Meine Damen und Herren! Wir sind uns, glaube ich, vollkommen darüber einig, daß die gigantischste Bauaufgabe, die jemals einem Volk und einer Volkswirtschaft gestellt worden ist, die Schaffung des Wohnraums für unser Volk ist. Ich bitte Sie. auch überzeugt zu sein, daß ich die Verantwortung für diese Aufgabe, die ich übernommen habe, als eine sehr schwere fühle. Wir sind, glaube ich, weiter darüber einig, daß das Wort „Sozialer Wohnungsbau" dahin zu verstehen ist, daß es sich darum handelt, Wohnungen zu bauen, deren Miete die Masse der Bevölkerung — der Arbeiter, der Handwerker, der Angestellte, der Beamte — im Verhältnis zu ihrem Einkommen bezahlen kann. Wir haben ja rückblickend auf diesem Gebiet schon bedeutende Leistungen hinter uns. Ich erinnere daran, daß in der Zeit der Weimarer Republik — in den Jahren 1919 bis 1933, eigentlich in den Jahren 1923 bis 1933, also in zehn Jahren — 31/2 Millionen Wohnungen gebaut worden sind.
Das ist eine gewaltige Leistung gewesen. Wir, die wir diese Dinge kennen, wissen, daß nicht alles befriedigend war, was damals geschaffen worden ist. Insbesondere ist bekannt, daß die Miethöhe nicht immer den Notwendigkeiten entsprochen hat. Aber wir können aus dem, was damals geschehen ist, lernen. Wir können weiter feststellen, daß auch im letzten Jahr die Leistungen im Wohnungsbau höher gewesen sind, als sie veranschlagt worden waren. Man hat, vorsichtig schätzend, geglaubt, etwa hunderttausend Wohnungen fertigstellen zu können, tatsächlich ist die Zahl bedeutend überschritten worden. Dabei haben vor allem zwei Faktoren zusammengewirkt: auf der einen Seite die starken Anstrengungen der öffentlichen Hand, der Länder und der Gemeinden und auf der anderen Seite eine viel weitergehende private Initiative, als man sie glaubte erwarten zu dürfen. Aber wenn wir diese Aufgaben jetzt anfassen und sie einer Lösung zuführen wollen, so müssen wir uns klar sein, daß das kühner Entschlüsse bedarf, aber kühner Entschlüsse, die sehr sorgfältig durchdacht und sehr sorgfältig vorbereitet sein müssen. Wir stehen auf der einen Seite unter dem Druck, daß das, was an gesetzgeberischen und finanziellen Maßnahmen notwendig ist, vor Beginn der Bausaison, also spätestens zum März des nächsten Jahres fertig sein muß. Aber ich bitte Sie trotzdem, die Regierung und wohl auch den Wohnungsausschuß nicht unter den Druck eines Datums, eines festgelegten Termins zu setzen. Das ist nicht vorauszusehen, ob man immer einen Termin auf den Tag genau einhalten kann.
Das Kernstück des Wohnungsbaus — das ist hier ganz deutlich zum Ausdruck gekommen — ist natürlich die Finanzierungsfrage. Wir müssen uns klar sein, daß der Bau von 250 000 Wohnungen eine Kapitalinvestierung von ungefähr 21/4 Milliarden verlangt und daß dabei noch Aufschließungskosten und andere Nebenkosten der öffentlichen Hand nicht in Rechnung gezogen sind. Ich kann Ihnen mitteilen, daß die Verhandlungen über die Baufinanzierung für das nächste Jahr sofort nach Bildung der Bundesregierung aufgenommmen worden und daß sie im Gange sind. Ich möchte über das Ergebnis erst berichten, wenn ich Ihnen mit abgegeschlossenen Dingen und vor allem mit bestimmten Zahlen kommen kann.
A11 Projekten für cien Wohnungsbau fehlt es ja nicht, sie häufen sich bei mir allmählich in Kubikmetern. Sie sind ungeheuer verschieden. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Im großen und ganzen fallen den Leuten nur zwei Dinge ein: zusätzliche neue Steuern, die man in der Regel nicht Steuern nennt, und neue Organisationen, die den Wohnungsbau durchführen sollen.
Ich bin der Meinung, daß es so nicht geht. Zusätzliche Steuern ertragen wir nicht bei der steuerlichen Überbelastung, die alle Einkommen, die großen wie die kleinen, bei uns schon trifft. Auch der Vorschlag, von Bargeldmitteln Beträge abzuziehen, ist nach meiner Meinung gar nicht diskutabel. Die Herren von der KPD-Fraktion übersehen dabei, daß sie mit 4000 DMark, die sie dem Betrieb und dem Geldbesitzer entziehen, in der Regel einen Arbeitsplatz schließen und einen Mann zur Entlassung bringen würden.
