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    Deutscher Bundestag - 12. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Oktober 1949 259 12. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Oktober 1949. Geschäftliche Mitteilungen . . 260A, 269B, 506D Niederlegung des Mandats durch die Abgeordneten Dr. Amelunxen u. Dr. Hilpert 260B Ausscheiden des Abgeordneten Dr. Dorls aus der Gruppe der Nationalen Rechten . 260B Interfraktioneller Antrag, betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 112) 260B, 267D Erste Beratung des Amnestiegesetzes (Antrag der Zentrumsfraktion, Drucksache Nr. 17) 260C Dr. Reismann (Z), Antragsteller . 260C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 262A Kiesinger (CDU) . . . . . 262C, 263C Dr. Arndt (SPD) 262D Erste Beratung des Gesetzes über Bundesfarben und Bundesflagge (Antrag der Zentrumsfraktion, Drucksache Nr. 25) . 263C Dr. Reismann (Z), Antragsteller . 263D Farke (DP) 264C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 265C Kiesinger (CDU) . . . . . . . 266B Interfraktioneller Antrag, betr. Ausschluß der Öffentlichkeit bei Ausschußberatungen (Drucksache Nr. 113) 268A Dr. von Brentano (CDU), Antrag- steller 268A Renner (KPD) . . . . . . . . 268B Antrag der Fraktion der DP, betr. Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung (Drucksache Nr. 43) . 269C Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 269C Richter (SPD) 269D Arndgen (CDU) 270A Dr. Wellhausen (FDP) . . . . . 270B Antrag der Fraktion der DP, betr. Kündigungsschutz für ältere Angestellte (Drucksache Nr. 37) 270C Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 270D, 271D, 272A, B Blank (CDU) 271A, B, 272A Richter (SPD) . . . . . . . . 271B Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 271C Dr. Schäfer (FDP) 271C Antrag der Abg. Ollenhauer und Gen., betr. Heimarbeitsgesetz (Drucksache Nr. 75) 272B Frau Döhring (SPD), Antragstellerin 272B Karpf (CDU) 272D Antrag der Abg. Ollenhauer und Gen., betr. Mutterschutzgesetz (Drucksache Nr. 79) 273A Frau Kipp-Kaule (SPD), Antragstellerin 273 A Frau Niggemeyer (CDU) 273B Storch, Bundesminister für Arbeit 273C Frau Thiele (KPD) . . . . . . 273D Frau Kalinke (DP) . . . . . . 273D Anträge der Fraktionen der KPD und der DP und der Abg. Ollenhauer und Gen., betr. sozialen Wohnungsbau (Drucksachen Nr. 10, 39 und 73) . . . . . . . . 274A Paul (KPD), Antragsteller 274B Frau Kalinke (DP) . . . . . . 275C Stierle (SPD) 275D Wirths (FDP) 277C Etzel (CDU) . . . . . . . 2'79D, 284C Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . 282B Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 283A Anträge der Fraktion der CDU/CSU, der Abg. Ollenhauer u. Gen., der Abg. Goetzendorff u. Gen. und der Fraktion der BP, betr. Heimatvertriebene, Flüchtlinge und in Polen und in der Tschechoslowakei lebende Deutsche (Drucksachen Nr. 61, 74, 77, 88 und 78) . . . . . . . . 284D Ollenhauer (SPD) (zur Geschäftsordnung) 284D Kuntscher (CDU), Antragsteller . 285A Reitzner (SPD), Antragsteller . . 286D Unterbrechung der Sitzung . 288B Dr. Ziegler (BP) 288C, 289C Goetzendorff (WAV) . . . . . 288D Dr. Trischler (FDP) 291A Müller, Oskar (KPD) 293C Albertz, Niedersächsischer Minister für Flüchtlingswesen . . . . . . 295A Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 295D Krause (Z) . . . . . . . . . 296A Clausen (SSW) 299A Donhauser (BP) . . . . . . . 299B Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen . 300B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU, betr. bevorzugte Einstellung von Heimatvertriebenen beim Aufbau d. Bundesbehörden (Drucksachen Nr. 29 und 93) 301A Höfler (CDU), Berichterstatter . 301B Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 301C Dr. Kather (CDU) 302D Antrag der Fraktion der KPD, betr. Ruhrstatut (Drucksache Nr. 5) . . . . . . . 302C Rische (KPD), Antragsteller . . . . 302C Antrag der Fraktion der KPD, betr. Besatzungskosten (Drucksache Nr. 8) . . . 304D Rische (KPD), Antragsteller . . . . 304D Antrag der Fraktion der CDU/CSU, betr. Maßnahmen für im Ausland zurückgehaltene Deutsche (Drucksache Nr. 60) . . 306C Nächste Sitzung 306D Die Sitzung wird um 9 Uhr 13 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat sich zu Anfang dieser Woche in sehr großzügiger Weise zum Ruhrstatut geäußert. Er versprach nicht weniger als — wie es heißt — die Anerkennung des Ruhrstatuts zu gegebener Zeit. Zu gegebener Zeit will der Herr Bundeskanzler auch die „Europäisierung der Schwerindustrie in Westdeutschland" durchführen. So großzügig, meine Damen und Herren, ist der Herr Bundeskanzler beim Zustimmen und beim Geben. Europäisierung der Ruhrindustrie, das klingt irgendwie nach Preisgabe deutscher Interessen.

