ausgaben für den Sozialetat, den Wohnungsbau, die Flüchtlingshilfe usw.
Auch über die Verwendung der Besatzungskosten gibt es im eigentlichen Sinn heute im Bundesgebiet noch keinerlei Kontrolle. Besonders in der britischen Zone fehlt es an jeder Kontrollfunktion zur Überwachung der Ausgaben über den Besatzungsetat. Nach wie vor fehlt eine laufende Prüfung des Besatzungsbedarfs und aller Ausgaben durch die deutschen Behörden. Die britische Militärstelle beispielsweise wickelt ihre Bestellungen immer noch in direktem Verkehr mit den deutschen Lieferanten ab, und dies ist, — die Praxis beweist es — eine stete Quelle der Korruption und der Veruntreuung. Was der deutsche Lieferant bei derartigen Lieferungen in Rechnung stellt, unterliegt nach wie vor keinerlei Kontrolle, besonders nicht in Preisfragen. Die Besatzungsämter haben nur nach den Empfehlungen der Besatzungsmächte die Empfangsbestätigung hinzunehmen und haben das Geld zur Verfügung zu stellen. Durch eine entsprechende sinnvolle Kontrolle könnten hier sehr hohe Beträge eingespart werden. Wir fordern eine solche Kontrolle, wir fordern eine genaue Aufstellung aller Ausgaben für die Besatzungsmacht.
Dabei gibt es in Deutschland immer noch nicht eine genaue Umschreibung des Begriffs Besatzungsbedarf. Wir müssen endlich zu einer klaren Unterscheidung zwischen Besatzungskosten und sogenannten offenen und stillen Reparationen kommen. Herr Bevin sprach uns gelegentlich davon, daß das deutsche Volk in Westdeutschland von allen Reparationsleistungen befreit ist. Aber die Praxis zeigt uns doch etwas anderes. Hier wird uns jedenfalls allerlei zugemutet. Ein Beispiel sei genannt. Kürzlich erhielt die hessische Regierung von der US-Militärregierung den Befehl, bei der Firma Opel, Rüsselsheim, einen Betrag von 20 Millionen D-Mark für den Bezug von 2 000 Automobilen vom Typ „Opel Kapitän" zu bezahlen. Weiterhin gibt es eine sehr denkwürdige Denkschrift des Finanzministers Weitz von Nordrhein-Westfalen über Besatzungskosten. Sie zählt bedeutende Mengen von Gebrauchsgegenständen auf, die über Besatzungskosten verrechnet wurden. Das sind nichts anderes als stille Reparationen, die hier aus der laufenden Produktion der deutschen Wirtschaft entnommen werden.
Die Last der Besatzungskosten wird außerdem durch die zweite Besatzungsmacht, die fünfte Kolonne der Faschisten in Westdeutschland bedeutend erhöht.
Ich erinnere an die sogenannten DPs oder verschleppten Personen. Die Kosten für den Unterhalt dieser DPs betragen für jede Person im Jahre fast 2 000 D-Mark. Darunter sind nicht, wie immer wieder erzählt wird, in erster Linie verschleppte
Juden, sondern in der Mehrzahl handelt es sich
bei diesen Dauerpensionären um ehemalige faschistische Mitläufer und Angehörige der Waffen-SS.