Sehr wichtig ist selbstverständlich die Frage der Zinshöhe für langfristige Ausleihung. Die Regierung wird dieser Frage ihre besondere Aufmerksamkeit schenken. Wenn wir vorwärtskommen wollen, so müssen wir eine Ausgangslage schaffen, die alle Leute daran interessiert, möglichst billig zu bauen. Steuerliche Vergünstigungen für die Bildung von Sparkapital und für die Anlage von Sparkapital im Wohnungsbau werden dabei eine große Rolle zu spielen haben. Wir sind im Augenblick nicht in der Lage, im Wohnungsbau die Konkurrenz eines freien Marktes zu schaffen, die selber für ein reichliches und billiges Angebot sorgt, sondern wir müssen diese Voraussetzungen durch andere Maßnahmen schaffen. Ich bin der Auffassung, daß alles das, was an Vergünstigungen von seiten der öffentlichen Hand auf steuerlicher Seite oder durch Kapital- oder Zuschußhingabe in den Wohnungsbau gebracht wird, an niedrige Mieten gebunden wird. Wir sind hier, glaube ich, heute schon weiter, als man allgemein glaubt. Es sind vorhin sehr interessante Zahlen genannt worden, die ich nur bestätigen kann.
Das zweite, woran wir gehen müssen, ist das Problem der Baukosten. Ich habe es eben schon gestreift. Das Ziel ist, die Baukosten unter 200 Prozent von 1913 herunterzudrücken. Dazu sind
zwei oder drei Voraussetzungen nötig. Die eine Voraussetzung ist die ausreichende Kapazität der Bauindustrie, der Baustoffindustrie und des Baugewerbes. Sie ist zweifellos gegeben. Wir werden schon viel bauen können, ehe wir an die Kapazitätsgrenze anstoßen. Das zweite — und hier sehe ich eine sehr wichtige Aufgabe vor mir — ist die Vereinfachung von all dem, was man Verfahren nennt. Ich habe den Eindruck — und ich bin ja in diesen Dingen nicht ganz fremd —, daß eine Fülle wohlgemeinter und wohldurchdachter Bestimmungen allmählich ein Dickicht geschaffen haben, in dem sich auch der Fachmann kaum noch auskennt.
Die zweite Aufgabe liegt auf rein technischem Gebiet. Es ist die Auswertung der Erfahrungen mit neuen Baumethoden, mit der Normung und Typisierung von Bauelementen. Es ist auch auf diesem Gebiet innerhalb und außerhalb Deutschlands sehr viel geleistet worden. Große Erfahrungen liegen vor; sie liegen zum Teil schon 20 Jahre zurück, zum Teil sind es auch Erfahrungen aus den letzten Jahren. Ich sehe es als, die Aufgabe meines Ministeriums an, all diese Erfahrungen zusammenzufassen, die Bauforschung zu koordinieren und dafür zu sorgen, daß die Ergebnisse möglichst publik gemacht werden.
Wir müssen darüber hinaus gesetzliche Voraussetzungen für einen starken Wohnungsbau schaffen. Vorhin ist das Problem der Trümmerhypotheken angeschnitten worden. Es sind eine Fülle von Problemen, die die Herren, deren Tätigkeit mit dem Bauwesen zusammenhängt, ja sehen.
Zusammenfassend möchte ich folgendes sagen: Patentlösungen gibt es auch für den Wohnungsbau nicht. Der Wohnungsbau ist ein Ausschnitt der allgemeinen Wirtschaftspolitik; heute ist er ganz sicher ein Kernstück der Wirtschaftspolitik, aber er kann auch nur im Zusammenhang mit der gesamten Wirtschaftspolitik gesehen werden. Das Ziel ist, Anreize dafür zu schaffen, daß es
ich möchte es ausdrücklich sagen - ein lohnendes Geschäft wird, möglichst viel und möglichst billig zu bauen. Deswegen bedarf es dazu von mir aus einer sehr engen Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden, einer sehr engen Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gremien, die der Wohnungsbau zum Teil schon seit vielen Jahren geschaffen hat. Ich habe auch die Absicht, einen Beirat für Wohnungsbau in meinem Ministerium heranzuziehen, der aus Sachverständigen all der Gruppen und all der Kreise besteht, die mit den Aufgaben des Wohnungsbaues vertraut sind. Es soll jeder den gleichen Start haben.
Ich darf zum Schluß noch einmal sagen: Ich bin mir vollkommen bewußt, daß das Ministerium unter einem sehr starken Zeitdruck steht. Von meiner Seite soll alles geschehen, damit die Bestimmungen und die Anordnungen rechtzeitig herauskommen, die nötig sind. Ich bitte Sie aber, mich nicht unter Druck zu setzen und bestimmte kalendermäßig festgesetzte Termine zu nennen.