    (Hört! Hört! bei der KPD. — Lachen und Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Worum, meine Damen und Herren, geht es beim Ruhrstatut? Das am 28. Dezember 1948 veröffentlichte Ruhrstatut greift in wesentliche Rechte der Selbstbestimmung der deutschen Nation in der Wirtschaft ein.

    (Zuruf rechts.)

    Die nach dem Ruhrstatut schon geschaffene Ruhrbehörde hat auf unabsehbare Zeit das Recht erhalten, Preise, Quoten und Zölle der Produkte des Ruhrgebietes zu bestimmen und auch Wirtschaftsmethoden der Ruhrwirtschaft zu prüfen. Meine Damen und Herren, bei dem gegenwärtigen Zustand der deutschen Betriebe Wirtschaftsmethoden zu prüfen, scheint uns mehr als nur Kontrolle über Bedeutung und Ausmaß der Produktion, scheint uns ein Eingriff in ursächliche deutsche Souveränitätsrechte zu sein.
    Die Ruhrbehörde hat laut Statut ferner das Recht, ihre Kontrolle auch auf, wie es heißt, „andere Regierungsmaßnahmen oder wirtschaftliche Anordnungen, die Kohle, den Koks oder den Stahl der Ruhr berühren", auszudehnen. Damit dürfte zweifellos gemeint sein, daß auch die Lohnpolitik und der Arbeitseinsatz zukünftig von der Ruhrbehörde überwacht werden sollen.
    Durch die Anwendung des Statuts kann somit jede Möglichkeit auch einer Einflußnahme auf die Gestaltung der Produktion und somit einer Einflußnahme auf deutsche Außenhandelsinteressen erfolgen. Wir alle wissen, daß unser Volk einen schweren Kampf um die Rückeroberung von Absatzmärkten führen muß, daß dieser Kampf unter den erschwerten Verhältnissen der gegenwärtigen


    (Rische)