Es ist natürlich unmöglich, obwohl es sehr wichtig wäre, alle einschlägigen Fragen anzuschneiden. Diese wenigen Beispiele beweisen jedoch, daß es sich bei den Besatzungskosten wahrscheinlich um den größten Finanzskandal unserer Geschichte handelt. Bei der Betrachtung darf auch nicht vergessen werden, daß deutsche Politiker die Verewigung dieser Zustände geradezu wünschen. Es war der Herr Bundeskanzler, der 1945 eine langandauernde Besatzung von 45 Jahren forderte. Auch der prominente Führer einer anderen großen Partei wünschte, daß man die Besatzung möglichst lange in Westdeutschland behält. Dabei bedeuten die Kosten für den Unterhalt der Besatzungsmächte letzten Endes nichts anderes als das Wegsteuern von Geldern an Stelle von Reparationen. Das müssen wir hinnehmen, weil der Friede mit Deutschland immer noch nicht geschlossen ist. Die Besatzungskosten sind daher der Maßstab für die Politik des verhinderten Friedens. Wenn wir schon keinen Friedensvertrag bekommen — und es sieht so aus, als ob die westdeutschen Politiker sich nicht sehr darum bemühten —, dann verlangen wir wenigstens, daß uns von der Militärregierung klare Rechnungen aufgemacht werden. Wir gehen nicht davon ab, daß diese Frage schnellstens gelöst wird. Wir wollen wissen, welche Verpflichtungen wir haben, wir wollen wissen, wie lange die Besatzungsmächte in Westdeutschland noch zu bleiben gedenken. Nur so wird es möglich sein, unseren inneren Aufbau gesund und zukunftsfroh zu beginnen.
Bei den gegenwärtigen Besatzungskosten muß alles, was wir uns vornehmen, scheitern. Wir müssen im Bundesgebiet 1,3 Millionen Arbeitslose in Arbeit bringen, wir haben 1,4 Millionen Kriegsbeschädigte zu versorgen. 22,7 vom Hundert des deutschen Volkes sind heute auf Pensionen, Renten und Unterstützungen angewiesen; früher waren es nur 4,7 vom Hundert des deutschen Volkes. Über 7 Millionen, ja fast 8 Millionen Flüchtlinge müssen durch uns versorgt werden. Es gibt Länder, die heute schon bis zu 50 Prozent ihrer Einnahmen für Besatzungskosten verausgaben müssen. Allein das Bergarbeiter-Wohnungsbauprogramm im Ruhrgebiet würde uns bis zum Jahre 1952 etwa 1,7 Milliarden D-Mark kosten, um 100 000 Bergarbeiterwohnungen zu erstellen. Ich denke in diesem Zusammenhang an den langwierigen Streit im Wirtschaftsrat um die Sozialausgaben, um das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz usw. Ich darf hier auch an die Auswirkungen der Demontage erinnern und an die Subventionen für Lebensmittel, die wir ebenfalls jetzt auf Länder- oder auf Bundesbasis aufbringen müssen. Ohne radikale Senkung der Besatzungskosten ist darum eine Aufrechterhaltung der hohen Ausgaben für den Sozialetat im verarmten Deutschland nicht möglich. Meine Fraktion hatte bekanntlich den Antrag gestellt, der hier allerdings sehr robust zurückgewiesen wurde, den Besatzungsmächten eine 50prozentige Senkung der Besatzungskosten vorzuschlagen. Uns erscheint diese Forderung mehr als nur gerecht. Wir wissen, daß eine endgültige Lösung nur durch den Abschluß eines Friedensvertrages und den Abzug der Besatzungstruppen möglich sein wird. Solange uns dies durch einen Friedensvertrag nicht garantiert wird, ist eine radikale Senkung der Besatzungskosten unerläßlich!
Alle Fraktionen haben eine Senkung der Besatzungskosten verlangt, nun müssen den Worten Taten folgen! Eine solche Möglichkeit ist gegeben. Wir müssen zu einem gemeinsamen deutschen Standpunkt kommen und von der Militärregierung eine wirkliche, echte Reduzierung der Besatzungskosten verlangen. Ich möchte darum zum Schluß die Begründung unseres Antrages verlesen, die folgendermaßen lautet:
Nach Artikel 120 des Grundgesetzes übernimmt der Bund die Aufwendungen für die Besatzungskosten. Die besondere wirtschaftliche und soziale Not in Westdeutschland, die nicht zuletzt eine Auswirkung der Wirtschafts- und Handelspolitik der Besatzungsmächte, der durchgeführten Demontagen und der unerträglich hohen Besatzungskosten ist, zwingt den Bundestag, eine Einsparung von Steuermitteln dort vorzunehmen, wo es sich um unproduktive und mit den Interessen der deutschen Bevölkerung unvereinbare Ausgaben handelt.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, auch diesen Antrag der kommunistischen Fraktion zu unterstützen.