Rede von
Anton
Donhauser
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Zentrumsabgeordneten von vorhin und die Verlesung des Briefes rufen mich kurz auf den Plan. Daß Menschen, die mit den geltenden Bestimmungen kaum vertraut sind, darüber hinaus vielfach in den Zuschriften, die an uns Abgeordnete gerichtet werden, nicht die restlose, eindeutige Wahrheit angeben, das ist doch wohl allgemein bekannt. Unsere Erfahrungen gehen dahin, daß wir täglich mit einer Flut von Briefen überschüttet werden, die bei genauer Nachprüfung ganz andere Tatbestände ergeben. Herr Abgeordneter von der Zentrumspartei, darf ich Ihnen kurz nur drei Zeilen aus einem Brief verlesen, der mir heute zugegangen ist und der die Antwort auf Ihre Ausführungen darstellt. Sie lauten:
Herr Franz Manz, Lehrer in Holzkirchen in Oberbayern, ausgewiesen aus Schlesien, könnte mit seiner verheirateten Tochter in allernächster Zeit in die Gegend von Bremen verziehen. Da er aber nicht weiß, ob er auch dort die von Bayern ausgeworfene freiwillige Zuwendung in Höhe der halben Pension — zirka 180 DM — erhalten wird, bleibt er lieber dort, wo er jetzt ist.
Meine Damen und Herren! Darf ich mir noch kurz einige Bemerkungen zum Verlauf der heutigen Debatte gestatten. Im ganzen genommen hat sich das Haus heute ungewöhnlich einhellig gezeigt. Über die Tatsache, daß wir alle samt und sunders nicht nur verpflichtet, sondern auch lens sind, den Heimatvertriebenen zu helfen, dürfte wohl keinerlei Mißverständnis mehr aufkommen. Es geht aber doch darum, das gleichfalls anerkannt einseitige Verteilungssystem der Bevölkerungsmassen möglichst bald einigermaßen erträglich zu gestalten. Sie wissen doch alle, gleichgültig von welchen politischen Parteien oder Ideologien Sie herkommen mögen, daß wir nun einmal unter ganz außergewöhnlich ungünstigen und einmaligen Umständen leben, die wohl auch einmalige harte Maßnahmen erfordern werden. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, der politischen Fairneß zu entsprechen und den heute schon mehrmals zitierten Antrag der Bayernpartei laut Drucksache Nr. 23 im ganzen zu lesen und auch im ganzen zu würdigen. Wir haben da eindeutig kundgetan, daß auch wir der Meinung sind, daß der Flüchtlingsausgleich zunächst und in erster Linie durch Freiwilligkeit erfolgen muß. Aber Sie sind sich doch auf Grund Ihrer öffentlichen Tätigkeit ebensosehr wie wir dessen bewußt, daß leider Gottes heute Aufrufe, die an die Freiwilligkeit der betroffenen Bevölkerungskreise appellieren, nur zu leicht verhallen.
Es geht doch darum, eine unerhört einseitige Belastung dreier deutscher Länder sobald wie möglich auszugleichen. Sie fürchten sich davor, meine Damen und Herren, Rechtsnachteile anzudrohen, um einen wirksamen Flüchtlingsausgleich durchzusetzen. Fürchten Sie sich nicht auch davor, daß Sie auf Jahre und Jahrzehnte hinaus drei deutschen Ländern unerhörte einseitige Wirtschaftsbenachteiligungen zufügen werden, wenn dieser Flüchtlingsausgleich nicht wirksam durchgeführt wird? Sie sind sich doch darüber klar, daß einige Rechtsnachteile nichts bedeuten gegenüber den ungeheuren Benachteiligungen auf dem Fürsorge- und Wohlfahrtssektor, den gewaltigen Benachteiligungen auf dem Wohnungssektor und den ebenso gewaltigen Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt, denen diese drei deutschen Länder auf Jahre und Jahrzehnte hinaus noch ausgesetzt sein werden, wenn es uns nicht gelingt, einen wirklich durchgreifenden, wirksamen Flüchtlingsausgleich durchzusetzen. Wir glauben, daß unser Antrag nicht etwa nur im Interesse der Alteingesessenen, sondern darüber hinaus ganz besonders gerade im Interesse der Flüchtlinge selbst liegt. Denn es ist
nicht von ungefähr, daß beispielsweise im Land Bayern etwa zwei Drittel unserer gesamten Arbeitslosen sich aus dem Lager der Heimatvertriebenen rekrutieren. Glauben Sie etwa, daß diese Heimatvertriebenen, die im Süden oder im äußersten Norden Deutschlands noch keine menschenwürdige Bleibe, aber auch noch keinen befriedigenden Beruf gefunden haben, allzu große Widerstände machen werden, um wirklich in eine bessere Position gebracht zu werden?
Meine Damen und Herren, Sie können den Antrag, den wir mit Drucksache Nr. 23 zugestellt haben, nur im Zusammenhang mit der Drucksache Nr. 92 sehen. Sie haben mit dem Antrag der Drucksache Nr. 92 eindeutig Gelegenheit zu beweisen, ob Sie willens sind, wenigstens ab sofort aus dem Gerede herauszukommen und zur Tat zu schreiten, ob Sie willens sind, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, die bestimmt nicht etwa in die Sphäre der persönlichen Freizügigkeit eingreifen; denn es ist dem Heimatvertriebenen, der jetzt gerade die grüne Grenze im Norden oder Nordosten Bayerns überschreitet, völlig gleichgültig, ob er in ein Auffang- oder Durchgangslager in Nordbayern kommt oder ob er noch 70, 80 oder 120 Kilometer weiter nach Südwesten fahren muß.
Wir wissen alle, daß es nicht sehr viel praktischen Sinn hat, hier über diese Dinge lange Reden zu halten. Ich möchte Ihnen aber und vor allem unseren politischen Gegnern, die meinen politischen Freunden und mir in der Vergangenheit, vor allem aber im Wahlkampf bei jeder politischen Diskussion immer und immer wieder den wunderbaren Satz entgegengehalten haben: „Wir sind doch alle Deutsche", heute diesen Satz auch entgegenhalten und Ihnen sagen: Bitte, hier haben Sie Gelegenheit, zu beweisen, daß wir alle Deutsche sind, zu beweisen, daß Sie willens sind, die größte gesamtdeutsche Nachkriegslast einigermaßen gleichmäßig auf alle deutschen Schultern zu verteilen!