    Wirtschaftskrise stattfindet, unter Verhältnissen, die gekennzeichnet sied durch verstopfte Absatzmärkte. Wir müssen diesen Kampf führen, obwohl wir kaum noch eine Möglichkeit haben — dank des Zwangskurses der D-Mark —, die auswärtigen Absatzmärkte von ehemals für die deutsche Industrie zurückzugewinnen.
    Nun bestehen als Hindernisse für die Entfaltung des Exports die Bestimmungen des Ruhrstatuts, nach denen — mit den Vorschriften über Quotierungen und Preisfestsetzungen — weitgehend in deutsche Souveränitätsrechte in der Wirtschaft eingegriffen werden kann. So heißt es in Artikel 8 des Statuts:
    Eine grundsätzliche Aufgabe der Ruhrbehörde ist die Aufteilung von Ruhrkoks und Stahl zwischen dem deutschen Verbrauch und dem Export, um den Ländern, die nach einem gemeinsamen Wirtschaftsplan arbeiten, angemessenen Zutritt zur Belieferung mit diesen Produkten zu verschaffen,
    — „angemessenen Zutritt zur Belieferung mit diesen Produkten zu verschaffen", meine Damen und
    Herren, ohne daß dabei im wesentlichen nach
    deutschen Interessen gefragt wird.
    Sofern es sich um Zuteilungen handelt, sollen ferner Mindestmengen, Qualitäten bzw. Typen festgelegt werden.
    Die Ruhrbehörde wird somit jederzeit in der Lage sein, die deutsche Exportindustrie durch Abschnürung der Kohle- und Stahlzuteilungen abzudrosseln. Stellen Sie sich irgendeinen Fertigungsbetrieb im Ruhrgebiet, in Bochum oder Essen oder Dortmund vor. Dort kann, wenn die Ruhrbehörde es will, willkürlich eingegriffen werden, dort können die Typen, die Preise, die Fertigungen von der Ruhrbehörde festgelegt werden. Und nun denken Sie einmal an die augenblickliche Weltwirtschaftslage: einen verzweifelten Kampf aller Interessenten um den größtmöglichen Absatz werden Sie feststellen müssen! Was, meine Damen und Herren, bleibt bei solchen Bestimmungen noch vom deutschen Export, von der deutschen Souveränität übrig?
    In diesem Zusammenhang ein Wort zur angeblichen Auflösung der JEIA. Man hat die JEIA formal aufgelöst; ihre Rechte sind an die Hohe Kommission übergegangen. Aber die JEIA lebt weiter in den Bestimmungen des Ruhrstatuts, j a man kann mit den Konkurrenzklauseln des Ruhrstatuts die Anweisungen der JEIA weit wirksamer zur Anwendung bringen als jemals!
    Ein hoher englischer Beamter in der Ruhrbehörde hat sich nach der ersten Sitzung in Düsseldorf einmal in aller Ausführlichkeit über den wahren Sinn und Zweck dieser Behörde ausgesprochen. Er erklärte unumwunden, diese Behörde habe das Recht, über die deutsche Industrie zu wachen, und sie habe ferner das Recht, die deutsche Konkurrenz auszuschalten. Eine SPD-Zeitung schloß daran die Bemerkung, bei der Ruhrbehörde handele es sich augenscheinlich um eine Konkurrenzbehörde gegen die deutsche Wirtschaft. Meine Damen und Herren, bei diesem Lichte besehen, muß man davon sprechen, daß die Industrie des Ruhrgebiets gemäß dem Ruhrstatut in eine Zwangsjacke gesteckt werden soll und daß sie angesichts dieser Praxis nicht mehr als deutsches Eigentum anzusehen ist. Dies geht auch aus der Abstimmungsprozedur innerhalb der Ruhrbehörde hervor. Von den fünfzehn. Stimmen der Ruhrbehörde gehören nur drei Deutschland. Der
    Hauptbeteiligte, das deutsche Volk, ist somit in jeder Hinsicht an der Wahrnehmung seiner Interessen behindert. Die drei deutschen Stimmen werden aber nun nicht von deutschen Vertretern, sondern sie werden in der Ruhrbehörde gemeinsam von dem Vertreter der Besatzungsmächte wahrgenommen. Das einseitige Stimmen- oder Kräfteverhältnis gibt somit den Kreisen, die in der Ruhrbehörde dank ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit die Führung haben, noch mehr Macht, alle Maßnahmen zu bestimmen, um die Ruhrindustrie dem deutschen Volke zu entfremden. Westdeutschland besitzt damit keinerlei Sicherungen mehr im Hinblick auf eine wirksame Interessenwahrnehmung. Da die drei deutschen Stimmen vorerst von den Besatzungsmächten vertreten werden, sind auf diese Weise unmittelbare deutsche Beschwerden in der Ruhrbehörde ausgeschlossen. So kann es dann auch kommen, daß in Zukunft die Preise für Kohle, Koks, Stahl usw. durch die Ruhrbehörde einseitig unter Nichtbeachtung deutscher Wünsche und Interessen festgelegt werden können.
    Der Herr Bundeskanzler hat zu Beginn dieser Woche — wahrscheinlich auf höhere Weisung hin — einen sogenannten deutschen Beobachter bei der Ruhrbehörde ernannt. Seine Aufmerksamkeit wurde dabei auf den bisherigen Beauftragten der amerikanischen Militärregierung für die Entflechtung der Kohlenindustrie, Herrn Dr. Walter Bauer, hingelenkt, wahrscheinlich auch von einer bestimmten höheren Stelle. Dabei, meine Damen und Herren, ergeben sich recht eigentümliche Verhältnisse. Es ist dies überhaupt eine recht eigentümliche Praxis, so scheint es uns. Bei der Ruhrbehörde handelt es sich um eine Einrichtung, die über die deutsche Wirtschaft wacht, die das Recht des Eingreifens in wichtige Fragen der deutschen Wirtschaft hat, und ich denke, es wäre Aufgabe der Regierung gewesen, bei der Auswahl des sogenannten deutschen Beobachters auch einmal das Parlament zu befragen.
    Ferner ist es für uns recht eigentümlich, daß man nicht einen deutschen Vertrauensmann, sondern den Vertrauensmann der Amerikaner zur Ausübung dieser wichtigen beobachtenden Funktion in der Ruhrbehörde hinzugezogen hat.

    (Zuruf rechts: Besser als von den Russen!)

    Sie haben anscheinend sehr viel Angst vor diesen Russen. Wir sprechen doch hier von deutschen Interessen und von der Wahrnehmung deutscher Interessen.

    (Zuruf: Dazu haben wohl gerade Sie das Recht?)

    Unterlassen Sie doch endlich diesen billigen und wirklich abgeschmackten Ausruf: „die Russen!" Gewöhnen Sie sich endlich einmal daran, die Dinge realer zu sehen. Hier handelt es sich um deutsche Interessen.

    (Zuruf rechts: Ausgerechnet aus Ihrem Munde!)

    Ich stelle ferner die Frage: warum wurden nicht, wie im Statut vorgesehen ist, drei deutsche Vertreter für die Wahrnehmung der deutschen Interessen in der Ruhrbehörde ernannt, und zwar mit Stimmrecht? Meine Damen und Herren, darauf ist nun sehr schnell eine Antwort gegeben: das Ruhrstatut ist kein Statut, das den deutschen Kreisen in der Wirtschaft, den deutschen Parlamenten und der deutschen Regierung das Recht zur Mitbestimmung in den wichtigsten Fragen gibt, sondern das Ruhrstatut ist ein Diktat, das des Besatzungsstatuts würdig ist.


    (Rische)

    Die Ernennung des Vertrauensmannes der Amerikaner ist deshalb noch besonders interessant, weil der Herr Bundeskanzler bei der Bekanntgabe der Ernennung zur gleichen Zeit auch noch die gefährliche Forderung nach der „Europäisierung der westdeutschen Schwerindustrie" erhoben hat. Was bedeutet denn nun letztlich die sogenannte Europäisierung der Schwerindustrie des Ruhrgebiets? Sie bedeutet erstens nichts anderes als die Preisgabe souveräner Rechte des deutschen Volkes, zweitens die Einfügung der Wirtschaft und der Schwerindustrie des Ruhrgebiets in das Atlantikpakt-Kriegspotential und drittens nichts weniger und nichts anderes als die Verschacherung der deutschen Arbeitskraft, der Arbeitsleistung des Ruhrarbeiters an die Interessen der amerikanischen und englischen Rüstungsspezialisten.

    (Zuruf.)

    Schon 1947 hat ein führender amerikanischer Politiker, John Foster Dulles, einen von den amerikanischen Monopolisten wärmstens begrüßten sogenannten Ruhrplan entwickelt und diesen der amerikanischen Regierung unterbreitet. Nach diesem Ruhrplan sollte die westdeutsche Schwerindustrie als Herzstück einer WesteuropaUnion organisiert werden. Ferner dachte schon damals dieser prominente Amerikaner daran, nach der Einordnung der westdeutschen Schwerindustrie in die sogenannte Westeuropa-Union auch noch die Gebiete Lothringens, Luxemburgs und Belgiens folgen zu lassen, damit dann die Amerikaner völlig souverän über die gesamte westeuropäische Schwerindustrie bestimmen können.
    Das Konzept des außenpolitischen Beraters von Präsident Truman, John Foster Dulles, hat nunmehr auch in Westdeutschland die gewünschten deutschen Fürsprecher gefunden. Die Amerikaner vermögen nun ihr europäisches Empire mit der Ruhrindustrie als Mittelpunkt aufzubauen, das heißt natürlich nur dann, wenn diese Pläne des Herrn Bundeskanzlers verwirklicht werden. Das deutsche Volk, das seine nationalen Interessen in der Wirtschaft verteidigt, wird dieser Konzeption der amerikanischen Monopole und jetzt auch der Herren Adenauer und Arnold niemals zustimmen können. Wenn sich das deutsche Volk dem Ruhrstatut beugen würde, würden damit die Vertreter der ausländischen Monopolinteressen auf unabsehbare Zeit exterritoriale Rechte in der deutschen Wirtschaft genießen, die mit der Würde des deutschen Volkes unvereinbar sind. Meine Damen und Herren, wenn Buchstabe und Geist des Ruhrstatuts zur Anwendung kommen sollten, würden wir nicht mehr von souveränen Rechten des deutschen Volkes in der Wirtschaft sprechen können. Wir müßten dann um der Wahrheit willen von kolonialen Zuständen sprechen. Gott sei Dank, kann man sagen, ist das Ruhrgebiet und ist Westdeutschland nicht Shanghai! Gott sei Dank, kann man hinzufügen, mußten die Imperialisten inzwischen in Shanghai ihre Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen aufgeben. Ich bin davon überzeugt, daß auch das deutsche Volk genügend politischen Instinkt besitzen wird, um alle Angriffe auf die Wirtschaftskraft des Ruhrgebiets und die Schwerindustrie Westdeutschlands abzuwehren. Das Ruhrgebiet ist Herzstück der deutschen Wirtschaft, ist Kraftquelle des deutschen Wiederaufbaus und muß für alle Ewigkeit Eigentum des deutschen Volkes sein und bleiben.

    (Zuruf rechts: Und Schlesien?)

    — Reden Sie doch nicht immer von anderen Dingen, reden Sie doch von dem, was uns hier hinsichtlich des Ruhrgebiets droht!

    (Zuruf rechts: Halten Sie doch in Berlin Ihre Reden!)

    Jede Regierung oder jede Wirtschaftsgruppe, die es wagen sollte, dieses Eigentum des deutschen Volkes dem internationalen Schacher preiszugeben, muß sich sagen lassen, daß sie damit deutsche Interessen preisgibt.
    Meine Damen und Herren, es ist eine Frage der Vernunft, aber auch eine Frage der Zukunft unseres Volkes und der deutschen Wirtschaft, daß alle Parteien des Hauses und das deutsche Volk selbst klare Stellung zum Ruhrstatut beziehen müssen. Es ist die Auffassung fast aller deutschen Menschen, daß wir mit den Statuten in Deutschland endlich einmal Schluß machen müssen, daß wir statt des Ruhrstatuts oder auch des Besatzungsstatuts einen Friedensvertrag erhalten müssen. Wir müssen auch volle Souveränität über unsere Wirtschaft haben. Wir brauchen ferner einen Rechtszustand in Deutschland, der es gestattet, daß sich die deutsche Wirtschaft frei und ungehindert von unberechtigten Kontrollen und Eingriffen durch Bestimmungen irgendeines Statuts entwickelt. Im Interesse der Entwicklung der deutschen Wirtschaft muß auch mit jeglicher Diskriminierung und jeglicher einseitigen, aus Konkurrenzgründen herrührenden Überwachung der deutschen Wirtschaft Schluß sein.
    Nach dem Ruhrstatut gibt es jedoch eine sogenannte Sicherheitsbehörde, deren erste Praxis schon zeigt, daß diese Sicherheitsbehörde sehr wenig Wert darauf zu legen scheint, wirkliche Erscheinungen einer echten Kriegsproduktion aufzuspüren, sondern daß sie viel mehr Wert darauf legt, bestimmte Produktionsmethoden der westdeutschen Industrie zu ergründen, um über diese angebliche „Kontrolle aus Sicherheitsgründen" der deutschen Wirtschaft ernsthaften Schaden zuzufügen. Wir fordern daher die Regierung auf, im nationalen Interesse zu handeln und das Ruhrstatut nicht anzuerkennen.
    Die Frage der Anerkennung des Ruhrstatuts wird über kurz oder lang auch hier in diesem Hause zur Debatte stehen. Dann müssen alle Parteien und dann muß auch die Regierung Farbe bekennen. Solche Ausflüchte: Wir werden das Ruhrstatut nur dann anerkennen, wenn zugleich die westdeutsche Industrie europäisiert wird, führen uns nicht dahin, wohin wir kommen müssen: zur vollen Souveränität für die deutsche Wirtschaft. Wir bitten Sie darum, unserem Antrag Nr. 5 Ihre Zustimmung zu geben.

    (Beifall bei der KPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wird das Wort gewünscht? - Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache und nehme das Einverständnis des Hauses an, daß die Drucksache Nr. 5 an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten überwiesen wird.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 21:
Antrag der Fraktion der KPD, betreffend
Besatzungskosten (Drucksache Nr. 8).
Wer von den Antragstellern wünscht das Wort? -- Herr Abgeordneter Rische, bitte!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Anläßlich der Regierungserklärung und


    (Rische)

    auch in der heutigen Debatte zum Flüchtlingsproblem wurden viele Worte über eine sinnvolle, den sozialen Belangen entsprechende Verwendung öffentlicher Mittel gesprochen. Di e Regierung gab in ihrem Programm zu verstehen, daß sie eine verantwortungsbewußte Sozialpolitik durchzuführen gedenke. Sie hat die Flüchtlingshilfe, den Wohnungsbau, die Verbesserung der sozialen Leistungen — vorsichtshalber allerdings — „in Aussicht gestellt". Wir aber stellen die Frage, und sie scheint uns berechtigt: wie will das Kabinett Adenauer — wenn wir einmal unterstellen, daß es wirklich ernst gemeint ist — diese unerhört großen Aufgaben bei der gegenwärtigen Notlage des deutschen Volkes finanziell lösen? Bisher, kann man sagen, gibt es zu dieser Frage nur ein allgemeines betretenes Schweigen. Aus der Länderpraxis wissen wir jedoch, daß selbst die höchsten Steuersätze der Welt, die wir ja hinnehmen müssen, bei weitem nicht ausreichen, um diese Sozialausgaben im verarmten Deutschland zu decken. Im Bund wird es weit schlimmer sein. Es gibt schon in der Öffentlichkeit und in der Presse Diskussionen über die Gestaltung des Bundesetats. Allgemein — ob es stimmt oder nicht, sei dahingestellt — wird von einem Defizit gesprochen. Das müßte uns eigentlich einmal der Herr Finanzminister in aller Deutlichkeit klarlegen. Es gibt eine Auffassung, daß wir schon jetzt ein Defizit von etwa 2 Milliarden D-Mark allein im Bereich des Bundes haben. Die Regierung muß uns ebenfalls möglichst schnell über diese Frage Auskunft erteilen.
    Was kann nun unternommen werden, um den Bundesetat, der die wichtigen sozialen Ausgaben in sich einschließt, zu sichern? Man hört hier sehr viel von der notwendigen — politisch sehr gut vertretenen - Steuersenkung zugunsten der deutschen Wirtschaft. Mit der Senkung der Steuersätze fehlen nur noch mehr Mittel, um den Sozialetat zu sichern
    Bei den unerhörten Belastungen, die nun einmal das System des Besatzungsstatuts — mit Anhang selbstverständlich — für die deutsche Wirtschaft und für die Etats der Länder und Gemeinden mit sich bringt, wagen wir zu bezweifeln, daß es überhaupt möglich sein wird, die unerhörten Ausgaben zu decken. In erster Linie drücken uns die großen Kosten zum Unterhalt der Besatzungstruppen. Es besteht sicherlich im Hause kein Zweifel darüber, daß eine Senkung der Besatzungskosten dringend notwendig ist. Allerdings hat ein Herr Kollege heute gesagt: Über Besatzungskosten zu sprechen, ist doch zwecklos. Und wenn irgendwann einmal ein konkreter Hinweis in dieser Linie erfolgt, dann spricht man gefälligerweise von sogenannten „Mätzchen". Ich denke aber, daß es sich hier um Milliarden handelt, und wenn es darum geht, müssen wir sehr ernsthaft darüber diskutieren und müssen einen Ausweg suchen, um mit diesem wichtigsten aller deutschen Probleme fertig zu werden. Eine Minderung der Besatzungsausgaben erscheint uns darum dringend notwendig.
    Ohne besondere Leistungen, und zwar Bereitstellung von Möbeln, Kleidung, Gebrauchsgegenständen und sonstigen Dingen, geht es nun einmal bei der Aufrechterhaltung der Besatzung in Westdeutschland nicht. Westdeutschland wird nach Äußerungen der Experten allein im Jahre 1949 rund 5 Milliarden D-Mark für den Unterhalt der Besatzungstruppen über Besatzungskosten bereitstellen müssen. Meine Damen und Herren, dafür könnten wir in Westdeutschland 80- bis 90 000 Sechs-Familien-Häuser bauen. In vier Jahren machen diese Kosten soviel aus, wie beispielsweise auf einer Konferenz der Außenminister an Reparationsleistungen zugunsten der Sowjet-Union und Polens vom deutschen Volk gefordert wurde, nämlich 10 Milliarden Dollar. Daran mögen Sie den gesamten Umfang der unerhörten Belastung des deutschen Volkes durch den Besatzungsetat ermessen.
    Interessant und aufschlußreich ist ein Vergleich der Besatzungskosten zu den übrigen Ausgaben der Länder. In allen Ländern stehen heute die Ausgaben für Besatzungskosten und Besatzungsfolgekosten weitaus voran und rangieren an erster Stelle, und erst in weitem Abstand kommen die Ausgaben für den Sozialetat, den Wohnungsbau, die Flüchtlingshilfe usw.
    Auch über die Verwendung der Besatzungskosten gibt es im eigentlichen Sinn heute im Bundesgebiet noch keinerlei Kontrolle. Besonders in der britischen Zone fehlt es an jeder Kontrollfunktion zur Überwachung der Ausgaben über den Besatzungsetat. Nach wie vor fehlt eine laufende Prüfung des Besatzungsbedarfs und aller Ausgaben durch die deutschen Behörden. Die britische Militärstelle beispielsweise wickelt ihre Bestellungen immer noch in direktem Verkehr mit den deutschen Lieferanten ab, und dies ist, — die Praxis beweist es — eine stete Quelle der Korruption und der Veruntreuung. Was der deutsche Lieferant bei derartigen Lieferungen in Rechnung stellt, unterliegt nach wie vor keinerlei Kontrolle, besonders nicht in Preisfragen. Die Besatzungsämter haben nur nach den Empfehlungen der Besatzungsmächte die Empfangsbestätigung hinzunehmen und haben das Geld zur Verfügung zu stellen. Durch eine entsprechende sinnvolle Kontrolle könnten hier sehr hohe Beträge eingespart werden. Wir fordern eine solche Kontrolle, wir fordern eine genaue Aufstellung aller Ausgaben für die Besatzungsmacht.
    Dabei gibt es in Deutschland immer noch nicht eine genaue Umschreibung des Begriffs Besatzungsbedarf. Wir müssen endlich zu einer klaren Unterscheidung zwischen Besatzungskosten und sogenannten offenen und stillen Reparationen kommen. Herr Bevin sprach uns gelegentlich davon, daß das deutsche Volk in Westdeutschland von allen Reparationsleistungen befreit ist. Aber die Praxis zeigt uns doch etwas anderes. Hier wird uns jedenfalls allerlei zugemutet. Ein Beispiel sei genannt. Kürzlich erhielt die hessische Regierung von der US-Militärregierung den Befehl, bei der Firma Opel, Rüsselsheim, einen Betrag von 20 Millionen D-Mark für den Bezug von 2 000 Automobilen vom Typ „Opel Kapitän" zu bezahlen. Weiterhin gibt es eine sehr denkwürdige Denkschrift des Finanzministers Weitz von Nordrhein-Westfalen über Besatzungskosten. Sie zählt bedeutende Mengen von Gebrauchsgegenständen auf, die über Besatzungskosten verrechnet wurden. Das sind nichts anderes als stille Reparationen, die hier aus der laufenden Produktion der deutschen Wirtschaft entnommen werden.
    Die Last der Besatzungskosten wird außerdem durch die zweite Besatzungsmacht, die fünfte Kolonne der Faschisten in Westdeutschland bedeutend erhöht.

    (Zuruf rechts: Was ist das für eine fünfte Kolonne?)

    Ich erinnere an die sogenannten DPs oder verschleppten Personen. Die Kosten für den Unterhalt dieser DPs betragen für jede Person im Jahre fast 2 000 D-Mark. Darunter sind nicht, wie immer wieder erzählt wird, in erster Linie verschleppte


    (Rische)

    Juden, sondern in der Mehrzahl handelt es sich
    bei diesen Dauerpensionären um ehemalige faschistische Mitläufer und Angehörige der Waffen-SS.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Es ist natürlich unmöglich, obwohl es sehr wichtig wäre, alle einschlägigen Fragen anzuschneiden. Diese wenigen Beispiele beweisen jedoch, daß es sich bei den Besatzungskosten wahrscheinlich um den größten Finanzskandal unserer Geschichte handelt. Bei der Betrachtung darf auch nicht vergessen werden, daß deutsche Politiker die Verewigung dieser Zustände geradezu wünschen. Es war der Herr Bundeskanzler, der 1945 eine langandauernde Besatzung von 45 Jahren forderte. Auch der prominente Führer einer anderen großen Partei wünschte, daß man die Besatzung möglichst lange in Westdeutschland behält. Dabei bedeuten die Kosten für den Unterhalt der Besatzungsmächte letzten Endes nichts anderes als das Wegsteuern von Geldern an Stelle von Reparationen. Das müssen wir hinnehmen, weil der Friede mit Deutschland immer noch nicht geschlossen ist. Die Besatzungskosten sind daher der Maßstab für die Politik des verhinderten Friedens. Wenn wir schon keinen Friedensvertrag bekommen — und es sieht so aus, als ob die westdeutschen Politiker sich nicht sehr darum bemühten —, dann verlangen wir wenigstens, daß uns von der Militärregierung klare Rechnungen aufgemacht werden. Wir gehen nicht davon ab, daß diese Frage schnellstens gelöst wird. Wir wollen wissen, welche Verpflichtungen wir haben, wir wollen wissen, wie lange die Besatzungsmächte in Westdeutschland noch zu bleiben gedenken. Nur so wird es möglich sein, unseren inneren Aufbau gesund und zukunftsfroh zu beginnen.
    Bei den gegenwärtigen Besatzungskosten muß alles, was wir uns vornehmen, scheitern. Wir müssen im Bundesgebiet 1,3 Millionen Arbeitslose in Arbeit bringen, wir haben 1,4 Millionen Kriegsbeschädigte zu versorgen. 22,7 vom Hundert des deutschen Volkes sind heute auf Pensionen, Renten und Unterstützungen angewiesen; früher waren es nur 4,7 vom Hundert des deutschen Volkes. Über 7 Millionen, ja fast 8 Millionen Flüchtlinge müssen durch uns versorgt werden. Es gibt Länder, die heute schon bis zu 50 Prozent ihrer Einnahmen für Besatzungskosten verausgaben müssen. Allein das Bergarbeiter-Wohnungsbauprogramm im Ruhrgebiet würde uns bis zum Jahre 1952 etwa 1,7 Milliarden D-Mark kosten, um 100 000 Bergarbeiterwohnungen zu erstellen. Ich denke in diesem Zusammenhang an den langwierigen Streit im Wirtschaftsrat um die Sozialausgaben, um das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz usw. Ich darf hier auch an die Auswirkungen der Demontage erinnern und an die Subventionen für Lebensmittel, die wir ebenfalls jetzt auf Länder- oder auf Bundesbasis aufbringen müssen. Ohne radikale Senkung der Besatzungskosten ist darum eine Aufrechterhaltung der hohen Ausgaben für den Sozialetat im verarmten Deutschland nicht möglich. Meine Fraktion hatte bekanntlich den Antrag gestellt, der hier allerdings sehr robust zurückgewiesen wurde, den Besatzungsmächten eine 50prozentige Senkung der Besatzungskosten vorzuschlagen. Uns erscheint diese Forderung mehr als nur gerecht. Wir wissen, daß eine endgültige Lösung nur durch den Abschluß eines Friedensvertrages und den Abzug der Besatzungstruppen möglich sein wird. Solange uns dies durch einen Friedensvertrag nicht garantiert wird, ist eine radikale Senkung der Besatzungskosten unerläßlich!
    Alle Fraktionen haben eine Senkung der Besatzungskosten verlangt, nun müssen den Worten Taten folgen! Eine solche Möglichkeit ist gegeben. Wir müssen zu einem gemeinsamen deutschen Standpunkt kommen und von der Militärregierung eine wirkliche, echte Reduzierung der Besatzungskosten verlangen. Ich möchte darum zum Schluß die Begründung unseres Antrages verlesen, die folgendermaßen lautet:
    Nach Artikel 120 des Grundgesetzes übernimmt der Bund die Aufwendungen für die Besatzungskosten. Die besondere wirtschaftliche und soziale Not in Westdeutschland, die nicht zuletzt eine Auswirkung der Wirtschafts- und Handelspolitik der Besatzungsmächte, der durchgeführten Demontagen und der unerträglich hohen Besatzungskosten ist, zwingt den Bundestag, eine Einsparung von Steuermitteln dort vorzunehmen, wo es sich um unproduktive und mit den Interessen der deutschen Bevölkerung unvereinbare Ausgaben handelt.
    Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, auch diesen Antrag der kommunistischen Fraktion zu unterstützen.